Anke allein an Bord – Tagebuch vom 24.02. – 22.203.2022

Anke allein an Bord – Tagebuch vom 24.02. – 22.203.2022

Seit Martin vom Autotransfer nach Worpswede wieder nach Sizilien zurückgekehrt ist, sind bereits Wochen vergangen. Wochen voller Tätigkeit am Boot, aber auch Wochen angefüllt mit Versuchen, die sizilianische Kultur ein ganz klein wenig kennen zu lernen. Mehr als ein Kratzen an der Oberfläche ist da allerdings kaum möglich, zu reichhaltig ist das, was sich auf diesem vergleichsweise kleinen Fleckchen Erde zusammendrängt. Unsere Berichte darüber werden noch leider etwas auf sich warten lassen.

Irgendwie war immer zu wenig Zeit. Immerhin haben wir es geschafft, ein weiteres Tagebuch zusammenzustellen. Keins mit täglichen Eintragungen, sondern eins, dass den größeren Rahmen zusammenfasst. Aber immerhin. Und dieses Tagebuch wollen wir hiermit vor- und einstellen.

Der Inhalt löste allerdings an bestimmter Stelle Protest aus. Ankes Aktivitäten in und um Marina di Ragusa fanden in der Phase, in der Martin sich allein in Deutschland aufhielt, offenbar nicht genügend Würdigung. So sei die Gelegenheit an dieser Stelle genutzt, zu verdeutlichen, dass Anke beileibe nicht untätig war oder gar auf der faulen Haut lag. Wer sie kennt, weiß, dass beides eh nicht möglich ist.

Sie nutzte die Zeit, um sich mit den gesellschaftlichen Aktivitäten der Überwinterer-Gemeinde vertraut zu machen, die uns dank der beiden Monate in Deutschland bislang entgangen war. So trieb sie Sport, testete etwas, was sich „burlesker Tanz“ nannte, versuchte irgendeine Form von Yoga, nahm am demgegenüber vergleichsweise gewöhnlichen abendlichen Leben teil. Unglücklich war, dass Sie sich auch noch den Magen verdarb und damit zeitweise außer Gefecht gesetzt war. Immerhin war sie schnell wieder fit und konnte mit Birgit von der Haipule auch mal eine Wanderung in die Umgebung machen.

Eindruck der Uferlandschaft westlich von Marina di Ragusa, Richtung Punta Secca
Erste Blüten läuten den Sizilianischen Frühling ein
Ohne Worte
Nicht unbedingt hübsch, aber besonders: Hier, nahe Punta Secca, ist der Strand mit zum Teil skurrilen Skulpturen verziert.

Diese netten Aktivitäten wurden ergänzt durch etwas, das man profan als Arbeit bezeichnen muss. Ganz so, wie im richtigen Leben. Ein Teil bestand beispielsweise darin, durch wiederholte Telefonate, Emails und WhatsApp-Botschaften, einen der Segelmacherbetriebe zur bereits im Dezember zugesagten Tätigkeit anzuspornen. Es waren Sonnenblenden für Magos Fenster zu schneidern, ein Sonnenschutz für das Dinghi, Sonnensegel, die den Salon und die Heckkabine schützen würden, und vor allem sollten Sitzpolster und Rückenpolster für die Cockpitduchten angefertigt werden. Und nichts war bisher aufgetaucht oder geschehen. Erst der Hinweis, wir würden zu einem bestimmten Stichtag die Marina verlassen, bewirkte zaghaft beginnende Aktivitäten.

