
Letzte Tage – ein Rückblick

Weil es schon vorbereitet war, und weil es in der Rückschau so vielfältig war, noch ein letzter Blick zurück auf die Zeit in Mindelo. Letzte Tage sind etwas Sonderbares. Man legt sie fest, nimmt sie sich vor, und dann entgleiten sie so ganz aus Versehen oder im Handumdrehen. Und schon ist der letzte Tag irgendwie vergangen. Und ein neuer betritt die Ideenwelt. Nicht anders war es bei uns. Eigentlich wollten wir am Freitag (07.03.) starten, dann eher am Sonntag (09.03.). Nun ja, der Montag verging, der Dienstag (11.03.) wurde nun zum endgültig letzten Tag erklärt. Gestartet sind wir letztlich am Mittwoch, dem 12. März. Man darf es gar nicht laut sagen, für den Sonntag hatten wir sogar schon ausklariert!
Im Nachhinein fragt man sich, wie all die letzten Tage so einfach dahingleiten konnten ins kalendarische Nirwana. Und was war an diesen Tagen geschehen? Was hat uns aufgehalten?
So einfach lässt sich das gar nicht fassen. Natürlich war einzukaufen. In erster Linie Lebensmittelvorräte. So richtig dramatisch konnte das nicht sein, denn es ging ja nur um eine Zeitspanne von 13 oder 14 Tagen, wenn´s ganz schlimm kommen würde vielleicht 16 Tagen. Und man muss ja nicht für alle Tage frisches Gemüse oder Fleisch oder Anderes haben. Andererseits will man ja Frischgemüse, -fleisch oder Anderes haben, und das bedeutet, die frischest möglichen Produkte zu finden. Und weil vieles verderblich ist, entsprechende Vorkehrungen treffen. Abpacken, vakuumieren, vorkochen. Man sieht – es geht fast nur um das leibliche Wohl. Anders als noch auf der Reise mit Just do it ist Anke heute der Auffassung, dass Vorkochen sein muss. Obwohl wir mit Mago schneller segeln und die Passagen folglich kürzer werden. Andererseits hatte ich als Vorkochmuffel auf der letzten Passage von den Kanaren zu den Kapverden mit Begeisterung die annähernd zwei Kilo Frikadellen niedergespachtelt, die Anke vorbereitet hatte. Also werden jetzt vorgekocht: Chilli con Carne, Frikadellen sowie eine Hackbasis für Nudelgerichte oder ähnliches.


Ein weiteres Wirkfeld von Anke. Stauen loser und von Ungezieferbefall bedrohter Lebensmittel. Martin staut dagegen Konserven und andere hart verpackte Lebensmittel.
Jetzt wäre es natürlich eine grobe Verzerrung der Wirklichkeit, wenn nicht auch noch ein paar Dinge angesprochen würden, die sich weit jenseits der Pantry abgespielt hätten. Na ja, im bildlichen Sinne. Da war ja der neue Wassermacher. Inzwischen fein säuberlich eingebaut, aber noch immer nicht getestet. Also kein Probelauf. So wirklich begründen ließ sich dieses Versäumnis nicht, außer vielleicht mit meinen, Martins, nach wie vor vorhandenen, unterschwelligen Angstzuständen. Wobei die nun mal nicht gerade ergebnisfördernd sind. Es half jedenfalls alles nichts, an einem Tag unmittelbar vor einem der ursprünglich geplanten Abfahrtstage – wir wollen es nicht verschweigen, dem Samstag vor dem Sonntag – musste der Praxistest stattfinden. Also wurde die Anlage zunächst einmal und ohne Druck mit Seewasser geflutet. Was nicht richtig überzeugend gelang. Ab einer bestimmten Schwelle bewegte sich das Seewasser – dank der transparenten Schläuche gut zu verfolgen – nicht mehr vorwärts. Was tun? Nun ja, es gab ja auch die Spülfunktion über die Bordwasserversorgung (Süßwasser). Damit konnte man ja mal testen. Die bewegte schon was, aber andererseits auch nicht so richtig. Also drehte ich das Regelventil für das Spülwasser weiter auf, bis es mal wieder PAFF machte, Wasser durch die Gegend, genauer den Motorraum spritzte und eine der Schlauch-/Rohrleitungen auseinandergeflogen war. Es dauerte etwas, bis ich herausgefunden hatte, dass bei der vorgeschalteten Förderpumpe, die die eigentliche Hochdruckpumpe mit Seewasser versorgt, Ein- und Ausgang mit Verschlusskappen versehen waren. Die hatte ich schlicht übersehen bzw. als Bestandteile der Dichtungen aufgefasst. In gewisser Weise hatten diese Kappen ja dicht gehalten. Nur so war das nicht gedacht. Und wo zu ist, kann nun mal kein Wasser fließen. In solchen Momenten fällt mir immer ein weibliches Wesen aus alten Zeiten ein, dass mich gerne und liebevoll als „mein kleines Selektivblödi“ charakterisierte. Ich muss zugeben, heute nach fast 40 Jahren kann ich dieser Bezeichnung nach wie vor eine klitzekleine Berechtigung nicht aberkennen.

