Als die Seenotretter uns mitteilten, dass sie uns nach Garachico schleppen würden, war Anke, die Informierte, im Gegensatz zu mir, dem Unwissenden, glücklich. Sie hatte Los Christianos befürchtet, wo man ihrer Kenntnis nach ganz schrecklich liegen würde. Toll hätten wir Gomera gefunden, aber das war – so ehrlich muss man sein – doch etwas weit weg. Und eine Schlepphilfe ist kein Wunschkonzert. Aber Garachico? Zumindest in meiner, Martins Vorstellung, war das gleichbedeutend mit einem Nest am Ende der Welt. Wenigstens am Ende Teneriffas. Was es in gewisser Weise ja auch ist. Was gab es vom Hafen aus zu sehen? Eine nächtens seltsam beleuchtete Straße, eine Kapelle, Bananenplantagen.
Doch Halt. Welches Unrecht, welche Einfalt! Garachico ist ein kleines Juwel. So schön, dass wir uns zeitweise fragten, ob das Schicksal nicht gerade darauf hinwies, uns an diesem Fleckchen Erde niederzulassen. (Wozu es jedoch nicht gekommen ist.)
Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass die Sache mit dem Ende der Welt völlig daneben war und ist. Ich, Martin, leiste Abbitte. Garachico war in alten Zeiten nicht das Ende, sondern eher so etwas wie der Nabel der Welt. Zumindest der Nabel des Güterumschlags von Teneriffa in die große, weite Welt.
Und man mag es kaum glauben, dieses Örtchen Garachico wurde nahezu zeitgleich mit dem Aufbruch der Spanier gen Amerika gegründet: 1496 durch einen gewissen Cristóbal de Ponte. Der trug nicht nur den gleichen Vornamen wie unser weltbekannter Kolumbus, er war wie dieser Genueser. Im 16. und 17. Jh. war das Garachico zum wichtigsten Hafen, also Handels- und Umschlagplatz auf Teneriffa herangewachsen. Wegen der ständig drohenden Piratengefahr wurde Garachicos Hafen mit dem hübschen Castillo de San Miguel befestigt. Heute eins der wenigen Überbleibsel der vergangenen Pracht, denn der Ort hatte im Lauf der Zeit schwer zu leiden.
1645 wurde der Garachico Opfer einer Sturmflut. 40 Schiffe gingen in der Hafenbucht verloren und die Stadt hatte 80 Todesopfer zu beklagen. Heute kann man sich einen solchen Hafen an diesem Ort so gar nicht vorstellen, denn wo war denn eigentlich dieser Hafen, in dem 40 und mehr Schiffe Platz fanden? Da ist doch nichts zu erkennen. Wenig später, 1666, kam es zu Unruhen. Die Einheimischen widersetzten sich einem britischen Handelsmonopol für den auf der Insel so wichtigen Malvasia-Wein. Bei der Gelegenheit zerschlugen die Aufrührer im Hafen auf die Verschiffung wartende Weinfässer. Ein bei nüchterner Betrachtung (doch vielleicht waren die Aufrührer ja nicht mehr so ganz nüchtern, wer weiß das schon?) eher unglücklicher Einfall. Der kostbare Saft! Einfach in der Gosse vergeudet. Ich muss zugeben, ich hätte eher versucht, den Inhalt der Fässer geordnet dem eigenen Verzehr zuzuführen. Der Aufstand hätte dadurch vermutlich länger gedauert, wäre aber sicher fröhlicher um nicht zu sagen weinseliger verlaufen. (Auf so eine Idee kann natürlich nur Martin kommen – Anke sei daher schon mal entschuldigt, und damit ist der Ich-Erzähler auch schon erkennbar gemacht.) 1697 zerstörte eine Feuersbrunst über 100 Häuser. Das endgültige Aus kam am 5. Mai 1706. Oberhalb des Ortes brach der Montaña Negra (Volcán Garachico) aus. Die Lavamassen des Ausbruchs verschütteten den größten Teil des Hafens und des Ortes. Daher kann man den alten Hafen heute auch nicht mehr finden. Lediglich die Kirche und das Kloster San Francisco aus dem 16. Jahrhundert sowie das bereits genannte Castillo wurden von den Lavamassen verschont. In der Folge dieser Katastrophe verließen die Händler den Ort und ließen sich in Orotava nieder. Und damit wurden die Wurzeln für das heutige Santa Cruz gelegt.
