Auto abgeholt
Wir sind immer noch auf La Gomera und das lässt darauf schließen, dass wir uns hier wohl fühlen. Erneut haben wir ein kleines Auto vom Vermieter um die Ecke abgeholt. Und los geht´s. Über die schon bekannte verwegene Plattenstraße – mit klappernden Platten – fahren wir bis zum oberen Parkplatz bei El Cedro. Ziel ist eine Wanderung mit zurückhaltenden Höhenmetern, Anke muss ihr Knie schonen und ich bin ja bekanntlich von Natur aus faul. Wieder bewegen wir uns im Lorbeerwald. Das besondere heute: Die Lorbeeren fallen dank der fortgeschrittenen Jahreszeit inzwischen von den Bäumen. Klack, klack, klack. Meist reif und schwarz, einige noch grün. Streckenweise führt der Weg an einem munter plätschernden Bach entlang, auch mal per Brücke drüber weg. Der Cedro Bach ist der wichtigste der Insel und sogar ganzjährig wasserführend. Als wir den letzten Kilometer zur Bar La Vista in Angriff nehmen werden wir glücklicherweise von Entgegenkommern darauf aufmerksam gemacht, dass die Bar heute geschlossen hat, da Montag. Da kürzen wir unsere Wanderung doch lieber ab. Zumal aus dem Tal Wolken herauf ziehen und wir bei Ankunft wahrscheinlich naß geworden wären.
Am Stammansatz älterer Bäumen schlagen oft junge Triebe aus, die sich im Laufe der Jahre prächtig entwickeln können. In manchen Fällen begegnet man einer Art Stammbündel, bei dem man sich fragt: sind das mehrere dicht nebeneinander gewachsene Bäume, oder ist das ein einziger Baum? In diesem Fall hat es den ursprünglichen Baum völlig hinweggemodert, aber das Rundherum der jungen Triebe ist erhalten und wächst in einer Art Ringelrein.
Ohne viel Worte – wir mögen diese mal stockendusteren, dann wieder lichtdurchfluteten Wälder.
Von oben rieselt es mit einem steten Klack, Klack, Klack, manchmal auch mit einem Rascheln, wenn die mehr oder weniger reifen Lorbeeren durch das Blätterdach auf den Waldboden fallen.
Einer unserer Ausflüge führt zum Besucherzentrum Juego de Bolas. Der Besuch lohnt wirklich. Nicht nur, dass man in dessen Umgebung rumstreifen kann, im Zentrum lernt man eine Menge über die alte Kultur der Insel und – ganz aktuell – über den Wandel der Vegetation infolge des Klimawandels sowie das Risiko der Waldbrände.
Schon bei den Fahrten über die Insel beeindrucken die zahllosen Terrassen, die die Menschen auf La Gomera errichtet haben. Teilweise in extremsten Steillagen. Die Bewirtschaftung war aufgrund der anspruchsvollen Topographie alles andere als leicht. Sie erfordertete oft – wie wir es von den alpinen Almen und den Transhumantes auf den chilenischen Kordilleren her kennen – dass die Menschen für Wochen auf ihren Feldern bzw. Terrassen lebten, isoliert von ihren Dörfern und Familien.
Das isolierte Leben erklärt natürlich auch, weshalb sich ausgerechnet auf La Gomera die Pfeifsprache El Silbo so lange erhalten hat, genauso wie die „sprunghafte“ Fortbewegung mit einem etwas über zwei Meter langen, an der Spitze metallbewehrten Stab. Der erlaubte dem geübten Gomero eine überraschend schnelle Fortbewegung durch das steile und felsige Gelände. Und geübt, das darf man unterstellen, waren diese Menschen damals. (Quelle: Informationstableau, Besucherzentrum Juego de Bolas)
Die Wälder darf man sich vor noch gar nicht so lang vergangener Zeit nicht als stille Orte vorstellen. Sie wurden vielfältig genutzt und in ihnen herrschte entsprechendes Leben. Sie dienten der Waldweide, also krauchten in ihnen Ziegen und gelegentlich Schafe herum, begleitet von ihren Hirten mit deren Hunden. Köhler stellten Holzkohle her. Holz wurde für die verschiedensten Zwecke geschlagen.
