Henrique

Henrique

Heinrich fuhr angeblich fast nie zur See, Peter reiste jahrelang durch die damals bekannte Welt und fuhr dabei gelegentlich zur See und Christoph fuhr geradezu exzessiv zur See, hatte allerdings nachhaltige Orientierungs- bzw. Erkenntnisprobleme. So kann man es zusammenfassen. Als Segler und damit als Seefahrer im weitesten Sinne, fühlt man sich den genannten Männern, auch als Henrique, Pedro und Christofero bekannt, in gewisser Weise verbunden, erst recht, wenn man in portugiesischen und kanarischen Gewässern kreuzt. Vorsichtshalber möchte ich bei aller Verbundenheit darauf hinweisen, dass die Seeleute jener Zeit nichts, aber auch gar nichts, mit den warmduschenden Durchschnittsweicheiseglern unserer Tage zu tun haben, wie wir es sind. Ok, ok, auch heute gibt es raue Salzbuckel und knallharte Kerle, beispielsweise Damien Seguin, ein wahrhafter Captain Hook und erster echter Einhandsegler, da etwas amputiert. Damien beendete trotz seines Handicaps in beeindruckender Manier die Vendee Globe 2021. Doch die Lebensumstände, die zu damaligen Zeiten an Bord eines Schiffes herrschten, können wir uns heute nicht ansatzweise vorstellen, geschweige denn, dass wir sie aushalten würden. Was übrigens seinerzeit auch nur wenige konnten. Der „Blutzoll“ der frühen Expeditionen war immens. Doch dazu vielleicht mal ein Beitrag in anderem Zusammenhang. Jetzt erst mal der Reihe nach.

Wir stehen auf einem Felsen irgendwo an der Steilküste der westlichen Algarve nahe des fast schon sagenumwobenen Örtchens Sagres, schauen auf das Cabo de Sao Vicente…
… und fragen uns, wie oft Prinz Henrique, also Heinrich der Seefahrer, in seinen späten Jahren – erst während dieser lebte er an der Algarve bei Sagres – an einer ähnlichen Stelle der Steilküste gestanden und auf die See geblickt haben mag. Aber wer weiß? Vielleicht war er nüchterner Pragmatiker und hat all seine Träume an einer reichlich gedeckten Tafel geträumt und Entscheidungen an irgendeinem Schreibpult getroffen?

Mit dem Erreichen von Lagos – einige Monate ist das her – waren wir in die Reichweite von Sagres gelangt und damit auch des Cabo de Sao Vicente, des südwestlichsten und des südlichsten Punktes von Portugals. Die Mär hatte uns berichtet von Prinz Heinrich dem Seefahrer und seiner Seefahrtsschule, die der Sage nach irgendwo zwischen dem Kap und Sagres gelegen haben soll. Nichts lag für uns näher, als dorthin zu fahren.

Die Gegend wurde immer karger je weiter westlich wir kamen, Bäume selten, und sie zeigten deutliche Windschur. Bei Sagres suchten wir zunächst die Küste auf, schließlich wollten wir nachempfinden, wie sich der Blick für Heinrich den Seefahrer seinerzeit dargestellt hatte. Wir landeten an einem felsengerahmten Strand mit einem Restaurant, was uns zu einer Mittagsrast verführte. Den Blick suchten wir später 😉

Die Festung von Sagres. Sie besteht im Grunde nur aus dem Gemäuer, das auf diesem Foto zu sehen ist. Damit war eine perfekt geeignete Halbinsel für potentielle Feinde blockiert und zur Festung mutiert. Und damit ist bzw. war auch eine Grundlage geschaffen, für die Geschichte von der real existierenden Seefahrtsschule. Diese Schule hat es als konkretes Objekt allerdings nie gegeben.

Nächste Station war die Festung von Sagres. Sie ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Gunst der Lage. Das Kap Sagres – nebenbei bemerkt südlicher gelegen als das Cabo de Sao Vicente – liegt auf einer exponierten Halbinsel mit rundum senkrecht abfallenden Klippen, von der Seeseite daher praktisch uneinnehmbar. Die Erbauer mussten lediglich die Landverbindung mit einem Mauerwerk versperren, und schon war die Festung entstanden. Sie beherbergt heute ein Museum, ein Kirchlein, etwas Kunst und viel Fläche und Natur. Wir durften sogar einen flüchtigen Blick auf einige in der westlich anschließenden Bucht spielende Orcas werfen. So etwas. Doch es folgte die erste Enttäuschung: Hier hat sich die Seefahrerschule nicht befunden. Zweite Enttäuschung: Es hat diese Seefahrerschule nie gegeben. Darüber scheinen sich die Historiker heute einig. Immerhin, auf dem Gelände der Festungshalbinsel befindet sich für uns heutige Zeitgenossen eine Art Museum. Und das ist die Gelegenheit, sich ein wenig mit Prinz Heinrich und dem Portugal seiner Zeit zu beschäftigen.

