Warten auf Godot

Warten auf Godot

WARNUNG: Diesmal gibt es ungewöhnlich viel Text. Doch das ist dem Theater geschuldet. Gewissermaßen.
Die Landstreicher Estragon und Wladimir, die Samuel Beckett zum Durchbruch und zu Weltruhm verhalfen, warteten ja bekanntlich auf das Erscheinen eines Mannes. Nun können wir uns mit einem solchen Kaliber zumindest theatralisch nicht vergleichen. Obwohl nicht von der Hand zu weisen ist, dass es bei uns auch um Theater geht, allerdings mehr in dem Sinne „so ein Theater!“ Und mit dem klitzekleinen Unterschied, dass wir auf keinen Menschen, sondern auf eine Sendung warten. Ganz übel wäre allerdings gewesen, wenn diese, so wie im Original der Fall, nicht gekommen wäre.

Jeden Tag geht die Sonne auf und abends wieder unter. Die Zeit verrinnt. Und nichts passiert. Wir warten.
Wir warten wie die Marktfrauen und Garküchenbetreiber auf ihre Kundschaft warten …
… und die Straßenhändler auf mögliche Käufer. Uns erscheint unsere Warterei jedoch weitaus fruchtloser.

Vorspiel

Ok, jetzt fragt sich ein jeder natürlich, dreht der gute Martin ein wenig durch? Vielleicht zuviel Sonne aufs Haupt geschienen? Aber mitnichten. Es war auf dem Ankerplatz bei Sal. Endlich wollten wir den lange umhegten Wassermacher in Betrieb nehmen. Was hatten wir ihm nicht an Pflege und Fürsorge angedeihen lassen. Einmal die komplette Motor- und Hochdruckpumpeneinheit ausgebaut. Getriebeöl des Pumpenkopfes gewechselt, alles gesäubert, entrostet, neu spritzlackiert. Elektrische Anschlüsse geprüft, gesäubert und gfs. instandgesetzt. Die Membranen, die die eigentliche Wirkung entfalten, mit der aus dem Meerwasser alles herausgefiltert wird und nur noch Süßwasser überbleibt, die Abschlusskappen der Membranröhren und deren Verbindungsstutzen, die die drei Röhren untereinander verbinden, alles hatten wir erneuert. Das war noch in Almerimar. Auf den Kanaren gab es bei ersten Testläufen erneut Probleme. Das gewonnene Wasser war zwar kein Meerwasser mehr, aber doch viel zu salzig. Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass 2 der 3 in Almerimar eingebauten Membranen defekt waren. Oder nicht richtig eingedichtet. Jedenfalls waren sie hin. Also nochmal neue Membranen geordert. Als wir diese einbauen wollten, entdeckten wir, dass wir mit den Endkappen der Membranröhren letztere in zwei Fällen gesprengt hatten. Man konnte ohne Mühe beim Zusammenschrauben der Anlage genau das Erreichen. Folge von Unwissenheit. Folge mangelhafter Information. Doch egal – also auch noch schnell und zur Vorsicht drei neue Röhren bestellt und alles erneut zusammengesetzt. Nun lief der Wassermacher tatsächlich und produzierte mit seinen beiden Motoren Süßwasser. Es sei nur am Rande vermerkt, dass der 24V-Motor am Ende der Testreihen aufgab. Aber es gab ja noch den 230V-Motor. Und nun sollte es auf Sal endlich losgehen. Ab jetzt würde uns der Wassermacher feines Wasser liefern. Anke hatte das Ding gestartet, schön vorsichtig, wie man es nach Anleitung machen soll, den Druck gesteigert, und – es machte PAFF. „???“ Nach einigen Sekunden tropfte es hinter dem Bedienpanel hervor. Um die Sache abzukürzen, das Manometer war innerlich durchkorrodiert, der Druck aus dem Hochdrucktrakt des Systems war in das Manometer gelangt und hatte seinen Verschlussdeckel und eine Dichtung herausgesprengt. (Ggrrrmmmbbllll)

Wie soll man das Warten illustrieren? Es ist ja nicht so, dass Warten langweilig sein muss. In Mindelo liegen wir ja in einer Marina, mit theoretisch und auch praktisch allerhand Komfort. Eines Morgens ergibt sich dieses Bild. Die uns gegenüber liegende Yacht hat mit dem Wasserschlauch eine Versorgungssäule umgerissen. Eine Säule, die auch uns mit Wasser und Elektrizität versorgt. Ein paar Stunden später war der Schaden repariert. Vier Tage später hat eine unserer Leinen die Säule umgerissen. … Glücklicherweise konnten wir wenig später unser Boot ein wenig seitlich versetzen und damit weitere Schäden ausschließen.

