Winter im „Teufelsmoor“ – und zwei Tagebücher
Was erwartet man von einem Blauwassersegler, sofern er kein Profi auf der Jagd nach Pokalen und Rekorden ist? Das Naheliegendste ist natürlich, dass er (oder sie) in angenehm warmen Gewässern bei milder Brise segelt. Vielleicht auch mal bei frischer Brise. Und möglichst nicht bei Starkwind und rauer See. Wer etwas mehr vom Fahrtensegeln weiß, der wird nicht ausschließen, dass des Seglers Boot auch mal in einer lieblichen Ankerbucht am Haken schwojt und Skipper und Crew am Boot irgendwelche Reparatur- und Wartungsarbeiten vornehmen, möglichst trotz der Arbeit mit fröhlichem Sundowner im Kreise Gleichgesinnter bei Sonnenuntergang.
Doch wenn der Segler in der Heimat weilt? Womöglich im Winter? Anke hatte ja seinerzeit auf ein kleines Refugium in Deutschland gedrängt, und ziemlich durch Zufall fanden wir auch eins. In Worpswede. Da Aufgabe und Auflösung der bisherigen Wohnung und Einzug in die viel, viel kleinere neue nur wenige Wochen vor dem Start unserer Reise erfolgten, war eigentlich kaum Zeit, sich einzuleben. So kommt uns ein „Heimaturlaub“ mehr wie eine touristische Reise vor, denn wie der Besuch eines langjährigen Zuhauses. Natürlich sind unsere Tage auch reichlich mit Pflichten angefüllt. Angenehme Pflichten wie Besuche von Familie und Freunden, aber auch eher anstrengende Pflichten wie das Beschaffen von Ersatzteilen sowie die Organisation von Dingen, die für Magos weitere Reise wichtig sind. Dazu gehören natürlich auch Termine bei Ärzten, Steuerberater und vieles andere mehr.
Aber es gibt auch kurze Mußephasen. Und die verbringen wir mit dem Erkunden der neuen Heimat. Die folgenden Fotos sollen ein paar Eindrücke vermitteln, wobei wir das Thema Moorlandschaft deutlich in den Vordergrund gestellt haben. Wir stolpern als „Neubürger“ mit ganz anderen, gelegentlich sogar staunenden Augen durch die Umgebung von Worpswede. So machen wir uns meist auf, die Landschaft zu genießen, Torfkanäle zu besuchen oder die Reste von Mooren zu entdecken (oder auch mal Kunstwerke). Immerhin gab es hier, beidseits des Flüsschens Hamme, mal jede Menge Moor. Die Landschaft bekam irgendwann den Namen „Teufelsmoor“, entlehnt von einer im 14. Jh. nordwestlich vom heutigen Worpswede gegründeten Ortschaft „Dufelsmoor“. Wobei das nichts mit dem Leibhaftigen zu tun hat. Der Name der Landschaft leitet sich ab von der Beschreibung „duwes Moor“, andere schreiben auch „doofes“ oder „doves Moor“, was nichts anderes besagte als taubes, also unfruchtbares Moor. Tatsächlich gibt es gar kein Teufelsmoor, dafür allerdings eine Fülle verschiedener Moore.
Die hiesige Moorentwicklung ist ein überraschend junges Phänomen. Der Beginn der Moorentwicklung wird etwa auf das Jahr 6.000 v. Chr. datiert. Zunächst breiteten sich Niedermoore in der Hammeniederung aus. Etwa 3.000 Jahre später hatte sich bereits im gesamten Tal eine mehr oder weniger starke Torfschicht aufgebaut, auf der Birkenbruchwälder und Seggenrieder das Landschaftsbild bestimmten, zur Weser hin auch Erlenbrüche. Klimaänderungen, d.h. geringere Niederschläge und die Verringerung von Überschwemmungen ermöglichten die Entwicklung von Hochmooren, die bis zu 12 m starke Moorkörper aufbauen konnten. Letztendlich bildete sich ein zusammenhängender Hoch- und Niedermoorkomplex, der vom heutigen Bremen bis Bremervörde reichte.
