Neptun und Rasmus wollen uns ärgern …

Neptun und Rasmus wollen uns ärgern …

Sehr viel mehr Wochen als ursprünglich gedacht, hatten wir nun schon in Santa Cruz de Tenerife verbracht. An sich hätten wir hier noch zwei, drei Tage mehr verbringen können, doch in der Marina war es eng, und die Damen an der Rezeption und ihr Chefe hatten schon angedeutet, dass ein weiteres Verlängern nicht mehr möglich sei. Bei ruhigem Wetter führt der Weg zur See zwischen zwei im Hafen vertäuten Plattformen hindurch, einer Förderplattform und einer Wohnplattform.

… nehmen wir an. Oder wie sollen wir die jüngsten Ereignnisse erklären? Eigentlich wollten wir eine kleine Nachlese auf Teneriffa und Santa Cruz verfassen, das vielleicht sogar auf der überschaubaren Strecke nach La Palma niederschreiben. So sind wir nach langen Wochen am 03.11. frohen Mutes aus der Marina ausgelaufen und gen Norden motort. Dass es keinen nennenswerten Wind geben würde, war uns klar. Unser Ziel bestand daher nur in der Playa Antequera, einer kleinen Bucht rund sieben Seemeilen nördlich. Entgegen aller Prognosen stand in die Bucht jedoch ein so gräßlicher Schwell, dass wir einen Aufenthalt sogleich verwarfen und beschlossen, direkt um die Nordhuk Teneriffas herum und nach La Palma zu gehen, zumal ein frischer Wind wehte, weitaus mehr, als prognostiziert. Jenseits der Huk raumte der Wind und schob zunehmend von achtern, doch dauerte es nicht lange und er schlief ein. Uns war klar, dass wir nun eine ganz schöne Strecke würden motoren müssen. Andererseits, wie oft mussten wir die rund 60 Seemeilen von Bremerhaven nach Helgoland oder zurück motoren. Da sollten die rund 90 Seemeilen nach La Palma auch kein Thema sein, zumal uns zumindest auf einem Drittel der Strecke, vielleicht sogar mehr, freundliche Winde versprochen waren. Wir morten also genügsam vor uns hin, anfangs sogar mit der Kontur La Palmas über dem Horizont und genossen das fast spiegelglatte Meer. Die Sonne verschwand schließlich hinter den am westlichen Himmel stehenden Wolken und hinterließ einen ausgesprochen roten Abendhimmel. Dann wurde es Nacht, das Meer funkelte verhalten und unser AIS zeigte zwei Fischer, die sich unserer Kurslinie nähern würden. Wie so oft wunderten wir uns. Das Meer ist ja recht groß und weit. Sehr groß und weit. Um klar zu sein, geradezu unglaublich groß und weit. Wieso würden zwei unschuldig vor sich hin motorende Boote sich in dieser scheinbaren Unendlichkeit begegnen? Nicht nur das, sondern ganz banal zusammenstoßen? Absolut unwahrscheinlich! Doch genau so entwickelte sich das mit einem der beiden Fischer und uns. Martin am Steuer tat, was man sinnvollerweise tut, er änderte früh den Kurs und signalisierte dem Fischer damit, dass wir ausweichen würden.