1. Akt

Wir hatten die Nase voll. Natürlich ist so ein Manometer keine wirkliche Ausgabe. Aber was würde als nächstes auseinanderplatzen? Beim Blick auf die Technik hinter dem Bedienpanel verließ uns das Vertrauen. Da können andere mit diesem Gerät glücklich sein, ja, es sogar für den „Mercedes“ unter den Wassermachern halten, dieses Exemplar würde jedenfalls über die Kante fliegen.

Als Nachfolger, das war klar, würde es kein baugleiches Produkt geben. Für uns gab es nur eine Alternative, zumal wir dessen Entwicklungsgeschichte vom Auslöser bzw. Anlaß über die Entwicklung bis hin zum heutigen Standard und der Serienreife aufgrund persönlicher Freundschaft miterlebt haben. Ein AquaǀTec-Wassermacher sollte es sein: Keine Elektronik, keinerlei „Automatik“, Direktantrieb des Pumpenkopfes, Pumpenkopf und dessen Ventile aus Duplex-Stahl gefertigt, Manometer und Druckregelventil ebenfalls. Und alles der Devise untergeordnet keep it simple, KIS eben.

Langweilig ist die Wartezeit keinesfalls. Da ist schon die Bordtechnik der Auffassung, dass das nicht sein darf. So gab beispielsweise die Bilgepumpe, kaum in Mindelo angekommen, den Dienst auf. Dazu muss man wissen, dass bei einer Amel – also Booten wie dem unsrigen – das gesamte Brauchwasser (Fäkalien sind ausgenommen) aus Pantry, Duschen, Spülen, Ankerkettenkasten usw. in einer gemeinsamen Bilge gesammelt und von dort mit Hilfe einer automatischen Bilgepumpe über Bord gepumpt wird. Und deren Membran hat, wie man hier schön sieht, mit einem kapitalen Schaden den Dienst quittiert.
Hier eine neue Pumpen-Membran. Weshalb man zu diesem Zweck kein Gummiformteil, sondern eine völlig plane und damit zwangsläufig zu große, zweilagige Membrane verwendet, die nur mit viel List und Tücke an ihren Sitz bugsiert werden kann, war und ist für uns nicht einsichtig. Ziemlich deutlich wurde allerdings, dass deren Einbau viel Detailwissen – das uns fehlte – erforderte und wir daher vier Anläufe benötigten, bis das Pumpengehäuse nebst Antriebspleuel und Membrane wirklich luftdicht wieder zusammen gesetzt war und arbeitete, d.h. pumpte. Frei nach Werner: „Eine Pumpe, die nix pumpt, taucht nix!“

Wir kehren gedanklich und vom Handlungsstrang zurück zum Wassermacher: Und so nahm das Theater, in unserem Fall eher das Drama, seinen Lauf. UPS hatte unserem Lieferanten 5 Tage Versandzeit versprochen. Am 07.01. hatten wir geordert, am 09.01. waren die in Deutschland erforderlichen Zollformalitäten erledigt, am 10.01. holte UPS die Sendung in Hamburg ab. Am 16.01. hat sie das UPS-Lager in Köln verlassen. Da war die versprochene Zeit von 5 Tagen schon aufgebraucht. Danach verlor sich jede Spur. AquaǀTec hatte dann ein paar Tage später einen Nachforschungsauftrag veranlasst, der bis heute (!) ohne Ergebnis geblieben ist! Nach einigen Telefonaten entschlossen wir uns, dass Anke nach Deutschland fliegen würde, um einen zweiten Wassermacher abzuholen und persönlich zu den Kapverden zu bringen. Der Inhaber von AquaǀTec, Michael Matz, hatte uns spontan dieses Angebot gemacht. Er würde sich dann mit UPS um die Rücksendung des ersten Wassermachers prügeln. Wir buchten einen Direktflug Mindelo – Luxembourg. Ich brachte Anke noch zum Taxi mit Ziel Flughafen, und anschließend – als kleines Intermezzo – besuchte ich die Polícia Nacional, um ein Visum zu beantragen. Das bei der Einreise ausgestellte Seemannsvisum hatte nur 30 Tage Gültigkeit, und die würde ich überschreiten. Das war jetzt schon absehbar. Natürlich hatte Ankes Flieger Verspätung und als sie um 22:30 Uhr in Luxembourg landete, war der Mietwagenschalter bereits geschlossen. Glücklicherweise hatte sie eh ein Hotel gleich um die Ecke gebucht und konnte den Mietwagen am nächsten Morgen abholen. Am nächsten Morgen (Freitag) stellte sich dann am Schalter von Luxair heraus, dass es entgegen der Angaben von deren Hotline absolut keine Möglichkeit geben würde, das erforderliche Übergepäck zu transportieren. Anke hatte zwar gut geschlafen, doch wer Anke kennt, weiß, dass sie wahrscheinlich schon ziemlich unter der Decke kreiselte, als sich die Unmöglichkeit des Transports und damiit auch die Fragwürdigkeit der Mietwagenbuchung ergab. Wir beschlossen telefonisch, sie würde zunächst auf die Ergebnisse „meiner“ Aktivitäten warten und dann erstmal Richtung Worpswede fahren, und je nach Müdigkeit weiter nach Hamburg oder erst am nächsten Morgen. Michael wurde entsprechend instruiert und erklärte bei jeder denkbaren Variante auch am Samstag zwecks Aushändigung oder auch individueller Packerei aller Teile zur Verfügung zu stehen.