Gemauerte Kunst in der Festung. Anke befindet sich in dem spiralig aufgebauten, labyrinthgleichen Objekt „Voz do Mar“ von Pancho Guedes.

Die Metallplatte, die das Objekt mit wenigen Worten erklärt. Selber ein Kunstwerk.

Das Objekt besteht aus Mauern, die spiralig und in mehreren Umgängen um eine verwinkelte Felsspalte herum gebaut wurden, die eine direkte Verbindung zu den Kliffs am Meer hat. Die Umgänge führen zu einem kleinen, mittig gelegenen, kreisrunden „Raum“. Dort kann man in Abhänigkeit vom jeweiligen Tidenstand und der Bewegtheit des Meeres dessen immer wieder variierende Töne und Geräusche hören.

Voz de Mar von außen

Wir vertieften uns in Literatur, etwas Wikipedia und besuchten das erwähnte Museum. Dass der Prinz nicht zur See gefahren ist war uns schon geläufig. Was allerdings nicht ganz stimmt. Er war mehrmals mit Schiffen unterwegs, anders wären seine Beteiligungen an verschiedenen Kriegszügen gar nicht möglich gewesen. So war er als sehr junger Mann mit der Organisation des Geschwaders betraut, das sich in Porto zusammenfand und für die Eroberung von Ceuta bestimmt war. Prinz Heinrich musste als der jüngste der vier älteren Söhne des Königs daran teilnehmen und dies ging nun mal nicht ohne Anreise über See. Diese „Expedition“ fand im Jahr 1415 statt und verlief erfolgreich. Die Mauren fanden das Ergebnis dieser Attacke nicht so toll und versuchten, Ceuta wieder zu gewinnen. Daher startete 1419 eine portugiesische Hilfsexpedition, bei der auch Prinz Heinrich wieder dabei war. Natürlich ging es wieder über die See, wie hätte man auch sonst nach Marokko kommen sollen. Man kam allerdings zu spät, Ceuta hatte sich selbst verteidigen können. So kam der Prinz auf die Idee, da er ja schon mal mit einer Flotte und einem Heer unterwegs war, den Mauren das zu dieser Zeit muslimische Gibraltar zu entreißen. Dessen „Befreiung“ war zwar vertraglich gesichert eine eigentlich kastilianische Angelegenheit, doch der Prinz als Privatier musste die Diplomatie nicht so genau nehmen. Die Unternehmung scheiterte allerdings am schlechten Wetter und der König beorderte den eigenmächtigen Prinzen schnell zurück nach Portugal. Es vergingen 18 Jahre, bis 1437 Henrique erneut ein Schiff bestieg. Das Ziel war die Eroberung Tangers. Das Unternehmen endete in einem Fiasko, das man zu weiten Teilen dem Prinzen anlasten muss. Letztendlich musste er, um sein verbliebenes Heer und die Flotte (und sich) zu retten einen Deal aushandeln: Freier Abzug, wenn Ceuta wieder den Mauren übergeben würde. Sowas ging natürlich nicht adhoc sondern musste vom portugiesischen Herrscherhaus abgesegnet werden. Die Mohren verlangten eine Garantie, eine Geisel, und wer wäre besser geeignet gewesen als Prinz Heinrich. Doch der überzeugte seinen jüngsten Bruder Fernando, sich an seiner Stelle als Geisel zur Verfügung zu stellen. So kam Henrique zu seiner wahrscheinlich letzten Seefahrt und zurück nach Portugal.

Rechts auf diesem Bildauschnitt Prinz Heinrich der Seefahrer mit dem kennzeichnenden Burgunderhut. Ölgemälde des Vincent-Altars von Nuno Gonçalves, etwa um 1470. Ihm gegenüber als Heiliger Vincent der Infant Ferdinand von Avis, sein jüngster Bruder. Prinz Henrique wird fast immer mit diesem Burgunderhut dargestellt, wobei der Umfang des Tuches, das hier an seiner Rechten vom Hut herabhängt, sehr variiert. Die Ironie dabei: Unter den meisten Historikern ist man sich einig, dass der Prinz solcherart Hüte nie getragen hat. (Foto einer Reproduktion im Museum von Sagres, Ausschnitt.) Man beachte und merke sich die leicht melancholische Miene des Infanten.