Spannend ist die Thematik der Waldbrände. Anders als beispielsweise auf der auch heute noch vulkanisch aktiven Insel La Palma gibt es auf La Gomera seit Millionen von Jahren so gut wie keine natürlich entstandenden Waldbrände. Entsprechend hat sich die Vegetation anders entwickelt. Nahezu alle Brände der jüngeren Zeit sind durch Brandstiftung entstanden, so auch das große Feuer von 2012. Begünstigt werden die Brände durch den Klimawandel: Seit 2011 ist die Niederschlagsmenge signifikant zurück gegangen, trockene Perioden nehmen zu, und heiße, trockene Winde aus der Sahara, Calima genannt, häufen sich nach Zahl und Dauer.
Das Gran Incendio Forestal (GIF = großer Waldbrand) von 2012 hat auf La Gomera 2.714 ha Wald vernichtet, davon 741 ha innerhalb des Nationalparks Garajonay. Damit waren 20% der ältesten Wälder in der Europäischen Union zerstört. Ein Problem ist, dass die verbliebenen alten Wälder von sich regenerierendem jungen Wald und von aufgegebenen, verwilderten, ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben sind. Ein scheinbares Paradox: Die Natur holt sich „Land“ zurück, doch diese jungen Gehölzbestände sind hochgradig anfällig für Feuer. Um die wertvollen alten Bestände zu schützen ist es im Grunde wichtig, die Kulturflächen auch weiter zu kultivieren. Das Feuer von 2012 vernichtete auch annähernd 30 Jahre Rekultivierungsbemühungen nach dem Brand von 1984, in dessen Rahmen man versucht hatte, neue Lorbeerwaldbestände aufzubauen.
Das Feuer von 1984:
Eine Gruppe von Inselpolitikern, freiwilligen Helfern und neugierigen Ausflüglern stand etwa zweihundertfünfzig Meter von den Flammen entfernt auf einer Anhöhe, die freie Sicht auf das Feuer gab. Die Löscharbeiten gingen gut voran und die Beobachter glaubten das Feuer unter Kontrolle als plötzlich der Wind drehte und auffrischte. Die Flammen sprangen über den Barranco und breiteten sich rasend schnell in Richtung der Zuschauer aus. Überlebende berichteten, dass sie in Sekundenschnelle in einer dichten Rauchwolke eingefangen waren und nahezu orientierungslos die Flucht ergriffen. Nur wenige konnten den Flammen entkommen. Nachdem man jahrelang die Namen der Toten nicht öffentlich nennen wollte, ist ihnen inzwischen ein Denkmal gewidmet. Es zeigt die Namen der 20 umgekommenen Menschen, die höchste Zahl an Waldbrandopfern in Spanien überhaupt.
Von dem kleinen Hügelörtchen Agulo wollen wir zum hiesigen Pescante. Wir freuen uns, durch ein paar Bananenkulturen abzusteigen, einen Musik liebenden Landwirt bei der Mittagspause zu beobachten, und viele, viele Stufen und Meter an steilen Wänden entlang in die Tiefe zu streben. Anfang des 20. Jahrhunderts erzeugte die gomerische Landwirtschaft einen großen Überschuss, der für den Export bestimmt war. Problematisch war jedoch die Inseltopographie, die den Transport vom Erzeugerstandort zu den Häfen schwierig, langwierig und teuer machte. Die wenigen für eine Anlandung halbwegs geeigneten Buchten waren durch die rauen Meersbedingungen oft nicht nutzbar. Daher errichtete man fünf sogenannte Pescantes, Ladebrücken, von denen die Güter direkt auf die Frachter hinabgelassen werden konnten. Zwei Pescantes befanden sich in Vallehermosa, zwei in Hermigua und eine bei Agulo.
Wir sind also abgestiegen zur ehemaligen Ladebrücke von Agulo. Es gibt neben ihr einen kleinen Fischerhafen, eine Anlegestelle bei ruhigem Wetter. Die kleinen offenen Boote wurden mit Winden oder per Hand in sichere Höhen gebracht. Und es kann noch nicht lange her sein, dass die letzten noch genutzt wurden. Nach dem schweißtreibenden Wiederaufstieg kehren wir gleich in das erste Restaurant ein, dem wir begegnen. Nett gelegen, teils mit einer Art Infinity-Mauer. Nicht alles auf der Karte ist verfügbar, doch die Boquerones und die gegrillten Gambas sind gut.