Claudia von der Ckebulan lässt sich der schönen Haarpracht wegen quälen. Sie weiß noch nicht, dass ich, Martin, wenig später auftauchen werde und sie mit Logistikproblemen quälen werde. Aber Claudia wäre nicht Claudia, wenn sie diese lächerlichen Flugbuchungs- probleme nicht im Haarwickeldrehen gelöst hätte.

Martin watschelte zu Claudia und Michael auf die CKebulan. Die beiden halfen ihm dank besserer Logistikerfahrung für Anke einen alternativen Rückflug mit ausreichend Gepäckmöglichkeiten zu buchen. Der würde allerdings von Brüssel aus gehen und bereits am Sonntag um 06:00 Uhr morgens, also in zwei Tagen. Mega-Stress für Anke zeichnete sich ab. Sie hatte auf dem Airport gewartet bis wir die Flugbuchung klar hatten. Nun hieß es für sie, den Mietwagen eilig zurückgeben und einen neuen buchen, den sie in Brüssel würde abgeben können. Einige Stunden später, Anke war inzwischen auf der Autobahn etwa auf der Höhe von Münster angelangt, erhielt sie eine etwas kryptische Email von einem gewissen Senhor Monteiro, was er mit einem Paket machen solle? Kein Hinweis darauf, worum es konkret ging, keine Identifizierungs- oder Trackingnummer. Nix. Telefoniererei. Ich kam dann auf die Idee, dass es sich um den Wassermacher handeln könne. Im Marina-Office in Mindelo konnte ich dann mit Hilfe von Paulo von der BeFlor, der als Portugiese ja der Landessprache mächtig war, mit diesem Monteiro telefonieren. Nach dem Gespräch schien es eine gesicherte Annahme zu sein, dass der Wassermacher tatsächlich in Praia auf der Nachbarinsel eingetroffen war. Dann hatte dieser Monteiro noch was gemurmelt wie, er brauche noch die Originalrechnung und die Schiffspapiere und später 1.500 Escudos für die Alfândega in Praia. Ich schickte die Dokumente per Email. Abends telefonierten Anke aus Worpswede und ich nochmal ausgiebig. Die Fahrt nach Hamburg war jetzt ja nicht mehr nötig. Aber eigentlich musste sie wegen des Mietwagens ja nach Brüssel. Unglücklicherweise sagten die Wetterfrösche für einen großen Teil der nächtlichen Strecke Nebel voraus. Alles andere als stressfreies Fahren also, zumal Anke inzwischen aufgrund des ganzen Dramas an üblem Schlafmangel litt. Zu allem Überfluß hatte sie festgestellt, dass Ihr Seemannsvisum mit der Ausreise aus den Kapverden verfallen war und sie für eine Einreise ein neues Visum benötigte, dass man mindestens 5 Tage im Voraus online beantragen muss. Wir beschlossen schließlich, dass sie in Worpswede bleiben würde und am Donnerstag mit dem ursprünglich geplanten Flug von Luxembourg aus zurückkehren würde. Wenn die Hotlines von Avis am Wochenende nicht erreichbar waren, wäre das zunächst einmal deren Problem. Das ließe sich bestimmt am Montag klären.