Wurzeln und der Rahmen

Jenseits der geschilderten Unternehmungen reiste Heinrich der Seefahrer nur an Land, besuchte seine sich stetig mehrenden Festlands-Besitztümer, beteiligte sich – was zu seiner Zeit sehr ungewöhnlich war – persönlich an deren Verwaltung, betrieb mehr oder weniger im Hintergrund Politik und förderte nebenbei den (See-) Handel und die Seefahrt. Auch bemühte er sich eifrig um das Finden, Erkunden und Erschließen neuer Länder bzw. Inseln. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass er bei seinen politischen Aktivitäten nur wie ein treusorgender Staatsmann und Diener des Königs agierte. Vieles von dem, was er tat, erfolgte in wirtschaftlichem Eigeninteresse. Anderes unternahm er als Folge seiner religiösen Vorstellungen. Ersteres bestimmte einen Teil seiner territorial-militärischen Ambitionen, doch die floppten wie oben beschrieben überwiegend, so auch die wiederholten Versuche, sich die Kanaren oder wenigstens einige ihrer Inseln einzuverleiben. Die Versuche scheiterten am Widerstand der Kastilianer, die bereits ihre Hand über eben diesen Inseln hielten, und die sich in einer geschickten Allianz mit den dortigen französischen Siedlern – die gab es damals schon! (ab 1402 bemühte sich der normannische Baron Juan de Bethencourt um die Eroberung, Besiedlung und Erschließung der kanarischen Inseln mit französischen Siedlern, zunächst betraf dies Lanzarote, Fuerteventura, El Hierro und La Gomera) – und den einheimischen Kanaren, den Guanchen – die gab es schließlich auch! – behaupteten. Und an dem afrikanischen Kreuzzug, der Prinz Heinrich auch noch vorschwebte, wollte keiner teilnehmen. Da hatte sich offenbar schon eine Ohne-mich-Mentalität durchgesetzt. Oder auch nur pragmatischer Realismus.

Entscheidend für seine Persönlichkeitsentwicklung war sicher, dass er schon im Alter von 14 Jahren als Königssprößling Selbstständigkeit genoss und seine organisatorischen, kommunikativen und diplomatischen Fähigkeiten schulen musste. Dazu kam, dass seine Mutter, Philippa of Lancaster aus einem wohlhabenden englischem Adelsgeschlecht stammte, also angenommen werden darf, dass es einen Wissenstransfer aus einem anderen Kulturkreis gegeben hat. Dann war da noch sein Bruder Prinz Peter, nach dem unerwartet frühen Tod des ältesten der Brüder, des Thronfolgers Alfonso, der zweite in der Erbfolge, der ab 1425 für die Dauer von 10 Jahren durch die damals bekannte Welt reiste. In Venedig erhielt Pedro vom Dogen ein Exemplar des Reiseberichtes „Il Milione“ von Marco Polo und vom damaligen römisch-deutschen König und späteren Kaiser Sigismund eine Weltkarte (mapa mundi). Beides gab er an Heinrich weiter, dem diese Unterlagen bei der Planung seiner Expeditionen durchaus hilfreich gewesen sein können.

Als vierter Sohn von sieben Kindern des Königspaars war die Thronfolge für Prinz Heinrich de facto ausgeschlossen, aber da er nach dem Tod des ursprüngllichen Thronfolgers Alfonso einer der drei ältesten Söhne war, blieb er dem Thron stets dicht verbunden. So war seine Rolle geprägt durch

  • unmittelbare Nähe zum Königshaus,
  • doch mit genügend Distanz, um unabhängig zu agieren.
  • Er war in fast alle politischen und dynastischen Vorgänge involviert und erwies sich dabei als ausgleichend und diplomatisch.
  • Er war – auch wenn manches aus heutiger Sicht chaotisch erscheint – doch systematisch und erfasste die bis zu seiner Zeit noch nie so klar berücksichtigten Notwendigkeiten für ein strukturiertes Handeln bei gleichzeitiger globaler Absicherung. Das bedeutet, er sammelte und verwertete neues Wissen und neue Erkenntnisse und förderte so etwas wie system building, das heißt er wirkte mit bei der Entwicklung von Grundlagen für den Aufbau „transnationaler“ Strukturen, deren globale Bedeutung zu seiner Zeit noch gar nicht erkennbar war. [Anm.: Diese Einschätzung formulieren vor allem portugiesische Historiker. U.E. werden bei dieser Gelegenheit die antiken, besonders die gewaltigen organisatorischen und system-building-Leistungen der Römer ein wenig übersehen.] Die Absicherung erfolgte u. a. durch das Bestreben, sich päpstlicher Unterstützung zu versichern.
  • Er besaß ein ausgeprägtes Gespür für wirtschaftliche Chancen und sammelte Privilegien, wann immer es möglich war.
  • Und er war, was man heute als open minded bezeichnet, er war offen für Neues, im Gegenteil, er suchte das Neue.

