
Bergfest auf See

Als wir noch vor dem Start verschiedene Routenoptionen nach Martinique absteckten, ermittelten wir eine voraussichtlich zu segelnde Distanz von rund 2.085 Seemeilen auf der Großkreisroute. Nun ist es ja so, dass Neptun und Rasmus eigene Vorstellungen vom Weltgeschehen haben, und so können wir Segler nicht damit rechnen, exakt auf einer solchen theoretischen Kurslinie zu segeln. Je nach Windverhältnissen ist man ja gerade auf der vom Passatwind bestimmten Strecke zwischen den Kapverden und der Karibik auf Raumschot-, mehr noch auf Vorwind-Kursen unterwegs. Und das bedeutet, man ist doch sehr von den tatsächlich herrschenden Wind- und Seegangsverhältnissen abhängig. Unsere Mago mag mit ihrer Standardbesegelung beispielsweise keine Vorwindkurse. Zumindest bei wenig Wind und der meist dennoch aktiven Atlantikwelle flappt das Großsegel auf solchen Kursen enervierend. (Wenn man ehrlich ist, muss man sagen, wir lieben diese Kurse nicht so, Mago ist da sicher emotionslos.) Also kreuzen wir lieber vor dem Wind. Das geht ganz gut, wenn die Windrichtungen beständig sind. Das sind sie zurzeit jedoch eher nicht. So kommt es vor, dass wir die ganze Besegelung mit Spibaum, Bullenstandern usw. für Wind von Backbord setzen, und kaum sind wir damit fertig, springt der Wind trotz anderer Vorhersagen um und wir müssen alles auf die andere Seite schiften. Besonders mit dem Spibaum ist dann Schwerarbeit angesagt. Oder man nutzt den Parasailor, eine weiterentwickelte Version des Spinnakers, gutmütig, aber bezüglich der nutzbaren Windwinkel und -stärken natürlich auch beschränkt. Und auch ihn muss man immer wieder schiften, also ebenfalls von einer Seite auf die andere Seite des Bootes bringen. Langer Schreibe kurzer Sinn: In der Praxis zickt und zackt man so vor sich hin, revidiert die Kurse in Anpassung an die tatsächlich angetroffenen Bedingungen, die bei weitem nicht immer den Prognosen entsprechen, und legt damit deutlich mehr Meilen zurück als in der geplanten Theorie. Und wieso dieser Vorspann? Nun, er soll verdeutlichen, dass wir nicht wissen können, wieviel Meilen unser Trip tatsächlich von uns abverlangt. Und das heißt, wir können gar nicht genau wissen, wann der Gipfel für das Bergfest erreicht ist.

Wir laufen gerade unter Genua und Groß „platt vor dem Laken“. Leider ist das sehr unangenehm, da die Segel aufgrund des Hin- und Herrollens im Seegang ständig schlagen. Anke versucht, durch Trimmen der Schoten, Niederholer oder Bullenstander, die Situation zu verbessern. Doch schließlich geben wir auf und setzen wieder den Parasailor.


Sonnenuntergang – einer der stimmungsvollen Sonnenuntergänge in frühem Stadium. Gelegentlich versinkt die Sonne ohne sich groß zu zeigen.

In der letzten Nacht vom 18. auf den 19. März haben wir ganz unwillkürlich den jeweiligen Logstand und die Angabe für die Reststrecke, die unser Navi-PC auswarf, wiederholt abgeglichen. Nachdem lange keine Schifffahrt zu sehen war, kamen zwei Frachter schon mal präventiv zur Gratulation vorbei, so schien es uns. Die Lichter der Eider ließen sich auf knapp 7 Meilen Distanz klar ausmachen, die GSSC Amsterdam sahen wir nur im AIS. Freundlicherweise klarte der Nachthimmel heute im Verlauf der Nacht auf, so dass uns das Kreuz des Südens ebenfalls begrüßen konnte. Dieses so unverwechselbare Sternbild hatte uns auf unserer letzten Reise von Anfang Januar 2005 bis etwa April 2009 treu begleitet.

Anke tischt das Ergebnis ihrer Pantry-Arbeit auf: Bananen im Schlafrock. Dahinter verbergen sich mit Kochschinken umwickelte Bananen mit Currysahnesauce und Rosinenreis.




Parasailor-Segeln unter
einem strahlenden Mond.

Heute um 04:40, während Anke auf der Hundewache aufpasste, war der Moment erreicht, an dem die tatsächlich zurückgelegten Meilen (echte Zickzack-Distanz) und die noch verbleibende Strecke (der theoretische Planwert also) den gleichen Wert aufwiesen. 1.061 Seemeilen lagen hinter uns und theoretisch 1.061 (angezeigte) Seemeilen vor uns. Heute können wir in jedem Fall anstoßen.