Nicht nur, weil ein Blick in die Mikrotechnik so anders wirkt, ein Foto vom Innenleben unseres Bord-PC. Nein. Auch der war entschlossen, bei Martin jeder Langeweile vorzubeugen. Plötzlich steuerte er – wir haben wohlgemerkt einen robusten Industrie-PC an Bord, der unsere gesamte Navigationselektronik spiegelt, also ein vollständiges Backup darstellt und zur Sicherheit auch keinerlei Verbindung mit der Außenwelt, sprich dem Internet hat – also plötzlich steuerte er den Monitor nicht mehr an.
Der PC aus anderer Perspektive. Wie der Zufall es will, hat ausgerechnet der hiesige TO-Stützpunktleiter Kai Brossmann vor dreißig Jahren in Mindelo als Elektro- und Elektronikingenieur Fuß gefasst. Nichts lag näher, als den PC auszubauen und ihn einen Blick drauf werfen zu lassen. Ergebnis: Der PC arbeitet fehlerfrei, doch dessen Spannungsversorgung schwächelt. Das hatte auch schon Andreas Meyer per Ferndiagnose vermutet, über den wir den PC seinerzeit bezogen hatten.

Arbeiten am Bord-PC. Gut, dass ich vor langer, langer Zeit mal einen Satz Feinmechaniker-Werkzeug erworben habe.

Kurz entschlossen hat Martin den entsprechenden Steckereingang des PC ausgebaut und ein zweiadriges Kabel vom PC-Schalter am Navigationsschapp direkt in den PC geführt. Nun sind die Steckplätze J1 (plus = braunes Kabel) und J2 (minus = blaues Kabel) auf der Platine ohne den Umweg einer wackeligen Steckerverbindung mit dem Bord-Netz verbunden. Und siehe da, seitdem monitort der Monitor wieder anständig herum 😉. Immerhin hat der PC auf diese Weise für rund 3 Tage Beschäftigung geliefert.

Am Montag, dem 03.02. schrieb Monteiro an Anke, er brauche noch die Originalrechnung und die Schiffspapiere und was er denn tun solle? Dabei hatte ich, Martin, ihm lang und breit erklärt, ich sei der Ehemann von Anke und auch mein Name stehe auf der Lieferadresse und außerdem hätte er ja alles von mir bekommen, sogar zur Sicherheit mit Trackingnummer etc. Ich wurde langsam etwas unwirsch, und mailte und telefonierte – wie sich herausstellte, sprach Monteiro Englisch – er solle die verdammte Lieferung nach São Vicente schicken, so schnell wie irgend möglich (zum Teufel, ggrrrmmblll). Anke hatte inzwischen herausgefunden, dass das Visumsproblem keines war. Man kann einfach auf die Kapverden fliegen und erhält dann bei der Einreise auf dem Airport gegen eine Gebühr von 34 Euro ein 90-Tage-Visum. Immerhin. Und ein paar Annehmlichkeiten bot der Aufenthalt in Worpswede zur Entschädigung doch. Sie konnte sich mit zwei Freundinnen treffen, und sie konnte den Friseur ihres Vertrauens besuchen.

Es vergingen wieder Tage, dann erhielt ich eine Rechnung. Diverse Gebühren und ein Lufttransport. 21.704 Escudos. Diese Zahlung müsse ich nachweisen, dann ginge es weiter. Zwar war laut UPS-Rechnung die Lieferung bis São Vicente bezahlt, aber das war mir im Moment egal, der Wassermacher sollte her. Allerdings enthielt die Rechnung eine andere Bankverbindung als in der Email angegeben. Welche galt denn nun? Das herauszufinden benötigte einen weiteren ganzen Tag. Anke war inzwischen damit beschäftigt, ihr inzwischen auf Brüssel avisiertes Mietauto wieder auf Luxembourg umzubuchen. Auch das ließ sich schließlich regeln.

