Mit diesem finalen Beitrag soll es zunächst mal gut sein mit Marokko. Obwohl es reizt, eine Art „special“ zu basteln, das sich ausschließlich mit den marokkanischen Märkten, den Soukhs beschäftigt. Warten wir´s ab. Da Marokko ja bereits Vergangenheit ist, aus der Jetztzeit nur die bescheidenen Bemerkungen, dass Mago del Sur wieder im Wasser schwimmt, mit einem wunderbar in Amelrot gehaltenen Unterwasseranstrich. Und wir sind schon wieder in Deutschland, um an an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Grrrmmmbblll. Also ziemlich das, was man sich als Langzeitfahrtensegler besonders wünscht. Daher hier auch keine vielen Worte – los geht´s mit teilweise recht farbenfrohen Bildern aus Marokko.
Eine Besonderheit der Landschaft des Anti-Atlas, die bis in die umgebenden Ebenen ausstrahlt, sind die Agadire. Darunter versteht man Speicherburgen, deren Ursprünge oft zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert liegen. Auch der Name der Hafenstadt Agadir bezieht sich auf eine solche Speicherburg. Diese Gebilde sind wie eine Burg als geschlossene Einheit gebaut, die nur über einen einzigen Zugang erschlossen wird. Und wie eine Burg bieten sie Schutz, wobei dieser bevorzugt den eingelagerten Gütern galt. Ihre Formen sind recht vielgestaltig und variieren in Abhängigkeit von den landschaftlichen Gegebenheiten. So richtet sich die Form und Struktur der Speicherburgen in den schroffen Bergregionen nach dem Angebot exponierter, Schutz bietender Felsen und Kuppen. In flachen Regionen sind die Agadire dagegen oft rechteckig bis quadratisch, gelegentlich auch oval gestaltet. Viele der Speicherburgen sind heute mehr oder weniger verfallen und vernachlässigt. Dank der Anstrengung zahlreicher engagierter Menschen, hat man allerdings auch viele der Speicherburgen restauriert. So ist uns heute ein Blick in die noch gar nicht so lang vergangene Vergangenheit ermöglicht. Eine Besonderheit von Amtoudi ist, dass hier gleich zwei hervorragende Beispiele dieser Bauwerke auf uns warten.
Da guckt er dumm vor dem Tor herum … Die Pforte zum Agadir ist verschlossen und weit und breit ist der versprochene, immer bereite Wächter nicht zu entdecken.
Nachdem wir die Dächer verlassen haben geht es in den Kern der Speicherburg. Alles ordnet sich den Gegebenheiten des von den Erbauern ausgewählten Felsen unter, was eine geradezu organische innere Struktur der Burg zur Folge hat. Viele Gänge, über- und untereinander und rechts und links begleitende Türen zu den einzelnen Speicherkammern. Exakt 99 an der Zahl. Das alles ist mit viel Kletterei verbunden. Und je weiter wir vordringen, desto dunkler wirds.
Wir haben die faszinierende Agadir D‘ Aguellouy verlassen und sind einem steilen Pfad hinunter in die Oase gefolgt. Im Rückblick zeigt sich, in welch gewagter Exposition diese Speicherburg errichtet wurde. Ich muss nicht wieder Spock zitieren, oder? Auch wenn man berücksichtigt, dass diese Burg zwischen 2004 und 2016 restauriert worden ist; man staunt, dass diese Burg die Erdbeben, die es ja gelegentlich in der Region gibt, so halbwegs überstanden hat.
An dieser Stelle machen wir einen kleinen Sprung durch Zeit und Raum, weil es eben zu unseren Oasenbesuchen passt. Dass Foto rechts entstand im Tal von Aït Mansour. Wir spazierten durch die Oase und entdeckten eine Frau, die neben der Straße im Gebüsch stand und dort irgendetwas beobachtete, wie wir annahmen. Später – da wir wegen der vielen Guckerei kaum vorwärts kamen – überholte sie uns. Und stand dann erneut im Gebüsch neben der Straße und schaute auf irgendwelche Blätter. Erst jetzt dämmerte uns, dass sie nicht nur eh ganzkörperverschleiert war, sondern dass sie bestrebt war, uns jede Möglichkeit zu nehmen, auch nur ein Fitzelchen ihrer Augen zu sehen. Eine so extreme Verhaltensweise und Scheu ist uns nur in diesem Tal begegnet, nirgends sonst in Marokko.
Zurück ins Tal von Amtoudi. Unsere Herbergsbelgierin war so erschüttert darüber, das wir beim Agadir Id Aissa keinen Wächter angetroffen hatten, dass sie am nächsten Morgen gleich telefonierte und uns wenig später stolz versprach, heute sei der Wächterwärter da und werde nicht gehen ehe wir die Burg besichtigt hätten. Beim Eingang von Id Aissa heißt es runter mit der Birne, schließlich sollten die Eingänge gut verteidigt werden können. Also gab es nur kleine, niedrige Pforten.