Nachdem die erkannten Probleme gelöst und diverse Undichtigkeiten, die sich beim Testbetrieb zeigten, ebenfalls beseitigt waren, spülten wir die Konservierungsflüssigkeit aus dem System und irgendwann war der glorreiche Moment erreicht, an dem wir das erste Wasserglas eigenproduziertes Wasser testen konnten. Das klingt jetzt ein wenig lustig und amüsant, doch die ganze Episode hatte ganz schön an unseren Nerven gezerrt. Und dann stellten wir fest, dass hinter dem Kontrollpanel des Wassermachers – und das befindet sich traditionell in der Pantry – und damit nähern wir uns der Küche und dem Vorkochen – einer der dort verlegten Schläuche eingeknickt war. Gar nicht gut, denn das reduziert den erforderlichen Querschnitt. Und ums Verrecken ließ sich keine Möglichkeit finden, den Schlauch so zu führen, dass er nicht knickte. Es brauchte einen kleinen Rohrwinkel mit lächerlichen 13 mm Durchmesser, um das Problem zu entschärfen. Man würde den Kapverden absolutes Unrecht tun, wenn man jetzt annehmen würde: Verloren! Es brauchte zwar den Besuch zweier Ferreterias, eines China-Metall-Ladens und eines weiteren Ladens, aber dann hatte ich eine gekritzelte Empfehlung für die Casa do Agricultor. Das Haus der Agrikultur. Das war, nachdem ich heraushatte, wo es sich befand, noch eine einstündige Wanderung entfernt, aber es war der Hammer. Von außen unscheinbar und von innen „wow“. Agrar- und Wassertechnik vom Feinsten. Und es gab eine „Grabbelkiste“ für extra kleine Dinge. In der fand ich, was ich suchte: Einen lächerlichen PVC-Rohrwinkel, 90°, 3/8″-Anschlüsse. Für den unfassbaren Preis von 10 Escudos, umgerechnet etwa 9 Eurocent. Der Rest war Kür ….


Natürlich war die Wassermachergeschichte nicht das Einzige, was mit Bootstechnik zu tun hatte. Da gab es noch anderes. Also: tagsüber Pflichten, abends und auch nachts, Carnaval.
- Das bewachsene Unterwasserschiff war gereinigt,
- der Seepockenbewuchs des Propellers runtergekratzt,
- die Opferanode des Propellers erneuert.
- Anke hatte Martin in beide Masten gewinscht. Dort hatte er Terminals der Wanten und Stage, die Drähte selbst sowie die Salinge, Flanschen und und und kontrolliert,
- das Dreifarbenlicht von Staub und Sand befreit und soweit möglich das komplette Rigg mit Hilfe eines mitgeführten Wasserschlauchs gespült.
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Weitere Prüfaufgaben an Bord vor Abfahrt:
- Ölstands- und Ölzustandskontrollen: Motor, Getriebe, Generator, „C-Drive“ (Antriebsstrang)
- Kühlwasserkontrollen: Motor, Generator
- Filterkontrollen: Grobfilter am Seewassereinlauf, zweiter Filter am Motor, gesonderter Siebfilter und Feinfilter am Wassermacher, Grobfilter an der Süßwasserdruckpumpe, Filter für das Getriebeöl, Luftfilter am Motor
- Dieselvorrat: Mit 850 Litern bei 900 Liter Fassungsvermögen ok, auf das vollständige Auffüllen verzichten wir
- Wassertank randvoll gehalten (ebenfalls 900 Liter Fassungsvermögen)
- Alle Notfall-„Grabbags“ kontrolliert, bestückt und griffbereit gestaut.