Fast täglich brechen von einem der Stege oder vom Ankerplatz vor der Marina Segler auf. Manche haben wir gar nicht kennen gelernt, andere dagegen intensiv. Fast immer wird ein solcher Aufbruch mit fröhlichem Getute und viel Gewinke und Jubel begleitet. Uns wurmt es dagegen meist. Unterschwellig. Denn jeder Aufbruch macht uns deutlich, dass wir wegen des dummen Pakets bis auf weiteres und auf unbestimmte Zeit festhängen. Hier startet eine US-amerikanische Amel 50.
Franz und Ralf starten mit ihrer Ria in die Karibik. Wie viele, die zu gleicher Zeit unterwegs sind, haben sie eine ziemlich raue Überfahrt.
Für uns ist es schön zu sehen, wie viele junge Leute unterwegs sind. Von links nach rechts: Tom und Miriam (Lille Sol), Nicolai (Olle Pinelle), Anke (Mago del Sur natürlich), Tim und Helena (Moana) sowie Imke (Olle Pinelle). Alle sind inzwischen nicht nur aufgebrochen, sondern auch in der Karibik angekommen. Einerseits ist es schön, stets neue Kontakte zu gewinnen und miteinander viel Spaß zu haben. Aber als dann scheinbar alle abhauen, nagt es doch in uns. Zu unserem großen Erstaunen kommen jedoch immer noch neue Boote in Mindelo an. Die meisten klassisch von den Kanaren, einige sind dagegen im Senegal oder in Gambia aufgebrochen.
Die Ole Pinelle mit Imke und Nicolai bricht auf.
Helena und Tim an Bord ihrer Amel Kirk Moana. Sie hatten sich in wechselnden Schichten gemeinsam mit Imke und Nicolai eine Nacht um die Ohren gehauen, um im Bedarfsfall per Funk und WhatsApp (moderne Zeiten, wie man sieht) einem Segler Beistand zu leisten, der auf dem Weg zu den Kapverden entmastet wurde und aufgrund des zurzeit herrschenden sehr rauen Seegangs von seinem kleinen Boot abgeborgen werden musste. Ein zur Hilfe geeilter Frachter konnte den Unglücklichen wegen der Bedingungen nicht aufnehmen, blieb aber bei der havarierten Yacht, bis ein umgeleiteter Katamaran ihn dann an Bord nahm.
Die Moana mit Helena und Tim bricht auf. Eine kleine, alte Amel Kirk. Wie sich zeigt, werden die beiden wie manch andere in diesen Wochen auch eine raue Überfahrt in die Karibik haben.
Unsere holländischen Liegeplatznachbarn brechen mit ihrer Zen auf. Und wir bleiben nach wie vor und auf unbestimmte Zeit. Das zehrt an der Substanz. Doch wie stets wird der Aufbruch begleitet von Gejubel, Gewinke und vielfältigem Getröte. Das macht trotz Frust auch Spaß und motiviert. Irgendwann werden auch wir dran sein.
Immer wieder gibt es auch Überraschungen. Dem einen oder anderen müssten die beiden bekannt sein. Nicht? Uns hatte diese fröhliche Dame mal entschieden den Zugang zu unserer Yacht verwehrt, und ihr Mann hatte uns vielleicht zwei Stunden später mit einer Art Börteboot an Bord gebracht. Na? Wir sehen hier Peer und Steffi. Den (einen) Hafenmeister von Helgoland und sin Fru, die seinerzeit bei der lokalen Feuerwehr aktiv war. Na ja, 2018 waren bei Gründungsarbeiten an der Brücke des Südhafens Gase ausgetreten, von denen man befürchten musste, dass es sich um Giftgase noch aus der Zeit des ersten Weltkriegs handelte. Da war natürlich klar, dass alle Segler, die ausgerechnet dort festgemacht hatten, zunächst nicht zu ihren Booten durften. Und Steffi als Vertreterin von Feuerwehr und Katastrophenschutz nahm ihre Aufgabe ebenso natürlich ernst. Und nun treffen wir die beiden mit ihrem Hund Urso auf der BluBalu hier in Mindelo. Welch eine Überraschung!
BluBalu bricht auf nach Brasilien. Peter von der Amanzi hat soeben eine der Festmacher losgeschmissen, den Rest erledigen die Marineros.

2. Akt

Mittlerweile haben wir Donnerstag, den 06.02. Anke sitzt im Flieger, ich versuche 21.704 Escudos zu bezahlen. Eine Online-Überweisung ist nicht möglich. Unsere Banken haben weder die Kapverden als Staat noch deren Landeswährung gelistet. Möglicherweise, da es verboten ist, Escudos in das Land einzuführen. Also watschel ich in die nächste Bank, gleich um die Ecke von der Marina, komme auch superschnell dran, halte meine Kreditkarte und die Rechnung hin und will zahlen. Der Mann hinter dem Schalter sagt, das ginge nicht, er könne mir nicht helfen. ??? So langsam kommt es mir vor als sei ich Teil in einer Aufführung des Absurden Theaters. Ich eile zum Büro des TO-Stützpunktleiters Kai Brossmann, da ich hoffe, dass er diese Überweisung für mich machen kann. Der befindet sich in einem epischen Dauertelefonat. Ein freundlicher Mitarbeiter bietet mir einen Kaffee an. Wir kommen ins Gespräch. Und er kennt sich aus. Ich solle den erforderlichen Betrag einfach aus einem Geldautomaten ziehen, damit in die nächste Bank gehen und eine Bareinzahlung auf das Rechnungskonto vornehmen. Das wäre bei jeder Bank möglich. Ich habe Glück, da gleich der erste Automat das Geld ausspuckt. Das ist in Mindelo keinesfalls selbstverständlich, zumal der Monatserste gerade verstrichen ist und viele Automaten geplündert sind. In der Bank um die Ecke komme ich dann sogar recht schnell dran, da 5 der 6 Wartenden zu ein und demselben Kunden gehören. Die Dame hinter dem Schalter fragt, ob das richtig sei mit den 21.000 Escudos und ich sage natürlich ja. So verbucht sie 21.000 Escudos. Die 704 zusätzlichen Escudos unterschlägt sie. Glücklicherweise fällt mir das sofort auf. Also noch ein Vorgang. Mit zwei Belegen ziehe ich ab. Schnell zur Polícia Nacional, denn dort kann ich heute meinen Pass mit Visastempel abholen. Als ich gegen 13:00 Uhr wieder in der Marina auftauche, sitzt Anke bereits in der Floating Bar und genießt einen Caipiroska.