Heinrich und die Seefahrt

Bereits 1416 war Prinz Heinrich zum Gouverneur von Ceuta bestimmt worden. Das bescherte ihm eine eigene Flotte von Freibeutern, die von dort aus operierte, und es waren seine Seemänner, die 1418 und 1419 Porto Santo und Madeira entdeckten. Und damit nähern wir uns dem Kern dieses Blogbeitrags.

Einer der Aspekte, die für unsereinen als heutige Segler spannend sind, ist Heinrichs Bestreben, nutzbares Wissen zusammen zu führen und praktisch anwendbar zu machen. Das seinerzeitige weltpolitische Umfeld bestand aus den italienischen Stadtstaaten und Republiken, schwergewichtigen Handelsmächten also, dem zu dieser Zeit (endgültig) untergehenden Byzanz und den maurischen Reichen, die den Mittelmeerraum und damit den gesamten Warenverkehr in den Nahen und Fernen Osten kontrollierten. Portugal befand sich geographisch in einer ziemlichen Randlage. Für Heinrich war klar, dass eine wirtschaftliche Expansion nur im erfolgreichen Kampf gegen die nordafrikanischen maurischen Mohren – was für eine Tautologie 😉 – möglich war, oder in dem Erschließen neuer Möglichkeiten längs der afrikanischen Küste. Da sich ersteres nicht realisieren ließ, verfolgte er als durchaus pragmatischer Geist stets, wenn auch nicht durchgehend mit Priorität, die Idee der Expansion ins Unbekannte, und das wie gesagt ausgesprochen methodisch. 

Heinrich der Seefahrer, Figur an der Spitze des Monuments der Entdecker am Douro-Ufer bei Lissabon. Man beachte, auch hier ist er mit dem Burgunderhut ausgestattet. Viel wichtiger allerdings: In seinen Händen hält er das Modell einer Karavelle, des Schiffstyps, dessen Entwicklung er mit geprägt hat. Aufgrund der für die damalige Zeit revolutionären Eigenschaften – wir reden von einer europäischen Perspektive – machten Karavellen viele der frühen Entdeckunsgreisen erst möglich.

Zu diesem methodischen Vorgehen gehören:

  • Die Förderung des Schiffbaus:
    Die Förderung erfolgte durch den Austausch mit flämischen Bootsbaumeistern. Die wurden teils nach Portugal geholt, teils wurden Portugiesen zwecks Ausbildung nach Flandern geschickt. Flandern gehörte damals zum Herzogtum Burgund, und wie vorteilhaft, Heinrichs einzige Schwester Isabella war zur Herzogin von Burgund geworden. Ergebnis zur Zeit des Prinzen Heinrichs war jedenfalls die Entwicklung der Karavelle, eines Schiffstyps, der mehr Ladung vertrug und über einen robusteren Rumpf verfügte als die Vorgänger, der zudem mit seinen Schratsegeln weitaus dichter an den Wind segeln konnte, als es die bis dahin üblichen Rahsegel ermöglichten. Dies erlaubte die Bewältigung von Passagen, die zuvor wegen der Windverhältnisse kaum möglich waren.
  • Förderung der Kartographie:
    Der Prinz beauftragte namhafte zeitgenössische Kartographen, die seinerzeit aktuellsten Kenntnisse zu dokumentieren. Auch schickte er seine Seeleute immer weiter die afrikanische Küste entlang, diese zu erforschen. Die ersten Versuche die Küste bis zum Kap Bojador, das damals als Ende der Welt galt, zu erforschen und zu runden, fanden 1422 und 1423 statt. Mit den damaligen zwar flach gehenden, jedoch rahgetakelten Schiffen war das schwierig zu bewerkstelligen. Dazu war eine enorme psychologischen Hürde zu meistern, an der zunächst alle Versuche scheiterten.
  • Förderung der Navigation:
    Heinrich ließ die Beobachtungen der Seeleute zu Windverhältnissen und Strömungen auf ihren Reisen aufzeichnen und zentral auswerten. Auch ließ er Sagres ein Observatorium errichten, um genauere Tafeln zur Bestimmung von Sonnenhöhen zu erstellen. Maßgeblich für die Ortsbestimmung seiner Seeleute war nach den Quellen jedoch in erster Linie die Höhenbestimmung des Polarsterns mit dem Astrolab. Manche Quellen erwähnen schon die Verwendung von Quadranten, doch die ist für diese Zeit u. W. noch nicht belegt.
  • Mit der Einrichtung erster befestigter Stützpunkte, Forts, gab der Prinz das Muster vor, mit dem seine Nachfahren in kürzester Zeit eine nahezu schon globale Handels- und Kommunikationsstruktur errichteten. Erste wichtige Station war Arguim im heutigen südlichen Marokko. 1443 war der Golf von Arguim von Nuno Tristao erreicht, 1444 wurde eine private Expedition von sechs Caravellen dorthin unternommen und Prinz Heinrich gründete eine Handelsgesellschaft, die Lagos Kompanie, für den Handel mit der Gegend rings um Arguim. 1449 folgte eine Expedition zur Errichtung eines Forts und 1455 wurde Arguim eine Art offizieller portugiesischer Handelsposten.
  • Das 1418 entdeckte Madeira wurde ab 1425 besiedelt und diente als Blaupause, andere Autoren schreiben als Labor, für die Kolonisierung, die bis dahin von europäischen Mächten noch gar nicht betrieben wurde. Dabei zeigte die Erschließung Madeiras sehr schnell, dass die wirtschaftlichen Monopole der italienischen Stadtstaaten und der Araber schlagartig ihre Bedeutung verloren. 1452 wurde auf Madeira die erste Zuckermühle errichtet und bereits 1456 begann Madeira mit dem Zuckerexport nach Bristol, England!
Eine riesige Windrose auf dem Festungsgelände bei Sagres unmittelbar hinter der Festungsmauer. Sie wurde 1919 entdeckt und hat natürlich die Phantasie der Gelehrten angeregt. Tatsache ist, man weiß nicht, wann sie angelegt wurde und welchem Zweck sie diente.
Einfache, einmastige und rahgetakelte Barke. Abgebildet auf einem Relief zusammen mit dem Wappen von Lissabon. Stein des ehemaliger Arroios-Brunnens. Unbekannter Künstler, etwa 1360. (Foto einer Abbildung im Museum de Sagres, das Original des Steins befindet sich im Museu de Lisboa.) Nicht viel anders darf man sich die Barke des Gil Eanes vorstellen, mit der dieser Kap Bojador bezwang und vor allem die seglerisch sehr viel anspruchsvollere Rückfahrt bewältigte.
Modell einer Karavelle im Festungsmuseum. Der Unterschied zu den früheren Schiffen ist eklatant: Drei statt eines oder gegebenenfalls zweier Masten, Lateinersegel (Schratsegel) statt der Rahsegel. Damit waren wesentlich bessere Segeleigenschaften verbunden, man konnte mit einem bedeutend höheren Winkel „an den Wind“ gehen. Das machte die Rückreise gegen die an der afrikanischen Küste vorherrschenden Passatwinde erheblich einfacher. (Man lernte aufgrund der methodischen Vorgehensweise zu Heinrichs Zeiten recht schnell, den ungünstigen Winden mit einem großen Bogen über den Atlantik auszuweichen und diese für sich zu nutzen.)

Das Verdienst Heinrichs war, mit einem systematischen, geradezu wissenschaftlich anmutenden Ansatz vorzugehen. Es blieb jedoch zunächst das psychologische Problem, Kap Bojador zu umschiffen. Die Menschen dieserZeit waren überzeugt, dass die Welt jenseits des Kaps für sie tödlich sein müsse. Es war das besondere Verdienst von Gil Eanes, einem der Seefahrer Heinrichs, dieses Kap im Jahr 1434 umschifft zu haben. Im Folgejahr gelangte Gil noch 50 Leguas darüber hinaus. Das damals gebräuchliche Maß der portugiesischen Legua ließ sich nicht sicher ermitteln, wir vermuten eine Legua entsprach etwas mehr als 6 km. Der gute Gil war etwa 300 km bzw. etwas über 160 heutige Seemeilen drüber hinausgekommen. Das passt ganz gut zu der heute allgemein anerkannten Ansicht, Gil sei etwa die halbe Strecke bis zu den Kapverden bzw. an der afrikanischen Küste bis zum heutigen Ad-Dhakla gelangt. Die eigentliche Herausforderung für ihn bestand darin, gegen die vorherrschenden Winde zurückzusegeln. Die besser geeignete, da bedeutend höher am Wind segelnde Karavelle wurde erst 1440 für die Expeditionen eingeführt.