Weiter Richtung Juego de Bolas, doch drüber hinaus. Der Mirador de Abrante mit angeschlossenem Skywalk ist geschlossen. Wohl schon seit längerem. So sieht es zumindest aus. Später sehen wir anhand eines Videos, der Eindruck täuscht. Conny von der SY Isly war drin. Wir würden das Ding gerne kaufen und ein Wohnhaus draus machen 😊, aber es scheint ja doch noch genutzt zu werden. Egal, nicht wichtig, die Sonne sinkt und wir wollen uns noch umsehen: Streunen durch rote, erodierende Erde. Besser Flächen. Man kann erkennen, wie Gehölze die Erosion bremsen, man sieht Pflanzversuche der Naturschützer und Förster, und man sieht die Erosion an sich. Natürliche Erosion und anthropogene Erosion. Und wir haben wunderbare abendliche Lichtstimmungen. Fazit: Die Juegos de Bolas und die Umgebung sind zu empfehlen.
Schon wieder ein Mirador. Der Mirador de Abrante. Eindrucksvoll gelegen, aber nicht geöffnet. Wir könnten uns diesen kleinen Aussichtsplatz und das Drumherum sehr gut als zukünftiges Domizil vorstellen. Unglücklicherweise stellt er sich doch noch als genutzt heraus.
Ein Versuch, die sogenannte Schweinebucht zu besichtigen, endet schon zuvor. Für die, die es nicht wissen: Der Name geht zurück auf Hippies, die in Hippiezeiten – wann auch sonst – eine kleine, nur schwer zugängliche Nachbarbucht des Valle Gran Rey besiedelt haben, vielleicht kann man auch von behaust sprechen, und dort weitgehend immer nackig rumgehüpft sind. Was ihr in der gomerischen Nachbarschaft den Namen Schweinebucht eingebracht hat. Ob das Verhalten der Siedler oder mehr dessen rosige Haut der Namensgebung zugrunde liegt, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber, leider, wir schaffen es nur in Teile des alten Ortes – Anke sucht vergeblich alte Anknüpfungspunkte und Erinnerungsstätten – und zum Playa del Inglés. Hier treffen wir sogar auf den einen oder anderen Alt-Hippie und einige mittelalte Nachahmer, mehr oder weniger nackt. Naja, hübscher sind die alten Knochen auch nicht geworden. (Anm. Anke: Wir wissen ja, wer das beurteilt.)
Statt Fotos vom Ort Calero im Valle, der so gar nicht mit Ankes Erinnerungen aus den 80er-Jahren übereinstimmen will, etwas Kunst auf Türen eines der Gebäude.
Das gleiche Gebäude, völlig anderes Motiv. Haben wir es hier mit einem aztekischen Raumfahrer in modernerer Darstellung zu tun? Vielleicht fragen wir mal Erich von Däniken. Der weilt erfreulicherweise ja noch unter uns und der muss das wissen. Interessiert sich jemand für diesen alten Knaben? Der ist noch erstaunlich vital und munter und tourt eifrig durch die Lande. Eine Dokumentation des Schweizerischen Fernsehens hat ihn begleitet. Das Ergebnis ist nett anzusehen. Bei Interesse an der Doku hier klicken!
Tags drauf befinden wir uns in einem Nebental bei San Sebastian, dem Barranco de Las Lajas. Irgendwo auf der Piste stellen wir das Auto ab und stoßen prompt auf „die Zwillinge“: steil aufragende Relikte sogenannter Diques, schmaler vertikaler Gesteinsstrukturen, die offenbar Magmaaufstiegsspalten darstellen. (Mal sehen, ob wir dazu noch mehr Informationen finden.) Ich krabbel daran recht ehrgeizig herum, nur um erstens festzustellen, man kann sie nicht besteigen, und zweitens hätte man sich von deren Rückseite her die Krabbelei ersparen können. Auf dem Rückweg besuchen wir Herwart und Edith, frühere Segler, die hier heimisch geworden sind. Sie leben in diesem Tal mit einem wunderbaren Ausblick. Dass ihr Häuschen direkt an der Straße liegt stört nicht, denn es gibt kaum Verkehr. Und die wenigen vorbeifahrenden Autos sind eher unterhaltsam. Man grüßt sich, oder man beobachtet das Einparken der Nachbarn. S. kommt vorbei und bittet darum, sie am nächsten Tag mit in den Ort zu nehmen. Sie ist nicht gerade fit und ihrem Mann geht es gesundheitlich gar nicht gut. Er kann nicht Auto fahren. Ihre Bitte verdeutlicht die möglichen Risiken bzw. Probleme, wenn man in vermeintlichen Traumorten alt wird. Andererseits, die medizinische Versorgung auf der Insel ist gut. Man ist allerdings in solchen Situationen auf eine funktionierende und hilfsbereite Nachbarschaft angewiesen.