Natürlich kann man sich über all den Stress, all die Aufregung, und all das Theater ärgern. Doch andererseits, ohne all dieses wäre Anke nicht in den Genuss heimischer Winterimpressionen gekommen. Vereiste Nadeln einer Worpsweder Kiefer.

Überhaupt, das Eis. Eine Zauberwelt hatte sich in Worpswede aufgetan, von der vielleicht manch stetige Wärme und stetigen Wind gewohnter Kapverdianer träumt, so er denn überhaupt von diesen Welten weiß.

Ankes Rückflug. Verwundert registriert sie, dass auf diesem Flug wiederholt Entgegenkommer den Himmel bevölkern.

Landeanflug auf São Vicente. Ankes ganzer Trip war eine Null-Aktion. Viel Spesen und nix gewesen. Was würden die nächsten Tage und Wochen in Mindelo bringen?

An Bord sende ich die Zahlungsbelege per Email an Monteiro. Und erhalte sogar eine Eingangsbestätigung. Und? Rückfrage: Was passiert jetzt? Die Antwort erhalten wir am späten Freitagnachmittag. Die Sendung befinde sich im Prozess. Was zum Teufel soll das denn wieder heißen? Ab Montag (10.02.) telefoniert Anke wiederholte Male mit Monteiro, bis schließlich klar ist, dass die Sendung sich in der Alfândega am Flughafen von Mindelo befinde. Sogar Kopien der Transportdokumente erhalten wir per Email. Anhand der Papiere können wir feststellen, dass der Wassermacher bereits am 18.01. in Praia eingetroffen ist! Offenbar hat jedoch niemand es für nötig gehalten, uns zu informieren.

Ein Gutes hatte Ankes Deutschlandausflug dann doch. In aller Eile konnte ich bei Reckmann dieses unscheinbare Metallgebilde bestellen. Und es traf auch rechtzeitig bei Anke in Worpswede ein. Was es mit dem Edelstahlblock von 69 x 12 x 9 mm auf sich hat? Nun ja. Es ist eine unscheinbare, aber wichtige Fixierung des Aluminiumprofils, mit dem das Vorsegel auf Mago del Sur aufgewickelt wird. Das Original war mir auf den Kanaren über Bord gehüpft, als ich das Profil wegen erkennbarer Kontaktkorrosion in seiner Edelstahlhalterung elektrisch isolieren wollte. Und meine daraufhin vorgenommene Improvisation hatte sich als nicht ausreichend solide erwiesen. In Sal angekommen mussten wir feststellen, dass sich das Aluminiumprofil fast vollständig aus dem Mitnehmer herausgehoben hatte und die noch in demselben steckenden 5 mm Restprofil sich sichtlich verformt hatten. Erstaunlich, dass die Genua sich bis zur Ankunft noch ein- und ausrollen ließ. An einem der windarmen Tage – auf den Kapverden ziemlich rar – rollten wir die Genua aus, hoben das Profil aus seiner Aufnahme und setzten das Teil ein. 5 Minuten dauerte diese Beschäftigung diesmal, aber mit ausgezeichnetem Erfolg. Wieder ein Projekt wider die Langeweile, denn wir warteten ja nach wie vor auf den Wassermacher.