Der zweite große Tätigkeitsblock war von einem metallverarbeitenden Betrieb zu leisten. Die ziemlich spiddelige Heckreling unseres Bootes sollte durch eine ausgetüftelte Konstruktion ersetzt werden, die abnehmbar sein musste und bei Bedarf Tauwerk-Rollen mit Landleinen aufnehmen können sollte. Außerdem hatten wir eine Relings-Halterung für den Heckanker konzipiert. Der arme Handwerker, der letztere montieren wollte, hatte das Pech (für uns natürlich ein großes Glück), dass Anke mitbekam, wie er zum Zwecke der Befestigung Löcher in Magos Fußreling bohrte. Das ging ja gerade noch, auch wenn diese schon bedenklich positioniert waren. Als Anke dann aber sah, wie beim Eindrehen der ersten Schraube Gelcoat und GFK abplatzte, wurde der sofortige Arbeitsstopp angeordnet. Jetzt muss man wissen, dass die sizilianische Seele, insbesondere (aber nicht nur) die des maskulinen Wesens, von drei Werten bestimmt wird: Stolz, Ehre und Liebe, wobei wir nicht zu sagen vermögen, ob es zwischen diesen drei Werten eine Rangfolge oder Gewichtung gibt. Unzweifelhaft ist allerdings, dass diese drei Werte auch eine Sensibilität der sizilianischen Seele bewirken, ja man kann sagen, dass sie ein wahres Sensibelchen ist, was sie irgendwie auch ausgesprochen liebenswert macht. Das nur zum Verständnis. Jedenfalls, nach kurzem Disput verließ unser armer Handwerker enttäuscht über die mangelnde Würdigung seiner Arbeit (insbesondere seitens einer Frau, da leidet der heute ja vielfältig und von allen Seiten geprügelte Machismo natürlich besonders), beleidigt und mit unverkennbarer Erregung das Boot. Und versprach bei Stolz, Ehre, Gott und Vaterland, dasselbe nie wieder in seinem Leben zu betreten. Es bedurfte dann der mehrfachen Salbung seitens seines Chefes, ihn doch wieder zur Arbeit an Bord zu bewegen.

Caesare und Co. arbeiten an der Ankerhalterung
Gut an den Bohrungen unten links zu erkennen: Die fragwürdige Leistung, die Ankes sofortige Intervention bewirkte
Die gruseligen Löcher sind wieder geschlossen und das Ergebnis entspricht schon eher den Erwartungen: die untere Aufnahme für den Heckanker
Hier das Ergebnis: Der Heckanker, ein 9,5 kg-Fortress-Anker sitzt in seiner neuen Relingshalterung
Sehr gut geklappt hat die Erstellung der neuen Heckreling auf der Backbordseite. Die beiden Querstreben können abgenommen werden und im Bedarfsfall dienen sie als Aufnahme für Leinentrommeln. Mit diesen wollen wir in Revieren wie Patagonien zukünftig Landleinen haltern.

Das schlussendliche Ergebnis war jedenfalls hervorragend und hat uns begeistert. Dies haben wir auch gebührend kommuniziert und solcherart Balsam auf die Seelenwunden gegeben. Soweit zu den Edelstahlarbeiten. Auf die Fertigstellung der Arbeiten des Segelmacherbetriebs warten wir allerdings noch heute.

Aus gegebenem Anlass möchten wir die Gelegenheit nutzen, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen – denn wir haben da etwas entdeckt: Als wir vor etwas über einem Jahr, d.h. am 06.02.2021 von Brest nach Lorient gesegelt sind, mithin durch das gefürchtete Raz du Sein, begleiteten uns Ingrid und Peter von der Ocean Deva. Ingrid hat über diese trickige Passage und unsere Fahrt einen sehr hübschen Beitrag (für Freunde der englischen Sprache) verfasst, den wir Euch hiermit ans Herz legen und gerne verlinken, einfach die farblich hervorgehobenen Worte anklicken.

Abschließend verbleibt noch der Hinweis: Wer keinen Blogbeitrag mehr verpassen will, kann hier abonnieren und wird fortan informiert, wenn es auf unserer Seite etwas Neues gibt.

Fair winds

Martin und Anke

Zum Abschluss noch ein abendliches Stimmungsbild

2 Gedanken zu „Anke allein an Bord – Tagebuch vom 24.02. – 22.203.2022

  1. Hi Hans,
    schon immer war mir klar, dass Anke mir stets um eine Nasenlänge voraus ist. Nun scheint es sich aber um Lichtjahre zu handeln. Wie ich da wieder aufschließen kann ist mir nicht ganz klar. Wahrscheinlich muss ich mit Hilfe einer Spin-Manipulation und verdrillter Quantenparallelität auf Hyper-Warp kommen. Aber das hat noch keiner geschafft. Ich frage mal Scottie, Mr. Spock und Geordi La Forge.
    Und weil das Datum so schön schräg ist, bleibt es als Sternzeit einfach stehn 😉

  2. Hi Anke,
    super Datum des Beitrags,
    erinnert mich an Raumschiff Enterprise.
    ….muss wohl sowas wie Sternzeit sein. … na dann mal ablegen mit Worb4 und ab durchs nächste Wurmloch…

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