Wind

Wind

Am Tag nach der Ankunft bzw. Rückkehr aus Deutschland: Der Turm des Marinabüros vor der Bergkulisse mit den schneebedeckten Gipfeln der Sierra Nevada – klare Sicht, wolkenloser Himmel, intensive Sonne, kalte Luft, Windstille. Noch! Der Turm, in dem das Marinabüro untergebracht ist, ist ein beliebtes Fotomotiv. Doch nicht nur das, wie das Beitragstitelbild zeigt. Wir fanden es in einem Gästebucheintrag der Crew der Themi 50 für die TO-Stützpuntleiterin Alex aus dem Jahre 2017. Mit freundlicher Genehmigung von Roswitha Petrischek.

Kalter Wind bläst uns um die Ohren. Sogar recht kräftiger Wind. Und dieser Wind und die niedrigen Temperaturen werden einige Tage anhalten. Das hätten wir nicht gedacht, als wir in Bremen in den Flieger gestiegen sind.

Zum Flug ist nicht viel zu sagen, außer dass es recht lange hell blieb. Die Flughöhe bescherte uns ein wenig Extra-Helligkeit, und die vielen Kilometer zwischen Worpswede und Almerimar lassen die Sonne ebenfalls etwas später untergehen. Unser ziemlich schweres und bis zum Letzten ausgereiztes Gepäck lag in Malaga auf dem Band, just in dem Moment, an dem wir dort eintrafen. Die anschließende Übernahme des Mietwagens war in fünf Minuten erledigt – wir hatten alles Wichtige bereits per Telefon und Internet erledigt, moderne Zeiten halt – und zwei Stunden später erreichten wir nach kurvenreicher Fahrt das nächtliche Almerimar. Das alles so zügig und glatt verlief, hatten wir gar nicht erwartet. Erstaunt haben uns während der Fahrt die Warnungen vor Niederschlägen an den Tunnelportalen, dem auch tatsächlich ein äußerst heftiger Schauer auf dem letzten Viertel der Strecke folgte. Freundlicherweise hatte der Wettergott kurz vor unserem Ziel ein Einsehen und in Almerimar war es bei unserer Ankunft (noch) trocken. Dank Udo und Alex vom TO-Stützpunkt waren sogar erste Lebensmittel an Bord und der Kühlschrank bereits vorgefüllt!

Almerimar begrüßte uns am nächsten Morgen mit blauem Himmel und wärmender Sonne. Was täuschte, denn wir wurden auch mit reichlich kühler Luft aufgefrischt. Das Bild oben zeigt den ersten morgendlichen Eindruck: Der Turm des Marinabüros vor der Bergkulisse mit den schneebedeckten Gipfeln der Sierra Nevada – klare Sicht, wolkenloser Himmel, intensive Sonne – was das Foto aber nicht zeigt, ist die kalte Luft.

Anke entdeckte dann eine unschöne Überraschung: An Backbord von Mago del Sur war die Scheuerleiste demoliert. Gut, sie ist zum „Scheuern“ da, aber so ganz zerrieben, wie sie sich darstellte, sah sie schon übel aus. Beim Nachbarboot, einem klassischen Taiwan-Clipper, war während des letzten Sturms eine wohl morsche Beting gebrochen, auf der eine der beiden Murings belegt war. Ausgerechnet die luvseitige Beting. So fehlte der luvwärtigen Muringleine der Halt und das Boot kam Mago zu nahe und hat den Schaden verursacht.

Zurück an Bord, gute Laune trotz des Schadens (Foto: Horsti)
Verschrammt und zerfasert: Die Scheuerleiste der Mago del Sur. Wir waren froh darüber, dass wir uns vor drei Jahren dazu entschlossen hatten, die Scheuerleiste mit der Metallleiste zu ergänzen. Der Schaden hätte schlimmer sein können.
Die abgebrochene Beting unseres Nachbarn ist mitsamt Muringleine glücklicherweise an der Klüse hängengeblieben. Wäre die Muring ganz abgehaun, hätte es weitaus schlimmer kommen können. Das quadratische Loch mit den Holzbröseln unten im Bild markiert den ursprünglichen Standort der Beting. Mit Beting bezeichnet man auf einem klassischen Segelschiff einen kurzen, kräftigen Holzpfosten, der dazu dient, beispielsweise eine Ankerleine zu halten.