Die Karte macht deutlich, dass die portugiesischen Seefahrer das Problem hatten, je weiter südlich sie kamen, desto schwieriger war es, gegen den in den südlicheren Breiten vorherrschenden Nord-Ost-Passat bei küstennaher Rückfahrt anzukommen. Der kleine „Kringel“ beschreibt die üblichen Routen vor Rundung des Kap Bojador und die des Gil Eanes unmittelbar nach der ersten Bewältigung des Kaps. Eines der Verdienste von Heinrich dem Seefahrer war, dass er die navigatorischen und schiffbaulichen Voraussetzungen schuf, von südlicher gelegenen Orten mit Hilfe einer langen Passage auf See und über die Azoren nach Portugal zurückzukehren. Die Karte zeigt, wie die damaligen Seefahrer sich die neuen Erkenntnisse von Wind und Strömungen zu Nutze machten. (Quelle der Karte: https://en.wikipedia.org/wiki/Volta_do_mar#/media/File:VoltaDoMar.jpg)

Die afrikanische Expansion

Die Expeditionen entlang der afrikanischen Westküste erfolgten unregelmäßig und sprunghaft. Auch muss der Fairnis halber gesagt werden, dass nur ein Viertel der portugiesischen Aktivitäten an der Küste auf den Prinzen zurück ging. Der Rest wurde von den verschiedensten Kaufleuten und Seefahrern organisiert, vgl. oben.

Gil Eanes auf einer portugiesischen Briefmarke. Ein Portrait von ihm befindet sich auch auf dem Monument der Entdecker bei Lissabon und eine komplette Statue in Lagos. Es ist leider anzunehmen, dass niemand weiß, wie Gil, den ich wegen seines Namens fälschlich immer für einen Engländer gehalten habe, tatsächlich aussah. Seine Spuren verlieren sich irgendwo im Nirgendwo. Interessant ist auch bei ihm der Hut, der so etwas wie sein Markenzeichen ist, ähnlich wie der Burgunderhut des Prinzen. Ob Gil den seinigen, zumindest den oft abgebildeten, je getragen hat, werden wir wohl nie erfahren.

Das Schiffchen des Gil Eanes nach einer anderen portugiesischen Briefmarke. Hier hat ihm der Künstler (Sousa Machado) sogar zwei Masten zugestanden. Wahrscheinlicher ist jedoch eine einmastike Barke, wie auf dem Steinfries oben dargestellt.

1449 wurde eine Expedition zur Begründung der Festung von Arguim auf einer Insel im Golf von Arguim im heutigen Mauretanien unternommen, die sich in der Folge als einer der wichtigsten Brückenköpfe für den neu sich entwickelnden Atlantikhandel erwies. Hier wurde noch zu Lebzeiten des Prinzen Heinrich, ab 1455, ein steinernes Fort errichtet, um den Handelsposten zu sichern. Und annähernd in dessen Dunstkreis enden die Fortschritte zu Lebzeiten Henriques. Am Rande sei erwähnt, dass es ausgerechnet hier auch ein brandenburgisches Intermezzo gab. Nach einem Handstreich durch die brandenburgische Fregatte Rother Löwe gegen Ende 1685 gab es hier für einige Jahre eine brandenburgische Kolonie, die sich allerdings 1721 niederländischen Kräften beugen musste.

Der Handel an der afrikanischen Küste erfolgte zunächst nicht so, wie wir uns heute Handel vorstellen. Man handelte, klar, doch überfiel man auch hin und wieder die Küstenorte, räuberte und versklavte hier und da ein paar Menschen derer man habhaft wurde, sofern sie sich als Sklaven eigneten. Das war im gesamten Mittelmeerraum seinerzeit keineswegs eine einseitige Sache, wie man denken könnte. Die Mauren ließen sich nicht lumpen und verfolgten die gleiche Praxis. Es war also kein Geben und Nehmen, sondern eher ein gegenseitiges Nehmen und notgedrungenes Überlassen. Außerdem war diese Praxis vom Glauben her legitimiert, auf beiden Seiten selbstredend. Der erste „offiziell“ in Afrika im Rahmen der portugiesischen Expansion versklavte Mensch wird auf das Jahr 1440 datiert, ein Opfer von Alfonso Guterres. Relativ schnell wurde zwischen Portugiesen und Mauren erkannt, dass es schlauer war, sich zumindest an der Küste nicht gegenseitig zu überfallen oder gar zu massakrieren, sondern miteinander zum gegenseitigen Vorteil zu handeln. Dies mündete bereits zwei Jahre später in einem ersten förmlichen Handel zwischen Muslimen und Portugiesen. Natürlich ging es immer noch um Sklaven, aber die beschafften nun die Mauren im Landesinnern oder weiter südlich und die Portugiesen nahmen die Ware ab. Prinz Heinrich war in diesem „Geschäft“ durchaus maßgeblich involviert und erfreut sich des fragwürdigen Ruhms, den ersten öffentlichen Sklavenmarkt in Lagos organisiert zu haben. Zur Ehrenrettung darf man erwähnen, dass die ursprünglichen Begehrlichkeiten sicher im Guinea-Gold lagen, das man schon lange über Karawanenhandel bezog. Aber in jenen Zeiten war man nicht zimperlich und so etwas wie Menschenrechte galt meistens nur für eigene Glaubensgenossen.  

