Auf Teneriffa

Auf Teneriffa

Die ersten Tage im neuen Hafen prägte ein zweitägiger Kampf mit der Iridium-Installation, besser der bei uns an Bord zugehörigen Art von Datenschnittstelle. Zweimal öffneten wir den „Navi-Schrank“, da wir annahmen, den darin verborgenen „Data-Hub“ neu konfigurieren zu müssen, jedes mal wurde er unverrichteter Dinge wieder geschlossen. Ein ziemlicher Akt. Schließlich stellte sich heraus, dass bei den Setup-Einstellungen nur an einer Stelle eine falsche Option ausgewählt war. Ooopps! Seitdem scheint unser Iridium-System zu funktionieren. Ach so, für den, dem der Begriff Iridium nichts sagt, dahinter versteckt sich ein simples Satellitenkommunikationssystem. Mit dem können wir fernab von Land Wetterdaten sowie Emails empfangen und senden und im Bedarfsfall auch telefonieren.

Es war übrigens nach den ersten ruhigen Tagen Südwind mit in den Hafen laufendem Schwell angesagt, was unseren Liegeplatznachbarn und in der Folge auch uns sehr beunruhigte. Interessanterweise entpuppte sich unser zu Anfang mit Misstrauen beäugter Liegeplatz als perfekt. Trotz Nähe zur Hafeneinfahrt erwies er sich als einer der ruhigsten Flecken im Hafen. Und das bei allen Windrichtungen und Schwellrichtungen.

Welch Glanz vor unserer Hütte: Die absolut niegelnagelneue Klampe, die ohne weitere Umschweife seitens der Marina auf unserem Fingersteg montiert wurde. Und dann diese ausgefranste Leine!?
Olaf, Silke und Anke haben sich im Salon der Genadi für ein kleines Gruppenfoto drapiert. Wir haben das Boot mit großem Interesse erkundet, war es doch in der Entwicklungsgeschichte der Amel-Werft einer der Ahnen unserer Mago.
Genadi verlässt die Marina. Wir müssen zugeben, zunächst wollten wir nicht glauben, dass es sich bei diesem Boot um eine Amel handelt. Aber es war natürlich unbestreitbar, zum ersten Mal waren wir einer Amel des Typs Meltem begegnet.

Nach einigen Tagen holten wir einen Mietwagen beim nahe gelegenen Flughafen ab. Anke meinte zwar, wir seien etwas früh gestartet, doch: Auf dem Weg dahin: Stau! So kamen wir geradezu auf die Minute beim Autovermieter an. Erste Taten: Besuch bei Ikea – brachte nichts, da es eine Miniaturausgabe war, bei der man überwiegend bestellen musste, da kaum etwas vorrätig war – und beim Baumarkt Leroy Merlin, der war ganz erfolgreich. Danach ab Richtung Los Gigantes. Kurz vor und oberhalb des gleichnamigen Orts gibt es einen schönen Aussichtspunkt mit Gastronomie, den Mirador Archipenque. Leider war dieser wegen Personalmangels geschlossen. Zwei Tage später, als Martin und Conni da waren, war sie dagegen geöffnet. Total unfair. Doch egal. Wir genossen die Aussicht auf die steilen Felswände und fuhren dann hinunter in den Ort. Kaffee und Kuchen am Hafen. Und immer der eindrucksvolle Ausblick auf die immensen Felswände, die eigentlichen Los Gigantes.

Am nächsten Tag ging es durch eine zunächst wenig berauschende Gegend „bergaufwärts“. Vieles entsprach meinen alten Erinnerungen an die Kanaren jenseits von Lanzarote: zersiedelte Gegend, lieblose Gebäude. Viel aufgelassene Flächen. Es braucht schon eine gewisse Höhe, um in reizvolle Gefilde zu kommen.

Ist die Umgebung nicht das Pralle, muss man die Reize im Detail suchen. Überall wachsen Opuntien. Sie waren und sind es zum Teil noch heute: Ein wichtiger Aspekt der landwirtschaftlichen Produktion. Nicht nur wegen ihrer Früchte, vor allem wegen der auf ihnen siedelnden Cochenilleschildläuse.
Los Gigantes. Unten der Ort mit dem recht schwellgeplagten, kleinen Hafen, dahinter die immensen und steilen Felswände, die dem Ort den Namen gaben und ebenfalls als Los Gigantes bekannt sind.
Als Intermezzo mal was anderes – am Abend des ersten Ausflugtages bereiten wir uns mit Sepiatinte geschwärzte Spaghetti mit einer Anchovi-Tomaten-Oliven-Sauce. Kapern, Schalotten und Knoblauch sind auch noch drin. 😊
Tag 2 – Wieder unterwegs. Ein lichter Kiefernwald. Unübersehbar die Nadelstreu auf dem Boden. Hier wächst nichts außer Kanarischen Kiefern (Pinus canariensis), und die haben den einen oder anderen Waldbrand erkennbar überstanden.