Ganz Mindelo scheint auf den Beinen, und alle Altersgruppen sind vertreten. Sowohl bei den Teilnehmern am Umzug als auch unter den Zuschauern. Wobei der Carnaval schon seit vielen Tagen mit kleinen Umzügen der einzelnen Vereinigungen und sogenannten Mandingas gefeiert wird. Der ganz große Tag ist dann der Umzug am Karnevals-Dienstag. Doch am Aschermittwoch ist mitnichten alles vorbei. Es wird weitergefeiert, bis am darauffolgenden Sonntag ein weiterer Umzug der Massen stattfindet, an dem gefühlt ebenfalls die ganze Stadtbevölkerung teilnimmt, und die Feierzeit schließlich Punkt halb elf abends endet. (Zeitangabe nicht zuverlässig, da wir nicht wissen, was sich noch so in den kleinen Gassen abspielt.)



Und auch mitten im Getümmel achtet man sehr darauf, dass man gesehen und Kostüm und Schönheit gewürdigt wird.


Und längst war der letzte Tag angebrochen. Die wirklich letzten Einkäufe getätigt. Dies und das gesäubert und gestaut. Freunde besucht und Abschied genommen. Doch noch Essen gegangen statt selber zu kochen. Und dann war es doch nur ein scheinbarer letzter Tag gewesen. Erschöpft, wie wir waren, beschlossen wir, noch ein wenig Entspannung zu benötigen und machten ganz entspannt in Kultur. Was auch wirklich wirkte. Nur, dass die letzte Nacht vor dem Start alle Entspannung wieder zunichte machte.

Der Straßenhund fühlt sich sichtlich wohl. Das fällt in Mindelo auf. Überall liegen die meist gar nicht so abgerissen wirkenden Straßenhunde herum. Völlig entspannt, oft mitten im Weg. Und die Einheimischen gehen einfach drum herum oder fahren auch drum herum. Frei interpretiert nach dem Motto: „No stress Cabo Verde.“






Ein (natürlich weiblicher) Torso. Mal nicht als Skulptur, sondern als Bild gestaltet. Wie viele Kunststudenten haben sich an weiblichen Körpern versucht? Sicher nicht immer nur mit künstlerischen Absichten. 😉Dieser Torso ist bei genauem Hinsehen recht spannend und wir sind beeindruckt, wie man als Künstler aus all diesen kleinen eingearbeiteten Dingen (s. nächstes Foto) eine solche Wirkung schafft.
Suely Vicente, 2024. Abfall, Müll und alles Mögliche.





Ach, beinah wäre das Titelbild vergessen worden. Es zeigt zwei Werke: Barco / Boot von Nhõ Comandante (Emiliano Silva), 1980. Gestaltet aus Schildkrötenpanzer. Das Boot ist arrangiert vor einer Digital Installation: Collectivo of Two (Gonçalo Santana Ferreira und Vasco Barbosa). Instalação digital, 2022. Auch das CNAD ist Vergangenheit. Irgendwann geht alles los. Sei es der Karnevalsumzug in Mindelo, sei es unsere Überfahrt. Und die hat ja nun stattgefunden und liegt hinter uns, wie Ihr ja längst wisst.
In diesem Sinne: Lasst Euch nicht aufhalten
Martin und Anke
Und weil es wirklich schön ist, binden wir hier noch einen Klassiker von Cesária Évora ein: Besame mucho.
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Und wir hatten oben Rachel vom Atoll Kauehi erwähnt. Sie tritt folglich auch auf in unserem Buch, in dem wir unsere Weltumsegelung von 2004 bis 2009 schildern. Eine Weltumseglung mit einer Aluminium-Reinke Super 11. Interesse? → Informationen zum Buch und wie Ihr die PDF bestellen könnt, erfahrt Ihr unter diesem Link, also einfach auf diesen Satz klicken.
Das Buch unserer Weltumseglung von 2004 bis 2009:
Just do it – von der Weser in die Welt
323 Seiten, durchgehend mit farbigen Fotos bebildert, diverse Karten, hier und da Einschübe zu besonderen Aspekten, die uns beschäftigten und ein Anhang mit gelegentlich launigen Begriffserklärungen.
Vorerst nur als PDF verfügbar.
Das Coverfoto des Buches zeigt Just do it in der Caleta Beaulieu im Beagle-Canal.