Zu den von uns geplanten Bootsarbeiten kommt also gleich noch etwas on top hinzu. Die ersten Tage in Almerimar bedeuteten daher nicht nur Großeinkauf und geplante Arbeiten, sondern vor allem Telefonate und Email-Verkehr mit der Versicherung, Kontaktaufnahme mit den Eigentümern des Nachbarbootes, jedoch vor allem die Suche nach einer Werft, die die Reparaturarbeiten übernehmen würde. Lauter ungeplante Arbeiten also. Immerhin, seit vorgestern haben wir einen ersten Kostenvoranschlag. Das ist gar nicht so leicht, denn die meisten angefragten Betriebe haben sich überhaupt nicht auf unsere Anfragen hin gerührt.

Ansonsten vergehen die Tage in einem gewissen Trott. Nach dem Frühstück wird geprüft, was auf der Tu-Was-Liste steht, und dann wird die Aufgabe angegangen. Oder auch nicht, wenn sich ein unerwartetes Problem oder eine ungeplante Aufgabe ergeben hat. Beispiel gefällig? Bei Amels läuft das Grauwasser von Spüle, Waschbecken und Duschen in eine zentrale Bilge und wird von dort automatisch über Bord gepumpt. Dumm, wenn der Schalter muckt und die Pumpe alle Nase lang anspringt, wenn auch nur für ein paar Sekunden. Jetzt sollte man denken, einen Schalter tauschen sollte doch kein Problem sein. Ist es auch nicht. Im Prinzip. Aber das ist wie bei Radio Eriwan. (Noch bekannt?) Amel hat einen solch banalen Schalter leicht modifiziert. Ergebnis: Fast ein Tag Arbeit einschl. der Suche nach geeigneten Hilfsmitteln um eine vergleichbare Schaltermodifikation zu schaffen, wie in unserem Fall benötigt. Immerhin, die Pumpe wird jetzt wieder so geschaltet, wie es sein soll.

Nach unserer Ankunft: Einen Tag lang nutzen wir die Gunst des Mietwagens für Einkäufe und Besorgungen, dann fahren wir mit einem weiteren „Tagesmietwagen“ im Schlepp nach Almeria, um den ersten abzugeben. Auf der Rückfahrt nutzen wir die Gelegenheit und genießen ein paar Umwege. Hier sind wir schon bei Almerimar angelangt, befinden uns aber noch auf dem Plateau oberhalb der Stadt. Eine herrliche Aussicht.
Drehen wir uns am Standort des vorausgehenden Fotos um 180 Grad sehen wir Foliengewächshäuser (invernaderos), die hier zu Hunderten stehen. Schon vor mehr als 30 Jahren wurde die hiesige Küste daher in einschlägigen Quellen als Costa del Plastico beschrieben. Wir verweisen da gerne auf Ankes alten Apa Guide von 1993, der dies belegt. Man bedenke, vor 30 Jahren wurde der verlegt.
Drehen wir uns lieber wieder zurück. Und senken den Blick. Für uns völlig überraschend stehen wir vor einer Difunta Correa. Einer Weihestätte, die wir eigentlich nur aus Argentinien kennen. In dem kleinen Schrein ist ein Bildnis der María Antonia Deolinda y Correa zu erkennen, die ihrem verschleppten Mann in die Wüste folgend verdurstete. Ihr Säugling wurde noch lebend von Gauchos gerettet. Fernfahrer ehren die María Antonia, in dem sie Wasserflaschen an den Schreinen hinterlassen, oder Votivgaben. In Argentinien in Massen gerissene (oder alternativ unversehrte) Keilriemen, denn in der Wüste kann auch dies den Tod bedeuten. Diese María Antonia ist im Volksglauben also ein wichtiger Schutzpatron der Fernfahrer.

Um Ankes lädiertes Knie zu trainieren – natürlich nicht zu überfordern – versuchen wir täglich einen flotten Spaziergang zu machen. Dabei lassen wir uns so richtig den kalten Wind um die Nase wehen. In den letzten zwei Tagen hat der stetig zugenommen und es wird die nächsten Tage auch so bleiben. Heute konnten wir sogar die Marineros dazu bewegen, ein paar Boote zu sichern, die ohne Crew dem Wind ausgesetzt waren und denen drohte, an dem Betonsteg Schaden zu nehmen. Schon seltsam, dass man die Marineros hier zu solcher Aktivität auffordern muss. In Marina di Ragusa waren die Marineros da ganz anders auf Zack. Da war es gewissermaßen Ehrensache, rechtzeitig alle Boote zu checken und Vorkehrungen zu treffen, um möglichst jedes Risiko auszuschließen.