Völlig unerwartet stolpern wir über die Pino Gordo, die „Fette Kiefer“. Dieses markante Individuum einer Kanarischen Kiefer ist zwischen 700 und 800 Jahre alt, lebte also schon vor der Ankunft der Spanier auf Teneriffa. Ihr Stamm hat einen Umfang von nicht ganz neuneinhalb Metern, und mit etwas über 45 Metern Höhe ist sie einer der höchsten Bäume Teneriffas und Spaniens, vor allem aber einer der ältesten.

Hier wird der Stammdurchmesser der Pino Gordo mehr als deutlich.

Erst, wenn man einen Maßstab anlegt, Anke beispielsweise, werden die Dimensionen dieses Baumes deutlich. Wo gibt es schon ein Astloch von solchem Durchmesser?

Keine hundert Meter entfernt strebt die Pino de Las Dos Pernadas, die „Kiefer mit den zwei Beinen“ gen Himmel. Sie ist nicht ganz so dick, etwa 200 Jahre jünger, schaut auch weniger vital aus wie ihr Nachbar, aber mit 56,3 Metern Höhe gilt sie als der höchste einheimische Baum in Spanien. Der Name bezieht sich darauf, dass der Stamm sich recht früh in zwei Haupttriebe aufteilt.

Jenseits, besser oberhalb der beiden Monster-Kiefern stoßen wir auf die Wolkendecke, die sich heute an die Flanken der Insel geheftet hat …
… und dann sind wir auch schon durch, durch die Wolkendecke und haben eine fast ungehinderte Aussicht …
… auf das Ende der Kanaren und der Alten Welt. Hier sind von rechts nach links zu sehen: La Palma, Gomera und schwach am linken Horizont El Hierro! Mehr gab es nicht in den alten Tagen. Diese drei Inseln waren die letzten Außenposten, die die frühen Siedler – zu römischen Zeiten und womöglich noch etwas früher (!) – erschlossen. Nach „Wiederentdeckung“ durch Franzosen und Spanier begann für Kolumbus hinter diesen Inseln die Verheißung! Man kann sich als heutiger Mensch gar nicht in die Lage, in das Denken, in das Empfinden der damaligen Menschen hineinversetzen.
Bei Boca Tauce quert unsere Straße den steil aufragenden westlichen Rand der Caldera – links im Bild. Vor uns liegt die Las Cañadas genannte innere Ebene. Wie man sieht gibt es auch hier viel unwirtliches Land. Malpaís – Magmaebenen wie in Lanzarote.
Magma. Ein alter Gipfel. Rast. Kein Schatten. Kein Wasser. Aber eine Premiere für Martins neues Schuhwerk.
Zu unserer Überraschung hat die Natur das Thema Schuhwerk aufgenommen. Rechts hat sich ein Fels zum „Schuh der Königin“ geformt. Wie man sieht, hatten High Heels schon in grauer Vorzeit ihre Bedeutung, einer Zeit, in der der Mensch auf den Inseln noch keine Rolle spielte. Wenn man drüber nachdenkt, gab es damals noch keine Menschen, sicher aber Manitou. Das macht uns nun stutzig. Der Schuh des Manitou? Aber ein High Heel? Ja geht denn das? Da müssen wir mal Bully Herbig fragen. Der weiß sicher mehr. Vielleicht ist Manitou ja trans oder so? Dann kann er natürlich High Heels tragen.
Gibt es auf diesem Foto grüne Farbe? Genauer, ist das Gestein grünlich? Anke behauptet das. Ich – farbschwach wie mein Sehvermögen halt ist – weiß nicht so recht. Grünes Gestein?
Diese Blütenreste fallen uns irgendwo auf. Ein einziger Bult dieser Spezies sitzt neben hunderten anderer Arten. Es handelt sich um Cheirolophus canariensis. Eine auf Teneriffa endemische Art, also nur dort vorkommend, für die uns kein deutscher Name bekannt ist. Frisch blühend sind die Blütenköpfe lilafarben. Wir sind erkennbar zu spät gekommen.
Überall stoßen wir auf eindrucksvolle Formationen: Ein Ausschnitt der Los Roques de García. Hier hat sich seit unserem Besuch mit meiner Tante Maria im Jahre 2004 nicht viel verändert. Nur der Parkplatz scheint etwas größer geworden zu sein und die Örtlichkeit nennt sich jetzt Mirador de la Ruleta.
Da freut man sich unwillkürlich, dass das Ding nicht in dem Moment umfällt, an dem man dran entlang wandert. (Zugegeben, der Weg ist so geführt, dass man diesen Felsen in einem sicheren Abstand passiert.)
Llano de Ucanca, wenn ich es richtig zuordne. Was uns fasziniert, ist die eindrucksvolle Wuchsform dieser Sträucher. Wir nehmen an, dass es sich um eine Ginsterart handelt, die hier Polykormone ausbildet. Das bedeutet einfach ausgedrückt, die ursprüngliche Pflanze vermehrt sich vegetativ und bildet genetisch identische neue Pflanzen. Im Hintergrund die Wand der markanten Roques de García und dahinter der Teide mit dem klein und schüchtern wirkenden Gipfel.
Die sinkende Sonne beschert auf der Rückfahrt eindrucksvolle Lichtstimmungen – und wieder können wir den Blick auf El Hierro, Gomera und La Palma genießen.