Animationen im Museum der Festung Sagres: Schrecken der Meere – Ängste der Seefahrer (Montage aus Einzelaufnahmen der Videopräsentation im Museum)

1433, 1434 und danach

1434 hatte Gil Eanes den Portugiesen und in der Folge ganz Europa das Tor zur Welt aufgestoßen. Leicht absurd erscheint das, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im gleichen Zeitraum, in dem die Portugiesen ihre ersten tastenden bis mutigen Schritte in eine wahrhaft globale Welt unternahmen, sich auf fast genau der anderen Seite der Weltkugel General Zheng He auf den Weg machte, die pazifische Welt und mehr zu entdecken. Die erste seiner Reisen begann 1405 und brachte ihn in den Indischen Ozean bis nach Calicut. Die letzte führte ins Rote Meer und bis nach Mogadishu. Danach wurden zumindest die kaiserlich geförderten, großen Seereisen Chinas endgültig eingestellt. Zwischen dem Kap Bojador und Mogadishu war zwar noch eine lange Strecke verblieben, andererseits ist es spannend, sich auszumalen, wie sich die Welt entwickelt hätte, wenn sich die chinesischen Kaiser anders entschieden hätten. Und von Mogadischu aus (s.u.) war es ein in der Region bekannter Weg nach Calicut!

Doch das ist Spekulation. Unterstützt und gefördert von Heinrich dem Seefahrer hatte nun Gil mit seiner Mannschaft einen Schritt gemacht, der mindestens mit dem von Neil Armstrong verglichen werden kann. Mindestens. Als Prinz Heinrich 1460 verstarb, hatten die Portugiesen die fünf östlichen Inseln der Kapverden erreicht und standen auf der Höhe von Sierra Leone. 28 Jahre später rundet Bartolomeu Dias das Kap der Guten Hoffnung. Der Seeweg nach Mogadischu musste noch zurückgelegt werden. Jenseits Mogadischus existieren lebhafte Handelsverbindungen zwischen Afrika, dem Roten Meer, Vorderasien, Indien und China bis hin nach Japan. (Den Europäern teilweise vom Hörensagen bereits bekannt.)

32 Jahre später bricht dieser Christofero auf, die Welt aus europäischer Sicht endgültig über den Haufen zu werfen und neu zu formen. Die sich ihm gedanklich aufdrängende Kugel ist zu klein, lässt ihm keinen Raum für die Erkenntnis dessen, was er wirklich gefunden hat. Und in Portugal ist König Johann II. wenig später recht unglücklich, da er diesem Genueser Seemann nicht entgegenkommender begegnet ist. Übrigens gibt es portugiesische Autoren, die behaupten, am Hofe des damaligen Herrschers Johann II. habe man Columbus´ Denkfehler erkannt und man habe ihn aus diesem Grund nicht unterstützt. Und bei nicht wenigen der portugiesischen Quellen schwingt ein leichtes Bedauern mit, dass es da mal eine Zeit gab, in der man aus einem Aschenputteldasein am Rande Europas wie ein leuchtender Stern wahrhaft global in das Bewusstsein der Welt emporschoss und nun, heute, wieder ein wenig Aschenputtel ist.

Replika eines Padrão. Mit solchen Steinstelen kennzeichneten die portugiesischen Seefahrer neu erreichte Territorien, quasi ein in Stein gemeißelter Beweis. Das Wappen auf dem Padrão ist übrigens das des Prinzen Heinrich. Im Hintergrund die Festungsmauer von Sagres mit dem zentralen Torgebäude von der Festungsseite her gesehen.
Im Europa des 15. Jahrhunderts bestanden nur ganz bescheidene Kenntnisse über die Verhältnisse im Mittleren und Fernen Osten. Dass es dort bereits ausgeprägte Handelsbeziehungen gab, und dass zwischen den Küstenreichen des Indik und des Pazifik ein reger, gut entwickelter Austausch herrschte, konnte nur geahnt werden. Nach Rundung des Kap der Guten Hoffnung, spätestens mit dem Erreichen von Mogadischu, war der Schritt getan, mit dem sich Portugal und sehr schnell das ganze Europa – und war es noch so aufgeteilt in einzelne Reiche – in diesen Handelsverkehr einklinkten. Die „Karte“ oben stammt aus dem besagten Museum und zeigt eine Handelsszene an der japanischen Küste. Auch wenn damals noch kaum ein Europäer nach Japan gelang, japanische Waren erreichten Europa. Übrigens ganz verstohlen rechts an der Seite Martin Behaims Globus, die erste bekannte Darstellung der Welt als Globus, die sein Schöpfer interessanterweise als Apfel bezeichnete. (Da assoziiert man doch gleich den heute so bekannten Apple aus dem Silikon Valley.)