Inzwischen hat sich der kalte Wind verstetigt. Seit vielen Tagen weht ein beständiger Ost- bis Nordostwind. Meist bei klarem Himmel, heute allerdings war es bedeckt und grau. Auch bleiben die Lufttemperaturen niedrig. Und es wird weiter so bleiben. Einheimische haben uns berichtet, dass der Februar der unwirtlichste Monat ist. Oft mit viel Wind und Regen. Letzteren konnten wir letzte Woche erleben, glücklicherweise beschränkten sich die Wolkenbrüche auf die Nacht. Manchmal bedauern wir, dass wir noch nicht weg können, denn dicht unter der Küste hätte man zur Zeit wunderbare Bedingungen, um zügig West gut zu machen. Aber so ist es halt. Erst die Reparatur, dann das Vergnügen.

Jeden Abend starten wir entweder unsere kleinen, elektrischen Heizwürfel oder die Dieselheizung. Ohne wäre es an Bord doch ausgesprochen frostig. Hilfreich ist auch das Kochen an Bord, das bringt jedesmal einen angenehmen, zusätzlichen Wärmeschub.

Den Screenshot habe ich am Dienstag Abend (14.02.2023) gemacht, und man sieht, dass die Verhältnisse auch am Freitag recht windig sein werden. Das sind dann fast zwei Wochen mit einer stabilen und reichlich zugigen Ostwindlage.
Heute Abend hat sich der graue Himmel nach zwei Tagen endlich verzogen und wir genießen den Sonnenuntergang. Der kräftige Wind kommt genau von hinten, daher sieht man ihn weder an den gebeutelten Palmwedeln noch am Meer. Alles wirkt so friedlich.

Mittlerweile sind wir auch mit der Organisation der Reparatur weiter gekommen. Für kommenden Montag konnten wir einen Sliptermin ergattern und die hiesige Werft, Almerimar Marine Services will dann auch gleich mit den Arbeiten beginnen. Über Roberto konnten wir das kleine Appartment, das wir schon während des letzten Aufenthaltes von Mago an Land bewohnt hatten, erneut anmieten, und mit Hilfe von Maud Touillet konnten wir auch schon das Topp-Profil für die Scheuerleiste bekommen. Dieses Teil hier vor Ort anfertigen zu lassen, wäre nahezu unmöglich und extrem aufwendig gewesen. Es fehlt nur noch die Deckungszusage der Versicherung.

So sind wir denn zuversichtlich, dass wir uns in Bälde wieder anderen Dingen zuwenden können. So würden wir gerne Malaga, Cordoba und natürlich besonders gerne die Alhambra in Granada besuchen. Außerdem locken uns die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Nun, wir werden sehen.

Auch in diesem Beitrag bewerben wir gerne noch einmal den Podcast „Wie segelt man um die Welt?“, den Nikolaus Gelpke (Mare Verlag) und Katrin Krämer (Radio Bremen) mit uns Ende des vergangenen Jahres aufgezeichnet haben. Wer noch nicht reingehört hat, aber sich interessiert: Auf diesen Link klicken, dann nach unten scrollen, auswählen und reinhören.

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Liebe Grüße aus kühlen und des nachts richtig fröstelkalten Almerimar

Martin und Anke

2 Gedanken zu „Wind

  1. Euer Bericht hat die Erinnerung an unsere Zeit in Almerimar wieder lebendig werden lassen. Die Überraschung, morgens auf den Bergen Schnee zu sehen (es war immerhin schon April), die Fahrt nach Granada mit dem Besuch der Alhambra und vieles mehr. Wir wünschen euch eine erfolgreiche Reparatur und dass ihr bald weiter segeln könnt. Herzliche Grüße aus derzeit Saint Maxime an der Côte d’Azur, werner & Elke

  2. Schnee bedeckte Berggipfel haben wir hier auf Kreta auch. Die Mittagssonne wärmt aber schon ganz gut und nächste Woche wird es noch besser. Euch viel Glück bei der Reparatur und natürlich bei den Belohnungsausflügen.

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