Auf dem Ätna

Auf dem Ätna

Das Titelfoto macht deutlich, wir haben den Ätna tatsächlich besucht. Wir hatten ja bereits das große Glück, den Ätna-Gipfel vom Wasser aus in unvergleichlicher Brillanz bewundern zu können. Damit war unser Verlangen jedoch keineswegs erschöpft, wir wollten ihn unbedingt etwas näher kennen lernen. Also war gar nicht daran zu denken – ein potentielles Abreisedatum kommt ja unweigerlich näher – Siziliens Gestade ohne ein Besuch dieses Berges zu verlassen.

„Fahrn oder nicht fahrn?“ das ist nun im Fall unseres geplanten Ätna-Besuchs die Frage. Zu Bedenken sind folgende Aspekte:

  • Niederschläge: Wer hat schon Lust, bei Schnee oder Regen auf dem Vulkan herumzustolpern?
  • Temperatur: Bei Minusgeraden muss man dort oben nicht unbedingt herumstreunen. Generell sollte man angemessen gekleidet sein, denn in 2.500 oder 3.000 m Höhe könnte es in jedem Fall deutlich kälter sein.
  • Wind: Viel Wind ist unangenehm, fördert die Kälteempfindung (Chill-Effekt) und fördert den Staubgehalt in der Luft, schließlich ist so ein Vulkankegel eine ziemlich staubige Angelegenheit.
  • Sicht: Man will ja etwas sehen, den Gipfel oder auch die Landschaft rings um den Ätna.
  • Der Ätna sollte auch bitte etwas friedlich sein, sonst wäre ein Besuch sicher von offizieller Seite untersagt.

Bei den ersten beiden Gesichtspunkten und dem letzten gilt am heutigen Tag ein „GO“, die beiden anderen sind neutral. So steigen wir trotz dunstigen Himmels in unseren kleinen Fiat Panda und brechen auch unterwegs nicht ab, obwohl sich die Dunstschicht über uns während der gesamten Fahrt hartnäckig hält.

Auf der von uns gewählten Straße zum Refugio Sapienzia herrscht so gut wie kein Verkehr. Ein anderes Auto ist schon eine Ausnahme.

Zwei bzw. drei Straßen erschließen den Südhang des Ätna und das Refugio Sapienzia sowie die dortige Seilbahnbasis-Station. Wir wählen den westlichen Arm der Strada Provinciale 92 (SP 92), da wir so den größten Teil Catanias rechts liegen lassen können. Über viele Windungen führt die Straße auf den Berg, und sie ist ab einem bestimmten Punkt erfreulicherweise kaum frequentiert. Die Masse des Ätna-Verkehrs biegt unerwartet ab und nutzt die östlichere Route. Und trotz des noch immer herrschenden Dunstes, wir haben ausreichende Sicht für unser Vorhaben. Genauer, ab einer bestimmten Höhe können wir zwar nicht mehr in die Ebenen schauen, aber der Ätna-Gipfel und seine Hänge verstecken sich nicht. Nachdem wir eine Zeitlang durch Wohn- und Villengegenden bergauf fahren, folgen vermehrt landwirtschaftliche Anwesen, dann gibt es einen recht schnellen Wechsel in lavabestimmte, vegetationsarme und schließlich vegetationslose Flächen.

Die alternative Zufahrt ist die Via Catania, von Nicolosi heraufführend, oder der östliche Arm der SP 92, der fast direkt von Ost, d. h. von Zafferana bzw. Taormina kommend, sich kurz vor dem Ziel mit der Via Catania trifft.

Am Ziel stoßen wir auf eine Handvoll Souvenirshops, Restaurants und Imbisse, mehrere Refugios und die für uns in erster Linie wichtige Seilbahnstation der Funivia del L´Etna. Von der langen Anfahrt erschöpft  nehmen wir eine kleine Stärkung in einem der Imbisse zu uns. Schon auf dem Weg vom Imbiss zur Basisstation der Gondelbahn fragen wir armen Null-Höhenmeter-Meeresniveau-Athleten uns, was wir hier sollen bewegen können. Bereits die wenigen Schritte in der dünnen Luft machen uns zu schaffen.

In der Gondelbahnstation
Wir haben die Gondel für uns allein, also kann die Maske wieder abgesetzt werden.
570 Meter aufwärts geht´s. Anke hat sichtlich Spaß.
Blick zurück bzw. abwärts

Aktuelle Kosten (April 2022):
Gondelfahrt (beide Richtungen sind obligatorisch) = 30 Euro.
Anschließende „Bus“-Fahrt plus Tour mit Bergführer auf 3.000 m Höhe = 38 Euro

Die Gondel bringt uns von 1.910 m Höhe in 15 Minuten rund 570 m hinauf auf 2.480 m, der Allrad-Bus in weiteren 20 Minuten auf rund 2.900 m Höhe in die Umgebung des Torre del Filosofo – hier hat angeblich der Philosoph Empedokles eine gewisse Zeit mit Studien verbracht, und eine Legende besagt, dass er den Freitod durch einen Sturz in den Vulkan gesucht habe. Der automatisch mit der Busfahrt gebuchte vulkanologische Führer leitet die Passagiere an zwei Aussichtspunkte und hält dort jeweils kleinere Vorträge auf italienisch und englisch. Letzteres war nicht so überzeugend, da der englischsprachige Anteil deutlich kürzer war, außerdem gab sich der Mann keine Mühe, für alle hörbar zu sprechen. Gelohnt hat sich die Buchung des Bustrips dennoch, sonst wären wir in der Kürze der Zeit einfach nicht auf dieses Höhenniveau gelangt. Die Eindrücke hier sind in jedem Fall die Mehrausgabe wert, es hat sich gelohnt. Die Aussicht auf die Bergflanken – der Gipfel ragt ja noch rund 350 m über uns empor – ist schon toll. Außerdem ist zu erwähnen, dass ein Besteigen des Ätna in Höhen über 2.500 m ohne Bergführer aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt ist. (Andere Quellen sprechen von 3.000 m.)

Nächstes Mal würden wir noch mehr Zeit, ggfs. eine Übernachtung in einem der Refugios und eine Gipfeltour einplanen. Und natürlich auch noch den Nordhang des Ätna besuchen.

Wir sitzen in einem der „Allrad-Busse“ und wollen uns noch ein paar hundert Höhenmeter hinaufkarren lassen.
Höher geht´s nimmer. Zumindest nicht mit fremder Hilfe. Im Vordergrund ganz unscheinbar fast so etwas wie ein Gletscher. Eine Schneezunge, die hier trotz des anhaltenden Tauwetters tatsächlich noch bis zur „Bushaltestelle“ hinuntergleitet. An ihr wird deutlich, dass hier ständig Asche verweht wird, oder auch mal vom Berg gespuckt wird.
Mondlandschaft, Schneeflecken, Touristengruppe
Der Guide erläutert, was hier bei Gelegenheit so alles herumfliegen kann.

Der Südhang des Ätna ist besonders für sportlichere Menschen interessant, die den Berg aus eigener Kraft ersteigen wollen: Alternativ zur Gondelbahn lässt sich der Auf- und auch der Abstieg auf verschiedenen Wanderrouten machen. Es gibt drei Hauptrouten:

  • Eine westliche Tour:
    etwa 2,5 bis 3 Stunden bergauf, etwa 2 Stunden bergab (normales Gehtempo vorausgesetzt), rund 5 km. Sie folgt einer befahrbaren Piste, hat eine vergleichsweise stetige Steigung und einen guten Grund. Die Tour ist zwar lang, aber einfach.
  • Die Diretissima:
    2,4 km, anderthalb bis zwei Stunden bergauf, etwa 1 Stunde bergab (normales Gehtempo vorausgesetzt). Sie folgt grob dem Verlauf der Gondelbahn und verläuft mehr oder weniger in der Falllinie. Der Boden besteht aus loser Lava unterschiedlicher Körnung, Lavabrocken, nur selten festem Grund. Die Tour ist logischerweise die kürzeste, aber die körperlich anspruchsvollste. Bergauf bzgl. der Kondition, bergab bzgl. der Kniegelenke.
  • Die östliche Tour:
    über diese haben wir nicht viel Informationen gefunden und in manchen Quellen taucht sie gar nicht auf. Sie scheint ebenfalls eher lang zu sein, ist aber keine Piste oder Fahrbahn. Dürfte also körperlich anspruchsvoll sein.

Wer den Ätna erwandern will, möglicherweise noch etwas über die obere Gondel-Station hinaus, sollte sich ein wenig mit den potentiellen Gefahren des Ätna vertraut machen. Eine gute, knappe Zusammenfassung der Gefahren gibt die Seite über ÄtnaTouren auf eigene Faust. Eine recht informative Beschreibung samt Karte ist auch auf der empfehlenswerten Seite der Phototraveller zu finden. Deren Karte ist so gut, dass wir auf die Erstellung einer eigenen verzichtet haben.

Eindrucksvoll sind die schwarzgrauen Hänge.
Der Gipfel des Ätna liegt noch gute 330 Meter über uns.

Nun gut, der Allrad-Bus hat uns zurück gebracht und wir müssen uns nun entscheiden. Entweder Gondel oder eine der drei Routen. (In Wirklichkeit gibt es bei genauem Hinsehen noch mehr Pfade, und alle sind kreuz und quer miteinander verbunden.) Schnell ist klar, wir werden den Abstieg persönlich in Angriff nehmen. Ausgerechnet ich, Martin, der in La Gomera bei einem längeren Abstieg extreme Knieprobleme bekam, würde am liebsten die längste Tour, als schwierig gekennzeichnet, machen. Wir entscheiden uns aber nüchtern wie wir sind für die kürzeste Tour, nach unseren derzeitigen Infos offenbar harmlos. Die Wirklichkeit straft die Angaben Lügen (vgl. o.). Die „harmlose“ Tour ist zwar mehr oder weniger die kürzeste, also die Direttissima, zeichnet sich aber durch Geröll, Lavagruß und Lavamus und örtlich wenig Halt aus.

Außerdem staubt es wie die Pest (zwar kein Vergleich zu Tanna, aber doch). Aber stauben macht ja durchaus auch Spaß, und manche Herrschaften können gar nicht genug davon bekommen, in der Gegend herumzustauben.

Abstieg auf der Diretissima
Abwärts ist durchaus sportlich.
Wie sich die Bilder gleichen. Es geht flott voran …
… und staubt …
… und der Schnee verführt.

Halbwegs wieder bei der Basisstation angekommen, bekommen wir den Hals nicht voll und umrunden bei der Gelegenheit noch zwei auf dem Weg liegende Nebenkrater. Bei dem einen handelt es sich um einen Krater von 1892, bei dem zweiten um einen Kegel, der erst 2001 aufgetürmt wurde. Noch oberhalb der jetzt vor uns sichtbar gewordenen SP 92 befindet sich der Crateri Silvestri Superiore, ebenfalls 1892 entstanden. Unterhalb der SP 92 liegt der Crateri Silvestri Inferiore aus gleicher Zeit. Alle diese Krater sind nicht weit von den Parkplätzen bei der Basisstation entfernt und mühelos erreichbar. Wer die Höhe oder die Ausgabe für die Gondel scheut, der kann sich bereits hier unten bei den genannten Nebenkratern entsprechende Vulkangefühle verschaffen.

In der Bildmitte der Krater von 1892 und dahinter der Kegel von 2001, beide nur wenig oberhalb des Crateri Silvestri Superiore gelegen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass es an den Hängen des Ätna mehrere Hundert Nebenkrater gibt, wird man uns nachsehen, wenn wir womöglich ein paar Bezeichnungen den falschen Kratern, Höhen und Einbrüchen zugeordnet haben.
Anke umrundet den Krater von 1892.
Blick auf den Crateri Silvestri Superiore von der höchsten Kraterkante aus. Im Hintergrund der Krater, der aus dem gleichen Jahr, 1892, stammt. Die kleine Figur ist übrigens Anke.
Spannend ist, die verschiedenen Vegetationsstadien zu vergleichen. Rechts ein älterer Waldbestand, vor uns beginnende Vegetationsentwicklung auf einem jüngeren Lavafeld.
Zu den Erstbesiedlern der Lava gehört – eigentlich wundert es kaum – eine endemische Art: Die Sizilianische Milchwicke (Astragalus siculus). Überhaupt dürfte der Ätna für Biologen hoch interessant sein, gibt es hier doch eine Fülle botanischer und zoologischer Besonderheiten.

Unmittelbar unterhalb des Crateri Silvestri Superiore gibt es übrigens ein kleines Häuschen, La Capannina, dessen rückwärtiges Fenster zum Stolz des Besitzers vom Lavastrom eines Ausbruchs vor rund 20 Jahren geküsst wurde, den Kuss aber überstanden hat. Hier trinken wir mit staubtrockenen Kehlen ein zünftiges Vulkansteigerbier und prosten bei der Gelegenheit Martin Daldrup zu, dem Kultivator des Ankerbiers.

Für die Abfahrt wählen wir die östliche Straßenverbindung und sind überrascht, wie sehr sich die Landschaft hier von der der anderen Straße unterscheidet. Die Vegetationsentwicklung setzt wesentlich höher ein und ist wesentlich dichter. Hier scheint der Boden schon deutlich länger zu ruhen und dank seiner Fruchtbarkeit eine schnelle Begrünung zu fördern.

Es ist gar keine große Strecke zurückzulegen, da befinden wir uns bereits auf Flächen, auf denen die Lava üppige Vegetation trägt. Kein Wunder, es handelt sich um ein sehr fruchtbares Bodensubstrat. Durch gelbliche Borke an den jüngeren Trieben sehr auffallend ist der Ätna-Ginster (Genista aetnensis), der zu richtigen kleinen Bäumen heranwachsen kann.

Nun, wir sind wohlbehalten wieder in den tieferen Regionen Siziliens angelangt und haben es auch noch sicher und gut nach Marina di Ragusa geschafft.

Da wir uns nun in der Karwoche befinden, wünschen wir Euch von Herzen frohe Ostern und viel Erfolg bei der Suche nach den Ostereiern,

Martin und Anke

Und noch zwei Hinweise:

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Wer etwas über die Vegetation am Ätna lesen will, wird u.a. im Angebot der Uni Frankfurt fündig. Aus irgendeinem Grunde konnten wir den Artikel nicht verlinken. Er kann aber gegoogelt werden, dann klappt es: Hilke Steinecke & Peter Schubert (o.J.) – Der Ätna und seine Pflanzenwelt.

Ein Gedanke zu „Auf dem Ätna

  1. Eeeeendlich! Gibt es wieder euer Tagebuch,wie habe ich es vermisst. Eure Reise mit dem kleinen Auto erinnert mich an meine vergleichbare Fahrt mit einem noch kleineren Opel Karl durch die Schweiz nach Ankona und weiter über den Pellopones nach Piräus und dann mit der zweiten Fähre und Sturmfahrt nach Leros. Auch vollgepackt bis unters Dach, ohne Tauchkompressor. Jetzt blästs hier wieder mit 6-7 und viel Sand Uni der Luft. Auf unserer Soleil Bleu ist alles bestens wie seit November und unser Häusle schenkt uns einen wunderschönen blühenden Garten und viel Geborgenheit. Ans Segeln denkt hier kein Mensch auch die Fischer sind vorsichtig. So habt ihr aktuell wohl mehr zu basteln vor der großen Reise. Bin neugierig auf eure nächsten Nachrichten, ich habe ja jetzt die news abonniert. Lasst es euch gut gehen und bleibt gesund. Dass der Genuss nicht zu kurz kommt ist eh klar. Herzliche Grüße von Michalis und Beate

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