Wie schon beim Ausflug in den Barranco de Las Lajas: Man muss nicht immer in die Ferne streben. An der Nordstraße, d.h. die, die San Sebastian in nördliche Richtung verlässt, haben wir schon oft einen sonderbar rudimentären Parkplatz wahrgenommen. Heute behauptet unser Navi, dass wir an dieser wenig vertrauenswürdigen Stelle nicht parken, sondern abbiegen sollen. Wir stoßen auf eine spannende Straße. Zunächst ein paar Meter wüste Piste, dann Plattenbelag (der sich als Betonimitat herausstellt), ein betonierter Abschnitt, danach Asphalt und schließlich wieder Piste. Das ganze einspurig mit sehr sporadischen Ausweichen. Erstaunlicherweise gibt es dann nach leicht nervenzehrender Fahrt doch so etwas wie eine Parkmöglichkeit. Es folgt eine Wanderung durch Kiefernwald, streckenweise mit extrem steilen Flanken. Abschnittsweise muss man trittsicher und schwindelfrei sein. Aber das hatten wir ja schon öfter. Schließlich erreichen wir die baumlosen Höhen. Hier suchen wir nach den im äußersten Nordosten La Gomeras gelegenen Cuevas Blancas. Eine Handvoll Höhlen in weißem Gestein, die vor gar nicht so langer Zeit teils als Ställe, teils als Unterkunft dienten.
Letzter Ausflugstag. Wir wollen zum Monumento al Silbo. Google führt uns über einen verwegenen Weg, nur um festzustellen, die Anfahrt wäre total simpel gewesen. Egal. Hier steht ein Kirchlein für den Heiligen Franziskus und das Monument und es gibt eine tolle Aussicht auf El Hierro und La Palma. Letztere hätten wir bei dem heute so bedeckten Himmel gar nicht erwartet. Aber die Bedeckung hindert die Sonne, zu viel Dunst aufzusaugen, daher bestehen gute Bedingungen für den Blick in die Ferne. Da wir ihn so schön sehen können, beschließen wir, zum Fortalezza zu fahren. Vielleicht kommen wir ja rauf. Nach mehreren Anläufen – Google informiert uns zuverlässig unzutreffend – parken wir wo alle parken (drei Autos) und besteigen den platten Kopf: Ganz schön zerklüftete Flanken. Steile und teilweise schmale Aufstiege. Nichts für Menschen mit Höhenangst. Ansonsten aber gut bezwingbar. Oben Buschvegetation, schon wieder herrliche Aussichten und ein Gipfelkreuz.
Hier geht es zunächst noch recht unkritisch aufwärts, fast noch ein gepflegter Wanderweg.
Nun wird es etwas sportlicher. Und überhaupt: Links oder rechts? Durch welche Schneise soll es gehen?
Wieder am Hafen folgt eine kleine Suche nach einer Chipkarte für die Hafentore. Etwas Drama darf ja auch mal jenseits der dramatischen Kulissen der Insel stattfinden. 😉 Schließlich finden wir sie versteckt in der Konsole des Mietwagens.
Zur Herkunft des Beitragtitelbildes müssen wir sicher nicht viel sagen. Also eigentlich nichts … 😉😉
Abschließend noch einmal ein „Marketing-Hinweis“. Auf der brandneuen Seite: FLEA MARKET, zu Deutsch Flohmarkt, bieten wir Equipment an, das wir nicht mehr benötigen, das wir einfach über haben, oder bei dem wir uns verkauft haben. Es gibt da durchaus hochwertige und interessante Dinge, also mal reinschauen. Allerdings ist einiges auch schon verkauft, aber das vermerken wir jeweils umgehend.
Mit diesem kleinen Hinweis verabschieden wir uns mit herzlichen Grüßen
Martin und Anke