Gewaltige Dimensionen. Wir würden mit unseren Masten die Rettungsboote, die an ihren Auslegern über dem Wasser hängen, nicht einmal streifen.
Angesagt war so ziemlich kein Wind, daher hatten wir uns lediglich eine nahe gelegene Ankerbucht als Ziel ausgesucht. Zu unserer Freude gab es unerwartet schönen Segelwind. Und viel mehr, als prognostiziert, sogar mehr als in der Böenvorhersage. …
… So fiel uns die Entscheidung auch nicht schwer, in der ausgesprochen unruhigen Zielbucht nicht zu ankern, sondern unsere Fahrt fortzusetzen.
Wir befinden uns an der Nordspitze Teneriffas. Nach wie vor schiebt uns ein angenehmer Wind voran.
Doch leider, so ganz war verkehrt war die Prognose nicht. Der Wind schläft ein, wir werden bis auf weiteres motoren müssen. Bei klarer Sicht zeichnet sich unser Ziel, la Palma, auf über 80 Seemeilen Entfernung wunderschön über dem Horizont ab.
Schon surreal. Da sitzt einer auf einem Hocker und angelt mitten auf dem Ozean.
Anke auf dem Vorschiff genießt die gleichmäßige Fahrt. Und die Vögel, die uns umfliegen.
Die uns bereits aus Madeira vertrauten und immer gern gesehen Cory´s Shearwater (Calonectris borealis) spielen um uns herum. Einige kommen sogar ungewohnt nahe an Mago heran.
Wir freuen uns. So ist das stundenlange Motoren nicht so nervtötend. Einmal sieht Anke sogar für ein paar Augenblicke einen Grindwal, aber der ist schnell wieder weg.
Abschied vom Teide, dachten wir. (Doch Neptun und Rasmus hatten andere Pläne.) Und ein Meer wie Öl.
Die Abenddämmerung ist herrlich farbenfroh. Das Groß steht als Stütz, aber wir werden sicher noch bis Mitternacht motoren müssen, bevor wir Wind zu fassen kriegen.

18:50 – Nachdem der Fischer und wir uns in sicherem Abstand passiert hatten, servierte Anke im Salon das Abendessen: Ihre geliebten „Bananen im Schlafrock“. Anschließend saßen wir gemeinsam im Cockpit und stellten uns auf einen geruhsamen Abend ein. Von Wind war nach wie vor nichts zu spüren.

19:20 – Martin war gerade auf das Laufdeck gestiegen, um bessser nach vorne schauen zu können, da hörte er Unregelmäßgkeiten des Motors.
„Sinkt die Drehzahl?“
„Ja sie sinkt. 1.300, 1.200, 1.150, 1.100 …“
„Haben wir eine Leine im Propeller?“
„Ich geb mal rückwärts.“
„Ich schaue, ob ich am Heck was sehe.“ – „Nichts zu sehen!“
„Komisch, der Leerlauf ist stabil.“
Anke eilte zur Backbordseite: „Es kommt kein Kühlwasser aus dem Auspuff, nur Rauch!“

Besser Motor aus. – Recht schnell hoben wir den nun störenden Cockpittisch an die Reling und verzurrten ihn da. Motorklappe (Cockpitboden) auf. Nichts zu sehen, außer einer undurchdringlichen Wolke.
„Was ist das denn für eine Scheiße?!“
Freundlicherweise lichtete sich der graue Nebel und gab ein schauerliches Bild frei. Im gesamten Motorraum glänzten im Licht unserer Förchs (LED-Leuchten) Wasser und Öl und Ruß. Martin stieg, den Schmodder nicht fürchtend, hinab und entdeckte schließlich ein Loch an einem Anschlusstutzen des Seewassersammlers. Aber war das alles? Woher kam das Öl? Vorerst ließ sich da nichts feststellen. Und damit standen wir vor dem Problem, was tun?

Der Nebel hat sich halbwegs gelichtet. Man kann ihn noch ahnen. Überall Ruß, Seewasser und scheinbar auch Öl im Maschinenraum. So was kommt in einem Foto gar nicht richtig raus.

19:50 – Großes Lob müssen wir dem Fischer bzw. dem Skipper der Nicolas y Ana zollen. Er hatte uns wohl genauso beobachtet wie wir ihn und unser Ausweichen wohlwollend registriert. Er registrierte anschließend und für uns überraschend auch, dass wir keine Fahrt mehr machten. Und versuchte mit uns per Funk Kontakt aufzunehmen. Leider hatten wir aufgrund unserer beschränkten Spanischkenntnisse Kommunikationsprobleme, woraufhin er Radio Tenerife , die hiesige Schifffahrtsüberwachung verständigte, die sich unmittelbar darauf bei uns meldete. In der Hoffnung, doch noch den nicht weit vor uns wehenden Wind nutzen zu können, verneinten wir zunächst deren Frage, ob wir Unterstützung benötigten.