Der Vormittag des dritten Tages und noch ein, zwei Stunden drüber hinaus sind mit Organisation – wie kommt man auf den Teide-Gipfel und in die Masca-Schlucht? – und natürlich mal wieder mit Aufgaben von der Heimatfront vergangen. Diesmal ging es vor allem um das Problemfeld Worpswede und ganz nebenbei – doch das ist eher Kür – auch noch ein klein wenig um Trans-Ocean. So kommen wir erst am frühen Nachmittag los. Noch schnell tanken – für 1,219 Euro der Liter Super 95! In Deutschland zahlt man dafür nach Auskunft von Freundin Sonja gerade schlappe 1,81 Euro, egal ob Super oder Diesel. Anschließend geht es direkt nach Vilaflor. Netter Kirchplatz mit zwei Kirchen. In einer Kirche zwei inbrünstig betende Frauen. Ein paar nette Gebäude mit hübschen hölzernen Balkonen oder Erkern.

Vilaflor. Der Platz zwischen dem Klosterheiligtum des Hermano Pedro, das aus grauem Stein errichtete Gebäude im Hintergrund, der Kirche des Heiligen Pedro (nicht im Bild) und dem Haus der Familie Soler links im Bild. Die Kaufmannsfamilie Soler war maßgebende Kraft beim Bau der Kirche. Wir müssen zugeben, dass uns das Wohnhaus ausgesprochen gut gefällt und fragen uns, ob man hier nicht vielleicht investieren könnte.
Ansonsten ist Vilaflor ein schlichtes, ehrliches Örtchen.
Heute sind keine großen Wanderungen angesagt, eher leibliche Freuden auf dem Dorfplatz.
Ein Käsekuchen in lokaler Interpretation. Sehr zu empfehlen. Und sehr gehaltvoll!
Zunächst irritierten uns diese Früchte inmitten einer Art Salbeistrauch, bis wir erkannten, dass der zierliche Zweig herabgefallen war. Was wir sahen waren Früchte des Rosa Pfeffer im Originalzustand!
Blüten und Blätter des Peruanischen Pfefferbaums (Schinus molle), eine Quelle des Rosa Pfeffer. Die andere Quelle ist sein Geschwister, der Brasilianische Pfefferbaum (Schinus terebinthifolius). Alle anderen Pfeffersorten, die Klassiker gewissermaßen, stammen dagegen vom Pfefferstrauch (Piper nigrum).

Anke hat beim Frühstück (Tag 4) noch unter dem Vorabend gelitten. Wir hatten Isly’s spontan zum Essen eingeladen und es war recht spät geworden. Sie kam dann, nachdem sie etwas zwischen die Zähne geschoben hatte, schnell wieder auf den Damm. Directement Richtung Masca gedüst. Das bedeutet, ab dem Moment, an dem wir den Sattel von De Cherfe querten, folgte ein Aussichtsstop dem anderen. Mit Düsen war jetzt nichts mehr, eher spannende Fahrt, denn die Straße war kurvenreich und eng. Wie der hier verkehrende Bus – wir haben ihn gesehen, es gibt ihn tatsächlich – diese Strecke schadlos bewältigt, entzieht sich unserer Vorstellungskraft. Gut, dass wir mit einem bescheidenen VW Polo unterwegs sind.