3. Akt

Wie nun das Zeug aus dem Zoll bekommen? Inzwischen wissen wir, dass sich hinter dem Wort Alfândega der Zoll verbirgt. Anke kontaktiert und telefoniert mit der Zollagentin 007-B Doña Belinda, die ihr schon mal bei einer Sendung für befreundete Segler geholfen hat. Die zieht den Vorgang gleich an sich, eh Anke noch Stopp sagen kann. Der Vorgang zieht sich die ganze Woche hin. Angeblich wegen irgendwelcher EDV-Probleme. Seltsam. Die gab es bei der Sendung für die Freunde auch. Am Montag, inzwischen ist der 17.02., droht Anke mit persönlichem Erscheinen. Plötzlich geht alles voran. Noch am Montagabend bekommen wir eine Abrechnung. Zum Teil die gleichen Gebühren, die ich bereits über diesen Monteiro bezahlt habe (ggrrrmmbbbblll). Am Dienstagmittag zahlt Anke das Geld direkt bei Doña Belinda, erhält eine Zahlungsbestätigung, und mit der rasen wir per Taxe zum Flughafen, denn der Zoll macht gegen 15:00 dicht. Immerhin kann ich wieder mitwirken, denn seit 10. hatte mich eine heftige Darminfektion aus der Bahn geworfen, die erst mit ärztlicher Hilfe in den Griff zu bekommen war. Doch das ist jetzt unwichtig. Doña Belinda hatte gesagt, neben dem Flughafengebäude gleich links, ein kleines Gebäude. Dort sagt man uns: nein. Der Zoll säße im Flughafen, erstes Obergeschoss links. OK. Wir rein ins Gebäude, den vorsorglich mitgeführten, faltbaren Handkarren die Treppe hinaufgetragen. Dort nimmt sich tatsächlich eine Dame unserer an. Wackelt mit einem der Papiere zum Chef, denn nur der kann unterschreiben. Danach wieder runter. Wir müssten jetzt zur Polizei. Im Erdgeschoss fragen wir eine offiziell wirkende Person. Ja, die Polizei wäre am anderen Ende des Gebäudes. Glücklicherweise ist der Airport hier eine Art Schrumpfversion. Keine langen Wege. Auf der anderen Seite keinerlei Hinweis auf Polizei. Wir fragen eine Dame an einer Durchleuchtungsmaschine. Die verschwindet kurz und dann winkt sie uns an sich vorbei in irgendwelche Hinterzimmer. Dort ist tatsächlich ein Polizist. Der hört sich unser Problem an, schaut die Papiere an und geht mit uns zum kleinen Gebäude links vom Flughafengebäude. Dort wird unser Anliegen nochmal geschildert. Papiere werden gewälzt, dann wird erst Anke, dann werde auch ich durchleuchtet, wir bekommen Passiermarken, und nun dürfen wir durch eine Pforte eine Rampe hinunter in die Katakomben unterhalb des Flughafengebäudes vordringen. Hätte man eigentlich filmen müssen. Dort haust ein weiterer Mensch, und der öffnet den nächsten Zugang, hinter dem sich viele Pakete stapeln. Unsere Sendung erkennen wir anhand der Packmaße sofort und auch der Katakombenkönig hat sie sofort geortet. Aber oh Schreck, unser Handkarren ist viel zu klein. „Bin ich froh, dass ich keinen Wassermacher aus Deutschland transportiert habe! Das wäre ja völlig unmöglich gewesen.“ Anke ist erleichtert. Glücklicherweise gibt es ja die praktischen Flughafen-Trolleys. So kommt die Ware problemlos zur Taxe. Der freundliche Taxifahrer hatte darauf bestanden, auf uns zu warten. Aber es kann immer noch nicht losgehen. Der Polizist erklärt, es fehle noch was und spricht auf den Taxifahrer ein. Schließlich drückt er uns die Papiere in die Hand und meint, der Taxifahrer wisse Bescheid. Anke ahnt schon die nächsten Gebühren. Unser Fahrer bringt uns nun zum Hafen. Dort unmittelbar vor dem Haupttor, gibt es die Imigracão, eine Dienststelle der Policia Nacional und eine Dienststelle der Finanzbehörden. Der Taxifahrer hilft, die richtige Tür zu finden. Ein bisschen Gewusel, freundliches Gelächter, ich muss was unterschreiben und möglichst auch stempeln. Aber ich habe keinen Stempel. Na gut, dann geht es auch so. Wir können gehen.

Der Wassermacher ist endgültig in unseren Händen! Am 10.01. war er Hamburg auf die Reise gegangen. Heute ist der 18.02. Dass wir die schweren Pakete auch noch über eine schwankende Stegbaustelle bugsieren mussten, betrachten wir nur noch als Lockerungsübung, zumal uns einer der Arbeiter auch noch beim Tragen hilft.