20:20 – Seltsamerweise hatten wir nach wie vor Mobilfunkverbindung – unser frisch erworbenes Starlink war noch nicht einsatzbereit – und konnten uns über die Wetterentwicklung der nächsten Tage informieren. Für etwa 40 Stunden war kein Wind zu erwarten, dann würde es vermutlich Ostwind geben. Aktuell wehte ein laues Lüftchen, dass uns vielleicht 0,2 bis 0,3 Knoten nach Westen trieb, die Strömung allerdings war stärker und trieb uns schließlich zurück nach Osten.

Martin grübelt über die Ursachen des Dramas. Und über die Entscheidung: Rumdümpeln und auf den in 40 Stunden versprochenen Wind warten, oder einschleppen lassen. Das Steuerrad ist halbwegs mittschiffs gelascht, damit es nicht hin und her schlägt. Der Wind ist so schwach, dass sich das Boot nicht ansatzweise ausrichten lässt. Und ob der dann kommt … ?

21:00 – Nach einigem Überlegen und diversen Nachfragen, auch bei Almuth und Edi (Single Malt) entschlossen wir uns, doch auf assistance zurückzugreifen. Wir riefen Radio Tenerife, die dann das hiesige MRCC Tenerife verständigten.

23:05 – Auf dem Haken von Salvamar Menkalinan. Die Schleppleine ist mit einem Hahnepot aus Gurtband ergänzt und scheinbar recht elastisch. Bevor wir überhaupt einen Zug verspüren, hat der Rettungskreuzer etwa 50 m Abstand gewonnen. Und dann merken wir fast gar nichts. Praktisch ruckfrei wird der Zug aufgebaut. Überrascht sehen wir auf der Anzeige plötzlich 2,5 Knoten, dann 4, dann 6. Das spielt sich alles völlig gleichmäßig ab. Kein Rucken, kein Zerren. Die Welle runter sind es gelegentlich 7 Knoten. Wir hatten Horrorstories vom Abschleppen gehört. Daß die Rettungsboote wie die Irren mit ihrer Fracht durch die Wellen braten würden. Hier waren wir bereits beruhigt, als uns einer der Besatzung sagte, sie würden bis zum Ziel Garachico drei Stunden kalkulieren. Für 14 Seemeilen. Die Aussage versprach besonnenes Fahren. Unterwegs war es eher so, daß wir uns gelegentlich fragten, ob es nicht ein wenig schneller gehen könnte. Haben wir uns jedoch verkniffen, denn wir wollten nicht auslösen, daß unserer Helfer in Zukunft bei anderen Booten vielleicht schneller unterwegs sein würden.