Wir verlassen von Informationen erschlagen die Festung und Sagres, genießen noch einmal die Aussicht vom Cabo Sao de Vicente und kehren zu angenehmen Genüssen nach Lagos zurück. Auch zu Lagos ließe sich so viel sagen, war es doch der Ort, an dem ein großer Teil von Heinrichs Flotten entstanden, aber jetzt ist gut.

Blick auf das Cabo de Sao Vicente. Dahinter folgt dann nur noch Atlantik.
Es geht gar nicht anders: Wir müssen das Kap und seinen Leuchtturm besuchen. Das ist übrigens ein nettes Ziel, denn der Ort hat schon ein eigentümliches Flair. Auch befindet sich hier ein kleines Café / Restaurant, was den Aufenthalt durchaus angenehm macht.
Und die schrecklichen Meeresungeheuer sind nur nette Produkte künstlerischer Fantasie und handwerklicher Fertigkeiten.
Wieder zurück suchen wir auf Empfehlung von Alexander, dem Eigner der Oceanica I, den Japaner an der Marina von Lagos auf. Sehr lohnend! Man sieht, der Austausch mit dem Fernsten Osten findet auch mehrere hundert Jahre nach den alten Portugiesen ungebrochen statt, und wir sind ausgeprägte Freunde der kulinarischen Austauschvariante.
Andererseits wollen wir die andere Seite der Geschichte nicht zu kurz kommen lassen. Uns mundet auch der kulinarische Austausch mit den Nachfahren der einstigen mächtigen Stadtstaaten am italienischen Stiefel. Steinpilzgefüllte Teigtaschen mit geröstetem Knoblauch in Olivenöl.

Fast zum Abschluss noch ein Bild vom Straßenrand. Ohne jeden Bezug zum Inhalt des Beitrags, einfach weil wir es so faszinierend finden.

Voller Informationen und Eindrücke, gesättigt, entspannt
und weit von jeder Gefahr durch Meeresungeheuer, entflammende Seen
oder nicht endende Wasserfälle an der Kante, an dem Ende der bewohnbaren Welt
grüßen Euch

Martin und Anke


PS:
Da war noch was.

Ein anderes Bild von Prinz Fernando von Avis. Ebenfalls Nuno Gonçalves zugeschrieben. Hier ist er eher als Krieger dargestellt, als der er in sein Schicksal zog. Seine auch auf diesem Bild leicht melancholische Miene zeigt erneut und vorwegnehmend den Ausdruck des Leidens, das ihm bevorstand.

Ferdinand war ja 1437 mit seinem Bruder Heinrich nach Tanger gezogen und im Rahmen des damaligen Fiaskos als Geisel zurück geblieben. Sicher in dem Glauben, innerhalb weniger Monate im Rahmen der Übergabe Ceutas ausgelöst zu werden. In Portugal zeigte sich allerdings, dass wenig Interesse bestand, Ceuta aufzugeben. Die Stadt hatte sich in kürzester Zeit zu einem eminent wichtigen wirtschaftlichen Dreh- und Angelpunkt entwickelt. Und das nicht nur für die portugiesischen und besonders Lissaboner Kaufleute. Auch die anderen Mittelmeermächte profitierten von Ceuta. So zog sich der Austausch hin. Schließlich sprach der Interimsherrscher Pedro (Bruder von Heinrich und während der Minderjährigkeit des eigentlichen Thronfolgers, seines Enkels Alfonso, also die Person, die faktisch Portugal regierte) ein Machtwort und schickte eine Flotte nach Ceuta, die die Übergabe der Stadt bewerkstelligen sollte. Doch die Flotte kam nie in Ceuta an. Sie wurde von einer venetianischen Flotte angegriffen und an ihrer Mission gehindert. Interessanterweise der einzige Waffengang Venedigs gegen Portugal in der gesamten Geschichte. Gerüchte, aber auch einschlägige Historiker, beispielsweise João Paulo Olivera de Costa, wollen nicht ausschließen, dass diesem Angriff ein übernationales Komplott zu runde lag, und sie schließen keinesfalls eine Mitwirkung Heinrichs aus. Der war dagegen eifrig bemüht, sein eigenes Versagen und seine unrühmliche Rolle in der gesamten Angelegenheit zu vernebeln und hinter der religiösen Verklärung des Opfers seines jüngsten Bruders, der zum Märtyrer stilisiert wurde, zu verstecken. Sechs Jahre nach Beginn seiner Geiselhaft verstarb Fernando. Fazit: Man lebte seinerzeit auch als Königssohn alles andere als in gesicherten Verhältnissen.

Ein Gedanke zu „Henrique

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