Es gibt Zufälle, da glaubt man, dass es kein Zufall sein kann. Oder: Irgendwer muss da doch mitmischen?! Als wir zwecks schnellen Abendessens in die Floating Bar einkehrten, waren alle Tische besetzt. Nur an dreien gab es die Option, sich dazu zu setzen. Wir wählten diesen Doppeltisch neben zwei vermutlichen Franzosen, zumal ich meinte, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Als deren Essen aufgetischt wurde, wünschte ich „Bon Appetit!“ und brach damit das Eis. Wir kamen in ein lebhaftes Gespräch, und nach wenigen Minuten wussten wir, dass wir neben Dr. Christoph Guinet und seiner Frau Dominique saßen. Und das Besondere: Christoph ist Meeresbiologe, spezialisiert auf Meeressäuger und in gewisser Weise Mentor von Dr. Renaud de Stephanis. Klingelt es? In kürzester Zeit kreiste unser Gespräch um Orcas, seine Arbeit und die von Renaud und Rui Alves. Wir hatten einen wunderbaren und lebhaften Abend mit dem einzigen Schönheitsfehler, dass Christoph eigentlich Ferien machte und Abstand von seiner Arbeit haben sollte. Nun ja, …
Ach ja. Dann war da noch so eine Darminfektion. Annähernd zwei Wochen hat die mich aus der Bahn geworfen. Aber immerhin, wer krank ist und viel schläft, verspürt keine Langeweile …
Eigentlich doch ein hübsches Teil, der alte Wassermacher. Man kann nicht übersehen, dass wir alles überholt und in einen guten Zustand verbracht haben.
Anke taucht ab in den Motorraum. Der Ausbau des alten und der Einbau des neuen Wassermachers erfordern erhebliches Geschick. Vor allem auch das Ziehen überflüssig gewordener Kabel. Schlangenmensch müsste man sein.
Es gibt zwar Mitmenschen, die behaupten, unser Motorraum wäre riesig, doch wenn man sich in die Nischen jenseits des Generators quetschen muss, kann man daran nicht glauben. Der E-Motor des neuen Wassermachers verbirgt sich, soeben montiert, schüchtern zwischen Martins Busen und seiner rechten Hand.
Wir beginnen, den neuen Wassermacher zu verkabeln. Hier eine FixConnect-Klemmleiste über den Motorschutzschaltern. Wenn man das Funktionsprinzip erst einmal verstanden hat, eine echte Freude. Bei dieser Gelegenheit müssen wir lobend erwähnen, dass der Wassermacher mit so wirklich jedem Teilchen, das man auch nur im Entferntesten brauchen könnte, geliefert wurde. Teils sogar vorverkabelt. So war der Einbau fast ein Kinderspiel. Nur die unvermeidlichen Anpassungsarbeiten am Boot erwiesen sich als ausgesprochen zeitraubend und tückisch.
Geradezu ästhetisch schön: Die Anschlüsse der Membranröhren. Und technisch vom Feinsten. Da jubelt das Ingenieursherz. 😊

– Vorhang –

Nun, nachdem der Vorhang gefallen ist noch ein Hinweis: Wer Interesse am Original hat, der kann sich eine Aufführung von Warten auf Godot im Netz anschauen. Leider gibt Stockhausen Media unter dem Link nicht an, wo und wann die aufgezeichnete Inszenierung erfolgt ist und wer die Schauspieler sind. Das ist natürlich schade. Aber, reinschauen lohnt sich. Und wer die Schauspieler und das Theater kennt, den bitten wir, uns eine kurze Nachricht zukommen zu lassen!

Kein Theater sondern echte, wahre Realität ist der Gegenstand unserer alten Reise, der Reise mit Just do it. Wer Interesse daran hat, mehr wissen will und eine lebendige Reisebeschreibung mag, der kann einfach in unserer PDF-Buchveröffentlichung nachlesen: Informationen zum Buch und wie Ihr die PDF bestellen könnt, erfahrt Ihr unter diesem Link, also einfach auf diesen Satz klicken.

Das Buch unserer Weltumseglung von 2004 bis 2009:
Just do it – von der Weser in die Welt
323 Seiten, durchgehend mit farbigen Fotos bebildert, diverse Karten, hier und da Einschübe zu besonderen Aspekten, die uns beschäftigten und ein Anhang mit gelegentlich launigen Begriffserklärungen.

Vorerst nur als PDF verfügbar.

Das Coverfoto des Buches zeigt Just do it in der Caleta Beaulieu im Beagle-Canal.

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