Lichter im Schwarz der Nacht. Salvamar Menkalinan nähert sich.
Die spannenden Momente der Leinenübergabe haben wir natürlich nicht gefilmt oder fotografiert. Da gab es Wichtigeres zu tun. Eine junge Frau schleuderte eine „Affenfaust“ mit einer dünnen Leine dran über unser Boot. Mit der dünnen Leine zogen wir zwei Gurtbänder mit eingearbeiteten Augen an Bord, die wir beidseits auf unseren vorderen Festmacherklampen legten. Die Gurtbänder stellten einen Hahnepot dar, an dem die eigentliche Schleppleine befestigt war. Zuvor hatte der Käptn des Kreuzers uns über Funk exakt eingewiesen.
Ganz behutsam nahm Carlos, der Käptn des Seenotkreuzers, Fahrt auf. Nicht ein Ruck war zu verspüren. Hier erreichen wir soeben bescheidene 3,4 Knoten. Wenig später werden wir annähernd doppelt so schnell unterwegs sein. Die Anzeige P1 besagt, daß unser Ruder mehr oder weniger mittschiffs steht.
Später steuern wir – uns regelmäßig abwechselnd – mit. Unser „Schlepper“ fährt ein paar Kurven, da ist aktives „Mitsteuern“ durchaus sinnvoll. Martin hat eine entspannte Art des Mitsteuerns entwickelt. Normalerweise setzen wir mit der Leine in seiner rechten Hand das Ruderrad fest.
Kurz vor Garachico, unserem Zielhafen, geht die Salvamar Menkalinan längsseits. Mit vielen Fendern und vielen Leinen versuchen wir, eine stabile und vor allem ruhige Verbindung zwischen den beiden nun parallel liegenden Booten zu erreichen. Gerade jetzt müssen Rasmus und Neptun, diese blöden Säcke, natürlich besonders große Wellen schicken. Aber es ging letztlich. Bei noch mehr Welle hätte das übel, d.h. mit einigen Schäden, ausgehen können.
Nach einigen nervenzehrenden Minuten hat alles geklappt, wir liegen fest aneinander. Man vergleiche mal diese Aufnahme mit dem Beitragstitelbild. Hier kann man die Schrift auf der Enterpforte lesen, auf dem Titelbild ist diese gar nicht zu sehen. Es bewegt uns also recht heftig.
Wir liegen fest an einem Steg in Garachico. Die unvermeidlichen Formalitäten sind erledigt. Unsere „Retter“ entfernen sich, nachdem sie noch ein paar Fotos von uns gemacht haben. Unsererseits denken wir gar nicht daran, ein Gruppenbild unserer Retter zu machen, wir sind noch zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Und wir sind auch zu aufgewühlt, um gleich in die Kojen zu fallen. Trinken noch den einen oder anderen Schluck, aber Neptun und Rasmus, diese Saubacken, bekommen nix. Damit wird in Zukunft Schluss sein. Jawollja.
Am nächsten Morgen – erste Schritte der Schadensanalyse: Hier – in Martins geliebtem Maschinenraum – war mal alles nicht nur sauber, sondern rein! Und nun – so soll es jedenfalls gar nicht sein. Das Kunststoffelement zwischen den Schlauchklemmen rechts und dem Wassersammler links oben ist durchgebrannt. Durch das schwarze Loch sind Auspuffgase und Seewasser im ganzen Motorraum verteilt worden.
Sieht schon doll aus. Als wenn jemand das Rohrstück von innen gesprengt hätte. Das ist ein Kunststoffrohrbogen kurz vor einem „Wassersammler“, in dem Seewasser, das zur Motorkühlung dient, gesammelt wird – wie der Name ja sagt – um dann von den Auspuffgasen aus dem Boot gedrückt zu werden.
„Gestrandet“ am Ende der Welt. Na gut, am Ende Teneriffas. Das war unser erster Eindruck. Doch im Grunde ganz annehmbar, nicht wahr? Es gibt Bananen, so dass wir nicht werden hungern müssen, und die Kapelle verspricht seelischen Beistand. 😊

Zunächst nahmen wir an, Garachico, der Ort, in den uns die Seenotretter verschleppt hatten, wäre ein Nest am Ende der Welt. In gewisser Hinsicht ist es das auch, aber die Menschen hier lassen sich davon nicht entmutigen, sondern betonen, dass sie in einem der schönsten Dörfer Spaniens leben. Was durchaus zutrifft. René, der TO-Stützpunktleiter von Santa Cruz hat, nachdem wir ihn um Mechanikeradressen anfunkten, sofort erkannt, dass er uns von unserem Missgeschick ablenken muss. So steht er bereits am Morgen des Tag 2 in Garachico an der Pier neben unserem Boot. Und verführt uns ein paar Kilometer westwärts. (Verschleppen und Verführen scheinen hier ein gewisses Brauchtum zu sein.)

Unterwegs in Renés Jeep.
Dank René entdecken wir ein wunderbar gelegenes und sehr spezielles Restaurant. Man kommt sich ein wenig wie in einem Fischercamp vor.
René ist ein großer Freund von Meeresfrüchten, scheint es uns. Jedenfalls reagiert er nicht mehr auf meine mehrfachen Versuche, ihn in die Kamera lächeln zu lassen. 😉
Ich konnte gar nicht so schnell fotografieren, wie die Meeresfrüchte-Paella verschwand. Die war allerdings auch superfrisch zubereitet. Auch der Reis, was eine entsprechende Wartezeit bedeutete. Aber für einen guten Genuß war uns das nur recht.

Damit endet unser ganz aktueller Beitrag. Wir hängen hier nun erstmal fest und werden uns um Schadens- und Ursachenanalyse bemühen.

In diesem Sinne: Achtet drauf, von wem ihr Euch abschleppen lasst!

Martin und Anke

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