Seit Beginn der Moorkolonisation durch den später zum Moorkommissar ernannten Jürgen Christian Findorff – zu dessen Andenken und zur Ehre die Siedlung Findorff eben so benannt wurde – wurden als Voraussetzung für eine Besiedlung zahllose Entwässerungsgräben, aber auch Schifffahrtskanäle angelegt. Wobei die Schifffahrt etwas filigran ausfiel, d.h. man benutzte recht kleine, getreidelte und gestakte Kähne, die nur bei günstigen Bedingungen auch gesegelt werden konnten. Und natürlich wurde eifrig Torf gestochen, der lange Zeit als Brennmaterial mit den Torfkähnen über die Hamme nach Bremen geschafft wurde, später auch für den Gartenbau Verwendung fand. Es wundert nicht, dass nicht mehr viel von den echten Nieder- und Hochmooren übriggeblieben ist. Heute spielt die Torfwirtschaft im Worpsweder Umland keine Rolle mehr, doch es gibt auch andere Mittel, die verbliebenen Moorböden fortschreitend zu beeinträchtigen. Mit das Übelste ist sicher, wenn ausgerechnet Torfböden umgebrochen werden, um darauf Mais für Biogasanlagen anzubauen. Biobauern und Grüne mögen die Wortwahl überlesen, na, vielleicht auch nicht, aber das ist purer Schwachsinn. Mit dem zwar ursprünglich zwar gut gemeinten, aber irrigen Ansatz, mit Biogas schaffe man eine ausgewogene Bilanz zwischen CO2-Emission und CO2-Bindung in der Vegetation, fördert man heute auch noch die CO2-Senke Torfboden. Man verliert aber nicht nur die Senke, sondern setzt bei der Degeneration des Moorbodens auch gebundenes CO2 frei. Die staatliche Förderung dieses Blödsinns sollte umgehend eingestellt werden. Nur, das erfordert auf gewisser politischer Ebene ja das Eingeständnis, dass man sich eine Ideologie gezimmert und nicht rational und durchdacht, sondern in der Folge ideologisch entschieden hat. Wunderbares Beispiel dafür sind die zu Maisackerwüsten verwandelten Moorflächen zwischen Hüttendorf, Breddorf und Glienstedt etliche Kilometer nördlich von Worpswede. Klimaschädliche Maisäcker auf Moorböden zur Beschickung der dortigen Biogasmeiler. Oha, jetzt hat mich der fachliche Unmut geradezu aus dem Gebiet, mit dem ich mich hier räumlich beschäftige, fortgetragen.
Hier und da versucht der Naturschutz ehemalige, abgetorfte Moore zu vernässen, um zumindest der charakteristischen Tier- und Pflanzenwelt wieder Lebensraum zu schaffen. Leider sind unsere Begehungsversuche auch noch durch Naturschutzauflagen eingeschränkt. Überall, wo sich in der Winterzeit Rastvögel einfinden können, ist das Begehen untersagt. Verständlich und nachvollziehbar, aber manchmal ärgert man sich darüber doch, vor allem, wenn in den betreffenden Bereichen nun gerade mal keine Vogelaktivitäten oder ähnliches stattfinden.
Egal. Rund um Worpswede gibt es halt noch Moorlandschaften, bzw. das, was davon heute noch übrig ist, und wie man sieht, haben wir versucht, ein paar winterliche Aspekte zu entdecken und festzuhalten.
Es hat übrigens reichlich gedauert, bis wir uns die Verteilung und in gewisser Weise die Abgrenzung der hiesigen Moore erschlossen hatten. Es gab so gut wie kein plausibles Kartenwerk. Immerhin können wir inzwischen für die Worpsweder Umgebung folgende Zuordnungen vornehmen:
Niedermoore: Lintelner Weiden, Hofleuteweiden, Postwiesen, Breites Wasser, Pferdeweiden/Placken, Beekwiesen
Hochmoore: Waakhauser Polder, Ahrensfelder Moor, Pennigbütteler Moor, Niedersandgauser Moor, Hamburger Moor, Günnemoor, Torfkanal, Östliche und westliche Hälfte des Langen Moores.
Die Tage in der Heimat haben wir natürlich auch genutzt, die Tagebucheinträge aufzuarbeiten. Daher hier nicht nur ein, sondern zwei neue Tagebücher. Das erste schildert die Etappen von Port Oropesa de Mar bis zur Ankunft in unserem vorläufigen Winterhafen Almerimar. Zum Aufrufen des Tagebuchs zu dieser Etappe einfach auf diesen Satz hier klicken.
Das zweite Tagebuch ist mit diesem Link aufrufbar. In diesem geht es um die Zeit in Almerimar. Im Rennsport wäre dies ein arbeitsintensiver, hektischer Boxenstop. Wir arbeiten ebenfalls, aber es gibt doch auch Dinge, die sich neben der Arbeit abspielen. Einfach mal reinschauen.
Und bevor es in Vergessenheit gerät bewerben wir noch einmal den Podcast „Wie segelt man um die Welt?“, den Nikolaus Gelpke (Mare Verlag) und Katrin Krämer (Radio Bremen) mit uns Ende des vergangenen Jahres aufgezeichnet haben. Auf diesen Link klicken, dann nach unten scrollen, auswählen und reinhören.
Zu guter Letzt möchten wir auf die Möglichkeit eines Abos hinweisen: Wer in Zukunft keinen Beitrag mehr verpassen will, kann unseren Blog abonnieren, und das geht einfach über die Seite Kontakte, oder indem man – noch einfacher – hier klickt.
Liebe Grüße
Martin und Anke