Die endlich anstehende Testfahrt mit dem in Stand gesetzten Motor führte uns nach La Palma. Wir wollten uns in Santa Cruz zwar nicht unbedingt durchschaukeln lassen, doch das dieses Jahr recht sonderbare Wetter bescherte eine kräftige Südwindlage, und die wiederum bescherte uns einige sehr unruhige Tage in der Marina von La Palma. Wir sicherten Mago durch mehr und mehr Festmacher, und diese wiederum mit dämpfenden Expandergummis, was wir vielleicht ein andermal demonstrieren.
Schön war das alles jedoch nicht – anders als die uns wirklich begeisternde Stadt Santa Cruz de La Palma, und so flüchteten wir bei sich bietender Gelegenheit nach San Sebastian de La Gomera. Und da sich in den nächsten Tagen einfach kein beständiger Wind für den Trip auf die Kapverden auftat, war ziemlich schnell klar, dass wir die Weihnachtstage auf La Gomera verbringen würden.
Anke ist ja eine leidenschaftliche Trimmerin, also ging es ihr selten schnell genug. Vor allem, nachdem wir scheinbar die kräftigsten Winde hinter uns hatten, wurmte sie die nachlassende Geschwindigkeit.
Nachdem Genua und Besan korrigiert waren, kam natürlich auch das Groß dran. Man sieht auf dem Bild besonders: Anke voller Dynamik 😉
Die Bilge, das heißt unser im Vergleich zu Just do it an Bord der viel größeren Mago del Sur unverständlicherweise viel zu kleiner Weinkeller, hatte einen vergessenen Cremant offenbart. Ein netter Tropfen, den wir in einer „Höhle des Weins“ (Cave du vin) erworben hatten. Genau das Richtige, um den Heiligen Abend zu begehen.
Das Buch unserer Weltumseglung von 2004 bis 2009: Just do it – von der Weser in die Welt 323 Seiten, durchgehend mit farbigen Fotos bebildert, diverse Karten, hier und da Einschübe zu besonderen Aspekten, die uns beschäftigten und ein Anhang mit gelegentlich launigen Begriffserklärungen.
Vorerst nur als PDF verfügbar.
Das Coverfoto des Buches zeigt Just do it in der Caleta Beaulieu im Beagle-Canal.
Und nun – kurz und knapp: Alles, alles Gute im und für das Neue Jahr
Martin und Anke
2 Gedanken zu „Garachico und etwas Zeit danach“
Liebe Martina,
willkommen an Bord. Du bist herzlich dazu eingeladen, uns auf unserer Reise zu begleiten. Für uns ist die Reise auch voller Spannung und Reize, da sie in gewisser Hinsicht die zweite Runde unserer früheren Reise darstellt und wir unsere aktuellen Eindrücke mit denen von vor 20 Jahren vergleichen. Darüber werden wir zukünftig sicher öfter reflektieren.
Dir wie allen unseren Lesern an dieser Stelle alles Gute, Glück und Gesundheit sowie viele tolle und glückliche Momente im Neuen Jahr 2025.
Hallo ihr Beiden, bin über Sibylle auf Euch aufmerksam geworden und würde mich freuen an eurer Reise teilzunehmen.
Tolle Unternehmung,bin ganz gespannt auf die weiteren Eindrücke.
Gute Reise!!
2 Gedanken zu „Garachico und etwas Zeit danach“
Liebe Martina,
willkommen an Bord. Du bist herzlich dazu eingeladen, uns auf unserer Reise zu begleiten. Für uns ist die Reise auch voller Spannung und Reize, da sie in gewisser Hinsicht die zweite Runde unserer früheren Reise darstellt und wir unsere aktuellen Eindrücke mit denen von vor 20 Jahren vergleichen. Darüber werden wir zukünftig sicher öfter reflektieren.
Dir wie allen unseren Lesern an dieser Stelle alles Gute, Glück und Gesundheit sowie viele tolle und glückliche Momente im Neuen Jahr 2025.
Hallo ihr Beiden, bin über Sibylle auf Euch aufmerksam geworden und würde mich freuen an eurer Reise teilzunehmen.
Tolle Unternehmung,bin ganz gespannt auf die weiteren Eindrücke.
Gute Reise!!
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