Gipfel müssen nicht hoch sein, manchmal ist es besser sich über kleine Exemplare zu freuen. So erfreut es uns, dass die Wellenberge sich derzeit auf Gipfelhöhen um die zwei Meter beschränken. In diesem Sinne liebe Grüße
Martin und Anke
***
Noch drei Hinweise:
Heute wollen wir an dieser Stelle mal anmerken, dass wir ab und zu ein paar neue Beiträge und Infos auf den verschiedenen Seiten unserer Homepage einstellen, besonders oft auf der Seite Story und Tipps. Vor allem unter den Sailors Tipps ist das eine oder andere dazu gekommen.
Zum Abschluss dieses Beitrags weisen wir gerne auf die Abo-Funktion hin: Wer in Zukunft keinen Beitrag mehr verpassen will, kann unseren Blog abonnieren, und das geht einfach über die Seite Kontakte, oder indem man – noch einfacher – hier klickt.
Und wie meistens nutzen wir die Gelegenheit, auf unser Buch hinzuweisen. Eine Weltumseglung mit einer Aluminium-Reinke Super 11. Interesse? → Informationen zum Buch und wie Ihr die PDF bestellen könnt, erfahrt Ihr unter diesem Link, also einfach auf diesen Satz klicken.
Das Buch unserer Weltumseglung von 2004 bis 2009:
Just do it – von der Weser in die Welt
323 Seiten, durchgehend mit farbigen Fotos bebildert, diverse Karten, hier und da Einschübe zu besonderen Aspekten, die uns beschäftigten und ein Anhang mit gelegentlich launigen Begriffserklärungen.
Vorerst nur als PDF verfügbar.
Das Coverfoto des Buches zeigt Just do it in der Caleta Beaulieu im Beagle-Canal.

4 Gedanken zu „Bergfest auf See“
Hallo Ihr Beiden,
„unser“ Idealwinkel von 145° bezog sich auf den „wahren“ Wind. Obwohl klar ist, dass er in Fahrt nur ein Rechenergebnis aus mehreren Faktoren sein kann, habe ich bevorzugt mit diesem Wert gearbeitet, weil er von Schwankungen der Windstärke und SOG grundsätzlich unabhängig ist. Bei einem Raumkurs >150° hat unser Groß begonnen, die Genua bzw. den Genni abzudecken. Damit wurden wir deutlich langsamer. 145° hatten im Übrigen den Vorteil, dass noch etwas Spielraum für seegangsbedingte Kursschwankungen blieb.
Bei Eurer Yacht könnte sich infolge der Riggkonfiguration natürlich ein anderer „Idealwinkel“ ergeben. Mit der heutigen Navigationselektronik ist das ja leicht herauszufinden.
Euch weiter viel Vergnügen und gute Fahrt .
Beste Grüße, Andreas
Hallo Andreas,
vielen Dank für Deine Auskunft. So viel anders scheint sich unser Wendewinkel auch nicht darzustellen. Werde jetzt noch genauer hinschauen und mal abgleichen.
Anke hat auch unser Trackingintervall gefunden: alle 15 Min. wird eine Positin genommen, allerdings nicht unbedingt im gleichen Moment gesendet. Da wird ein wenig gesammelt und dann gehen die Daten heraus.
Dir alles Gute und nochmal vielen Dank.
Beste Grüße, Martin und Anke
Hallo Ihr Beiden,
Glückwunsch zum Bergfest.
Nach 8 Tagen permanenter Schaukelei seht Ihr auf den Fotos sehr entspannt aus.
Man könnte fast meinen, Ihr seid froh, dass Euer Projekt Weltumsegelung Nr. 2 nach diversen Hindernissen mit Verlassen der Kapverden so richtig begonnen hat.
Das Kreuzen vor dem Wind als schnelleren Weg zu einem Ziel in Lee haben wir schon früher (1972 bis 2000) beim Regattasegeln genutzt. Auf unserer letzten seegängigen Yacht war 145° zum Wind der Idealkurs (sofern kein alter Seegang störte).
Frage: In welchen Zeitintervallen wird Euere Position für die Tracklinie aufgezeichnet?
Euch weiter eine gute Fahrt wünscht
Andreas
PS:
Im Buch von Euerer ersten Weltumseglung schmökere ich immer wieder mit Vergnügen
Hallo Andreas,
schön von Dir zu hören. Das Tracking-Intervall kennen wir nicht, peinlicherweise. Anke versucht gerade, das herauszufinden.
Bezieht sich Deine Angabe zum kreuzen vor dem Wind auf den wahren Wind oder den scheinbaren Wind. Ich nehme an, letzteres. Das ist immer ein interessantes Thema, finden wir.
Und es freut uns, wenn uns das Buch der ersten Reise gefällt.
Liebe Grüße
Martin und Anke
ca. 710 Meilen to go
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