Jenseits des Sattels oder Passes von De Cherfe.

Im Gebüsch finden wir überall dichten Flechtenbelag. Ein Zeichen, dass es hier sehr luftfeucht ist. Die Pflanzen „kämmen“ die Feuchtigkeit aus den aufsteigenden bzw. vorbeiziehenden Wolken.

Die Straße hinab nach Masca. Bis in die Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts gab es nur einen Eselspfad, der Masca mit dem Rest der Insel verband. Dann folgte eine Piste. Heute ist es eine zwar schmale, aber eben eine asphaltierte Straße. Gerne würde man sich noch mal in die alte Zeit versetzen. Nicht nur wegen der Straße. Es wäre sicher eindrucksvoll zu sehen, in welchem heute gar nicht mehr vorstellbaren Umfang die steilen Hänge bewirtschaftet wurden.
Um Illusionen vorzubeugen: Masca ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Wie man sieht, reichen die Parkplätze bei weitem nicht aus. Anm. Anke: Martin hat natürlich auf Anhieb einen Parkplatz gefunden, ein für mich schier unverständliches Phänomen. Es grenzt an Zauberei, wie das bei ihm immer klappt. Im Übrigen stellt Anke gerade fest, dass es zu regnen beginnt.
Wir flüchten in eins der wenigen Restaurants, in dem wir nach kurzer Wartezeit auch einen Tisch bekommen. Der Wirt ist unglücklich, dass die Nationalparkverwaltung die Wanderung durch die Masca-Schlucht nur an zwei Tagen in der Woche, d.h. am Wochende, gestattet. Das bedeutet für ihn ein deutliches Minus gegenüber dem potentiell möglichen Umsatz. Und am morgigen Samstag ist der Zugang auch noch untersagt, da es regnen wird.
Das untere Ende von Masca und Blick auf die angedeutete Schlucht. Der spektakuläre Teil der Schlucht bleibt uns allerdings verborgen.
Wir wandern noch ein wenig über die schmalen Wege des Ortes, um doch noch den einen oder anderen Ausblick in die Schlucht zu erhaschen. Das zweifelhafte Wetter beschert zu unserer Freude eindrucksvolle Stimmungen.
Wanderintermezzo: Eine Wildbiene labt sich in einer Röhrenblüte.

Leider ist die Schlucht von Masca nur mit Voranmeldung, also Genehmigung, und nur an zwei Tagen in der Woche begehbar. Für die Genehmigung ist ein mehrwöchiger Vorlauf erforderlich – klar, dass wir so schnell keine bekommen können! Und der Zugang ist sorgfältig verrammelt, damit niemand unbefugt auf den Pfad gelangt. Also können wir heute nur Schnuppern. Schlendern durch einen Teil des auf ein paar Grate und Hänge verstreuten Dörfchens, kehren ein, und genießen schließlich sogar eine faszinierende Abendstimmung, zumal die Wolken in das Tal hinabsinken. Es wird naß, frisch und zeitweise auch heftig böig.

Auf der Rückfahrt kommen uns überraschenderweise mehr Autos entgegen, als auf der Hinfahrt. Wollen wohl alle zum Sunset kommen. Leider fehlt bei den Entgegenkommern doch öfter eine gewisse Fahrroutine, und so haben wir einige haarsträubende Situationen zu meistern.

Wir haben das Tal verlassen. Die über die Kämme drängenden Wolken verändern Licht und Sicht.
Es wird schnatterkalt, wie man Anke durchaus ansieht.
Aber die Aussicht und die Stimmungen lassen die Kälte vergessen.

Den Abschluss dieses Blogbeitrags sollte eigentlich der Besuch des Teide bilden. Aber das Wetter hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zu viel Wind. Die Seilbahn fährt nicht. Und den Aufstieg von der Basisstation auf Schusters Rappen haben wir wohlweislich gar nicht erst begonnen, zumal auch das Refugio, die Selbstversorgerhütte oben auf dem Teide zur Zeit geschlossen ist. Doch als Segler wissen wir: Geduldiger Skipper hat immer guten Wind. Anders gesagt, es wird noch werden.

In diesem Sinne

Martin und Anke

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