Carloforte Sardinien

Carloforte Sardinien

Kurz nach sieben warfen wir die Mooringtrossen und Heckleinen los. In der Bucht von Mahón wehte keinerlei Wind, so dümpelten wir ungestört herum und konnten ohne Erschwernisse das Beiboot in die Davits nehmen. Wir hatten mit dem Heck zur Pier gelegen, so dass das Beiboot, das wir in den letzten Tagen für Shuttle-Fahrten brauchten, nicht so einfach hochgeholt werden konnte. Dann ging es los, mit langsamer Fahrt; Anke verstaute und klarierte noch Fender und Leinen, während ich darauf achtete, dass Mago nicht in eine der kleinen Bojen und Leinen geriet und der einlaufenden Fähre gehörig auswich. Draußen wehte ein frisches Lüftchen und wir waren schnell und leider auch etwas ruppig unterwegs. Die verblassten blauen Flecken wurden erfolgreich regeneriert. Nachmittags beruhigte sich die Situation, der Kapeffekt war klar vorbei, und wir setzten sogar die Fock, denn es wurde uns zu langsam, es waren ja andere Segler in Sichtweite. Und wer lässt sich schon gerne überholen?

Mit der Nacht nahm der Wind weiter ab und wurde zunehmend unsteter. Dazu hatten wir nach wie vor eine sehr holprige Altsee. Zum Abendessen gab es daher nur bescheidene Dosenravioli und kurz danach und nach einem kleinen Schlafschluck (halbes Glas Rotwein) ging Martin um 21:00 in die erste Freiwache. Irgendwann rumpelte und quietschte es und die Schaltrelais über seiner Koje klackten. Anke nahm offensichtlich die Segel weg, und ja, startete den Motor. Später unternahmen wir noch zwei Segelversuche, leider erfolglos. Trotz vorsichtigen Wartens, dann überzeugtem Glauben, dass der Wind stabil bleiben würde, legte dieser Lümmel von Rasmus uns jedesmal rein, kaum dass die Segel gesetzt waren. Man mag es kaum laut sagen, aber wir sind die halbe Strecke motort. Mindestens. Immerhin war das ein guter Härtetest für die Maschine.

Interessanterweise verschwand Sardinien mit steigender Sonne im Dunst und erschien erst später wieder.
Wir steuern zwischen der aufgrund der Agavenblüten malerischen, winzigen Isola de Ratti und der Isola de San Pietro den Hafen von Carloforte an. Im Bild die Isola de Ratti und hinter ihr die Berge Sardiniens.

Einmal begleitete uns ein einzelgängerischer Blauweißer Delphin, das war es aber auch. Bis auf einen kleinen Vogel, der ein Stück im Dinghi sitzend, mitsegelte.

Die Morgendämmerung setzte schon kurz nach sechs ein, und bereits auf mehr als 40 Meilen Entfernung zeichnete sich die Kontur Sardiniens über der Kimm vor einem dunkelorangenen Himmel ab (Beitragsfoto). Auf den letzten drei, vier Meilen begann es dann heftig zu blasen. Im Hafen von Carloforte benahm der Wind sich glücklicherweise anständig, und die Marineros der Marine Sifredi wiesen uns einen ausgesprochen ruhigen Liegeplatz an. Alles andere war unkompliziert. Niemand fragte irgend etwas wegen Corona.

Erste Begegnung mit Carloforte. Die Dachlandschaft des Ortes erinnert mich stark an die halluzinogenen, gezeichneten italienischen und künstlerisch wertvollen Dachlandschaften, die sich in den Tagen nach meiner Herz-OP regelmäßig vor meine, Martins, durchaus geöffnete Augen schoben. Im Hintergrund die Saline des Ortes.
Die gegen Piratenüberfälle im 18. Jahrhundert errichtete Stadtmauer. Erstaunlicherweise schützt sie die Landseite, nicht die Seeseite, wie man erwarten würde.
Um die Mittagszeit sind die Straßen wie ausgestorben. Der Motorroller – heute nicht nur die Vespa – ein Zeichen und im Grunde ein Kulturgut. Eigentlich sollte man die Vespa, das Piaggio-Dreirad und den alten, echten Fiat 500 auf die Liste der UNESCO-Kulturgüter setzen.
Um der Mittagshitze zu entgehen, suchen wir eine der hiesigen Kirchen auf. Was wir nicht wissen, hier erwartet uns ein übermannshohes, einzigartig geschmücktes und filigran gearbeitetes Kreuz, das erst vor vier Tagen in der Kirche eingetroffen ist. Die dreitägigen Feierlichkeiten aus diesem Anlass haben wir haarscharf verpasst. Wie schade. Was wir nicht wissen ist, ob es sich um ein restauriertes Kreuz handelt, oder um ein zeitgenössisches Werk.

Das verschlafene Örtchen Carloforte gefällt uns auf Anhieb. In den engen Gassen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Und Martins besondere Freude war der Besuch des ersten italienischen Supermarktes. „Mir ist es egal wie groß oder klein der ist, spannend ist doch, was der zu bieten hat, und was sich gegenüber Spanien unterscheidet.“ Über Frankreich braucht man nichts sagen, wer dort nicht das Leben (Essen) genießt, macht irgend etwas falsch. Spanien ist kulinarisch und mit seinen Spezialitäten eine echte Freude (sofern man nicht Vegetarier oder gar Veganer ist), und wenn man von dort Italien ansteuert weiß man, es kann keinesfalls schlechter werden. Im Gegenteil. Wir sind im Land des Balsamico, der unvergleichlichen Pasta, des fantastischen Risottos, der sonnengereiftesten aller Tomaten, und ja auch der Trüffel. Ach, auch wenn es nur ein kleiner Supermarkt war, Martin hat einen Grappa gekauft, da unsere Vorräte bereits in Frankreich aufgebraucht waren.

Mit Martin, der nur ans Essen denkt, grüßt Euch Anke

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