Der Zugang auf Dächer und zum einen oder anderen höher gelegenen Speicherraum erfordert naturgemäß Steighilfen. Hier erprobt Martin gerade die traditionelle, schmalspurige „Kerbholzleiter“. Eine mangels Übung etwas wackelige Angelegenheit.
Dort gesellt sich, da nicht von anderen Besuchern beansprucht, der Wächterpförtner, Ibrahim, zu uns und gibt sich viel Mühe, die Dinge, die hier so scheinbar ungeordnet herumliegen, zu erklären. Im Foto zunächst ein besonders aufwendiges Schlüssel-/Riegelmodell.
Sichtlich stolz ist er darauf, dass auch er bei den Restaurationsarbeiten mitgewirkt hat. Wenn wir uns richtig erinnern, dann ist es Ibrahim, der auf dem mittleren Bild des so langsam verfallenden Plakats abgelichtet ist. Die unteren vier Zeichnungen veranschaulichen übrigens Grundtypen von Agadiren.
Alter Krummdolch, ein Beispiel für die verbreiteten üblichen Haushaltswaren, natürlich im Bedarfsfall auch für den Nahkampf geeignet …
… und ein Beispiel für auf den ersten Blick unwichtig Scheinendes, doch sehr Wichtiges: Auch Verträge und Dokumente wurden in Agadiren aufbewahrt.
Der eigentliche Anlass für unseren Besuch bei Tafraout befindet sich ein paar Kilometer südlich des Ortes. Wir wollten die sogenannten Blauen Felsen besuchen, ein spektakuläres Stück Land Art. Der 1939 in Gent geborene Künstler Jean Vérame beschäftigt sich seit seinen Zwanzigern mit Projekten in der freien Landschaft. Viele seiner maßgeblichen bzw. bekannteren Projekte befinden sich in Landschaften, die nomadische Lebensräume sind. Ob man seine Kunst daher als nomadische Kunst bezeichnen kann, wie es gelegentlich erfolgt, stellen wir mal in Frage. In jedem Fall ist er ein interessanter Vertreter der Land Art, wobei er bei vielen seiner Projekte die angetroffenen Landschaftselemente mit Farbe bearbeitet, weniger Arrangements der Elemente selbst vornimmt. Auch vermeidet er meist, andere, ortsfremde Objekte einzubringen. Gelegentlich allerdings bemalt er den natürlichen Bestand und arrangiert ihn anschließend neu. Nichts ist unmöglich … Einige seiner spektakulären Projekte befinden sich neben dem, das wir soeben besuchen, im Sinai (Ägypten), in Tibesti (Tschad), Amarillo (Texas) oder in Chile. Sein Ouevre ist natürlich weitaus umfassender als hier dargestellt.
Die Blauen Felsen im Anti-Atlas entstanden 1984 mit Hilfe speziell angemischter Farbe. Unter der intensiven Sonne Marokkos ist natürlich jede Farbe vergänglich, so dass die bunten Riesen-Kiesel heute nicht mehr die originale Farbe tragen, sondern sich restauriert darstellen. Und da das alles für sich spricht, nun ein paar Eindrücke ohne Worte 😉.
Auf der weiteren Fahrt suchten wir noch Ruinenörtchen auf, bei denen nicht immer klar war, ob sie durch die jüngsten Erdbeben verwüstet wurden, oder ob man die Häuser und Dörfer schlicht aufgegeben und dem Verfall preisgegeben hat. Auch suchten wir noch einen ganz bestimmten Typus von Agadir.
Nach kurzer, gemeinsamer Autofahrt öffnet uns der Chef de Café das Tor zum Agadir Ighir Ifran …
„Echt jetzt, ich darf da hochklettern?“ Martin durfte und stieg bis aufs Dach. Eine solche Gelegenheit darf man sich ja nicht entgehen lassen. Leider fehlt ein Beweisfoto. Aber wer ihn kennt, weiß, dass er natürlich dort hoch geklettert ist.
Anke war als Wärter und Martin noch darüber sprachen bereits mit dem Aufstieg beschäftigt. Eine Frau der Tat, wie es scheint 😊.
Die Fahrt führt uns nördlich des Anti-Atlas nach Westen und über den südlichen Teil des Nationalparks Souss Massa nach Agadir. Leider hatten wir im Nationalpark Pech. Die Vogelwelt hielt sich weitgehend auf Distanz und wir bereuten, nicht unsere Ferngläser und das Spektiv mitgenommen zu haben. Nun ja. Auch mit den Waldrapps, dem eigentlichen Wunschvogel unseres Besuchs, hatten wir Pech. Diese Spaßvögel haben uns zwar in größerer Höhe überflogen, aber sich mal bei uns niederlassen, das wollten sie nicht. So ging es nach einer Übernachtung an der Küste wieder in die Stadt namens Agadir. Hier verbrachten wir noch einen geruhsamen Tag, bevor uns ein Turboprop zurück nach Las Palmas flog.
Nach diesem langen Beitrag das Versprechen, dass in Zukunft die Blogbeiträge wieder ein wenig kürzer sein werden. Damit sagen wir tschüss und: