GC-Nachlese und dann – ab nach Teneriffa

GC-Nachlese und dann – ab nach Teneriffa

Auf unserem Abschiedstreffen. Ein Mann, der Wiener Joe hat sich in die Damenecke eingeschlichen und fühlt sich bei Barbara, Claudi, Anke, Petra und Claudia sichtlich wohl.

Auch wenn wir in Gran Canaria (im Spanischen häufig schlicht als GC abgekürzt) wegen der vielen Arbeiten gar nicht so viel rumgekommen waren, ein bisschen hatten wir doch noch unternommen und uns angesehen. Und nach langer, langer Zeit verabschiedeten wir uns schließlich von den lieben Leutchen der in diesem Fall überwiegend deutschsprachigen Seglergemeinde in Las Palmas. Der in die Sailors Bar gelegte Abschied dauerte natürlich länger und war auch alkoholseliger, als geplant und ratsam. So fehlten am nächsten Morgen logischerweise die winkenden Stegsegler.

Martin, der lustige Kerl von der Isly links. Anke und Rainer in intimem Gespräch.
Erkennbar unser Aufbruch (wir sind allerdings nicht zu sehen, da wir ja gerade fotografieren). Die Runde hat sich gelichtet, schließlich ist es inzwischen schon recht spät. Die Sailors Bar, auch Sailors Bay genannt, hat schon die Fenstertüren vorgeschoben und schenkt nicht mehr aus. Die letzten Hardcore-Freunde haben dem Hörensagen nach noch bis drei an Bord eines Bootes weiter gemacht. Wir versuchten, wenigstens kurz nach eins in die Kojen zu kommen. Von links: Claudia, Reto, Gordon, Joe, Conny, Martin, Ulli, Barbara (von achtern und nur zu ahnen) und Claudi.
Bevor es los geht noch ein kleiner Rückblick. Aufgrund sagenhaft günstiger Preise – unter 5,- Euro/Tag – hatten wir recht lange einen Fiat 500 gemietet. Wir nutzten das Autochen vorwiegend für Besorgungen und Organisationsaufgaben, doch ab und zu, also sehr selten, auch mal für einen Ausflug. Gar nicht so weit von Las Palmas entfernt sollte es bei Santa Maria de Guia Speicherhöhlen der Guanchen geben. Ein Besuch reizte uns sehr. Im Hintergrund die gewundene Straße zum Ziel.
Diese vermutlich in durchaus historischer Zeit entstandene Speicheranlage – betrachtet man die Lebensumstände der Erbauer, könnte man vermutlich auch von einer prähistorischen Stätte sprechen – ist sehr schön aufbereitet und erklärt. Die Beschickung der einzelnen Speicherkammern in der Bildmitte erforderte schon einiges Geschick, denn solche Treppen und Stufen gab es seinerzeit wohl kaum.
Nach der „Entdeckung“ dieser Strukturen durch europäische Interessierte und Gelehrte gab es zunächst die verschiedensten Theorien, bis hin zu der, dass es sich bei den Höhlen um eine Art Kloster gehandelt haben könnte. Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts hat sich dagegen die Auffassung durchgesetzt, dass wir hier vor einem Getreidespeicher stehen, der noch vor der Ankunft der europäischen Siedler in den Fels geschlagen wurde. Wir zogen spontan Parallelen zu den Agadiren Marokkos, und tatsächlich fanden wir wenig später in wissenschaftlichen Texten ähnliche Schlüsse. Interessant ist dabei, dass die ursprünglichen Siedler in der Römerzeit auf die Kanaren gelangt sind und nach wenigen Jahrhunderten den Kontakt zu Afrika und Europa verloren. Die ältesten heute bekannten Agadire in Marokko sind jedoch lediglich knapp 1.000 Jahre alt. Hat es in Nordafrika „Höhlenagadire“ als Vorläufer der späteren Speicherburgen gegeben? Hat auf Gran Canaria altes Wissen überdauert? Oder haben schlicht parallele Entwicklungen stattgefunden?
Einige größere Höhlen dienten wahrscheinlich Wächtern oder Wächterfamilien als Wohnstatt. Hier eine museale Rekonstruktion. Die seltsam eingemörtelten Türen bzw. Tore und Steine sind keine museale Hervorhebung sondern scheinen zur Zeit der damaligen Erbauer übliche Praxis gewesen zu sein.

Am Zugang zu diesen Speicherhöhlen stehen Drachenbäume. Sie wurden früher vielfältig genutzt. Man gewann aus ihnen „Sangre de drago“, Drachenblut, einen eingekochten, dunkelroten Saft, der Heilzwecken diente, allerdings auch als Färbemittel Verwendung fand. Aus der festen, jedoch leichten Borke machten die Guanchen Schilder. Die Blätter dienten zur Herstellung von Seilen und in Dürreperioden als Viehfutter. Aus dem hohlen Stammesinneren fertigte man Bienenstöcke.

Uns faszinierte die glänzende Oberfläche dieses Stammes. Hier mit zahlreichen Ritzungen, die Besucher angebracht haben.

Da wir eh in der Nähe waren, besuchten wir gerne das Örtchen Santa Maria de Guia. Es verblüffte uns mit einer Fotokunstausstellung auf offener Straße. Einige der Exponate haben wir bereits im vorangegangenen Blogbeitrag vorgestellt.
Hier und da gab es in Santa Maria de Guia auch andere Exponate im öffentlichen Raum. Martin benutzte ein solches, um mit Hilfe der Sonne und verschiedener Spiegelungen etwas Eigenständiges zu schaffen. Fragmentiert schemenhaft taucht er ebenfalls in dem Ergebnis auf.
Anke war handfester orientiert und führte uns in eine Art Bar, in der es nicht nur dringend benötigte Getränke, sondern auch handfestere Genüsse gab.
Beispielsweise Käse, der bis zu 50% mit Lab fermentiert ist, das aus der Wilden Artischocke (Cynara cardunculus) gewonnen wird. Hier wird er uns – kostenlos – als Appetitanreger mit Anchovis gereicht. Wir haben folglich, frisch verführt, natürlich alle Käsevariationen durchprobiert und einen der besonders artischockenreichen Käse mitgenommen. Wen solche durchweg in klassischer Handarbeit geschaffene Genüsse interessieren, der kann Informationen über diese Käse und den Hersteller Bolaños unter www.quesoscanariosartesanalesbolanes.es finden.
Jedenfalls lässt sich nicht leugnen, dass wir diesen kleinen Zwischenstopp sehr genossen haben.
Auf dem Rückweg machen wir noch einen Abstecher nach Galdar. Auf einer der Straßen auf dem Weg zum Museum und Archäologiepark Cueva Pintada, das wir gerne besuchen wollen, begegnen wir ein paar Guanchenfiguren. Hier bei einer Art Brettspiel.
Anke spielt gleich mit. Sieht aus wie Mühle, eines der ältesten bekannten Spiele der Welt.
Wir kamen kurz vor Torschluss, was den netten Effekt hatte, dass man uns ohne Eintritt zu verlangen hereinwinkte und sogar die letzte Führung noch bremste, damit wir uns dieser anschließen konnten. Das gesamte Ausgrabungsgelände, an einem Hang mitten in der Stadt gelegen, ist überdacht.

Faszinierend die Besonderheiten der hiesigen Ausgrabungen. Von einem der Laufstege aus schauen wir auf „Ausgrabungspartien“, die unter bestehenden Stadthäusern liegen. Zu Ankes Füßen geht es horizontal weiter, auf Kniehöhe erkennt man eine Betontraverse und durch die Abspannungen oben schimmern schwach die über der Ausgrabung stehenden Gebäude.

Unsere Idee war, die hier gefundenen alten Wandmalereien der Cueva pintada, auf deutsch der „bemalten Höhle“, zu erkunden. Wir sahen sie auch, aber irgendwie ist dabei nicht so viel hängen geblieben. Interessanter und eindrucksvoller war einer der Nebenräume, in denen unter anderem das hier gezeigt wurde. Keine Ahnung, um was es ging. Aber hübsch ist es doch. Oder?
Da man die Wandmalereien nicht fotografieren durfte und die Höhle nur durch Glasscheiben betrachten kann – der Schutz der empfindlichen Malereien hat natürlich Vorrang – wollen wir wenigstens eine zeichnerische Interpretation des Museums nicht vorenthalten. Unschwer zu erkennen, dass der Zeichner und damit wohl auch die Archäologen in der Höhle eine Wohnstatt sieht. Es irritiert allerdings, dass in der seitlichen Höhlung scheinbar zwei Mumien aufbewahrt werden. Wir hoffen, dass die entsprechend vorbehandelt oder entsprechend geruchsdicht eingewickelt wurden. Sonst wäre ein Leben in solcher Gemeinsamkeit kaum vorstellbar. Zumindest für uns heutige Mitteleuropäer nicht.
Blick von der Ausgrabung in die Stadt. Einfach faszinierend. Brigitte würde, anders als Spock, sensationell sagen.
Auf der letzten Fahrt quetschten wir uns mit Conny und Martin zu viert in den tapferen Fiat 500.
Unser Ziel waren ein paar Naturpools an der nördlichen Küste Gran Canarias, hier irgendwo nördlich von Galdar. Doch der heftige Wind und entsprechende Brandung veranlasste uns, Badehosen und Bikinis im Sack zu lassen.
Es wird ziemlich deutlich, dass ein scheinbar friedlicher Pool von einem Moment zum andern ziemlich ungemütlich werden kann. Zumindest bei Wetterbedingungen wie an diesem Tag.
Faszinierende Fassaden in den abgelegenen Örtchen am Rande der Halbinsel.
Bei einem anderen „Naturpool“ (piscina natural) fanden wir einiges an Ausstattung. Doch auch dies half nicht. Nur im rechten Augenblick und mit gebotener Eile konnte man hoffen, bestimmte Strecken trocken hinter sich zu bringen. Hier Conny beim beschleunigten Aufstieg.
Am Faro de Sardina wurde sehr deutlich, welch ein Wind heute herrschte. Hier sicher noch verstärkt durch einen Kapeffekt.
Gleichgewichtsübungen im Wind. Anke, Conny, ein Martin aus dem Doppelpack.
Mit Wein und Bier endete der Ausflug an Bord der Isly. Ein bisschen Wehmut kam schon auf, denn es war uns vieren klar, dass wir uns in vielleicht zwei Tagen für eine lange, lange Zeit verabschieden würden. Wir werden Conny und Martin sehr, sehr vermissen. Womöglich wird sogar so etwas wie ha.se. auftreten, eine spezifische, zwischenmenschliche Erscheinung.

Nachdem wir noch schnell den Dieseltank gefüllt hatten, ging´s los. Gleich hinter der Hafenmauer, die Martin mit wenig Abstand rundete, erwarteten uns eklige, von der Mole reflektierte Wellen, obwohl fast kein Wind herrschte. Die Wellen stammten von den frischen Verhältnissen weiter im Norden und legten Wert auf unsere Teilhabe. 😊 Mago wurde ganz schön herumgeworfen, was zugleich einem Test der Verhältnisse im Dieseltank entsprach. Bei solch wilden Bootsbewegungen wird möglicher Dreck und Schmodder aufgewirbelt und es droht die Gefahr, dass diese die Filter verstopfen und die Maschine stehenbleibt. Die arbeitete jedoch unverdrossen vor sich hin, was hoffen lässt, dass der neue und der alte Diesel in unserem Tank in gutem Zustand sind. Ansonsten waren wir mit unserem zügigen Fortkommen zufrieden. Das frisch gemalte Unterwasserschiff und der saubere Propeller machten sich bemerkbar. Froh waren wir auch, dass uns trotz des sicherlich noch vorhandenen Restalkohols im Blut die Seekrankheit bei der Schaukelei der ersten Seemeilen verschonte.

Jenseits der Nordostecke Gran Canarias konnten wir abfallen und schon mal das Groß als Stützsegel setzen, später den Besan dazu. Die Schaukelei war mit der dort gebotenen Kursänderung schlagartig erträglicher geworden. Und irgendwann hatte sich der Wind so weit gekräftigt, dass wir einen Segelversuch wagten. Und der war überraschend vielversprechend. Zwar war der Wind in der Übergangszone zwischen dem Schwachwindfeld nördlich von Gran Canaria zum beständigen Windfeld zwischen Teneriffa und Gran Canaria sehr wechselhaft und änderte auch sehr, sehr oft seine Richtung, aber es ging doch voran. Vor allem überholten wir einen parallel laufenden Kat, was natürlich Freude bereitet. Später wurden die Verhältnisse ausgeglichener und wir kamen zügig bis sehr zügig voran, meist mit halbwegs halbem Wind. Ideal also. Wir konnten uns sogar wechselweise hinlegen und dösen, denn viel Schlaf hatten wir ja nicht gehabt.

Zur Auflockerung sichteten wir einmal einen Delphin, der aber anderes zu tun hatte, als mit uns zu spielen, und dreimal schauten Pilotwale (Grindwale) flüchtig vorbei. Aber auch die blieben leider nie.

Die ungemütliche Strecke bis zur Nordostspitze Gran Canarias liegt hinter uns. Die Bajas dort, die felsigen Flachs lagen sicher achterlicher als querab, so dass wir auf neuen Kurs und wenig später auf Zielkurs eindrehen konnten. Nun hat sich auch der Wind soweit eingefunden und verstetigt, dass die Segel gesetzt sind. Anke prüft den Stand der Segel, denn nicht weit von uns segelt ein Kat. Und das bedeutet, wir segeln eine Regatta.
Auf den ersten Meilen wurden unsere frisch gesetzten und vor allem abgedichteten Ankerwinden gut getestet. Am Ziel werden wir prüfen, ob unsere Arbeit wirklich dicht ist.

Wie lange hat uns dieser Anblick gefehlt.

Auf anliegendem Kurs zum Ziel haben wir stetigen, halben Wind und sind flott unterwegs.

Gelegentlich ging es noch flotter voran als auf dem Foto zu sehen. Das zweite Instrument von rechts zeigt, dass wir 8,7 kn über Grund laufen, und 10,1 kn durch das Wasser. 45 Meilen von rund 54 haben wir bereits im Sack, d.h. bis zum Ziel Santa Cruz de Teneriffe fehlen noch etwa 9 Seemeilen.
Ab Beginn der zweiten Hälfte unseres Törns geht es sehr angenehm und dennoch zügig voran. Wir dösen wechselweise in einer Vorschiffskoje und freuen uns über den Segeltag. Es sieht gar nicht so dunstig aus, doch es dauert lange, bis wir die ersten Konturen Teneriffas erahnen können.

Der Wind stand entgegen der Prognose bis zum Hafen von Santa Cruz durch, so dass wir die Hafeneinfahrt noch unter Genua erreichten. Groß und Besan hatten wir doch lieber kurz zuvor weggenommen. In der Marina wurde eifrig vom ersten Steg gewunken: Tom und Karin (Calypso) standen dort. Wir bekamen jedoch keinen Nachbarplatz sondern einen der weniger geliebten Liegeplätze an der Kaimauer vor dem nördlichen Hafenbecken und – wie sich später herausstellte – eine falsche Muringleine. Entsprechend merkwürdig hing Mago zunächst in der Gegend rum. Zwei Tage später konnten wir das korrigieren und nun ist alles so, wie es sein soll.

Mago läuft in die Marina von Santa Cruz de Teneriffe ein. (Foto: Karin Hehz)

Auch wenn er unstetig sein sollte, lasst Euch nicht den Wind aus den Segeln nehmen.
In diesem Sinne Euch alles Gute

Martin und Anke

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