Wandern auf Madeira

Wandern auf Madeira

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Die Passage von Porto Santo nach Madeira war ausgesprochen angenehm. Der Wind kam zwar raum ein, doch aus einem Winkel, der es uns gerade noch ermöglichte, mit dem Gennaker, Groß und Besan zu segeln. Den Parasailor hätten wir alternativ setzen können, doch wir scheuten den Aufwand.

So kamen wir vielleicht etwas langsamer, dafür aber entspannt voran. Der Himmel war blau und mit ein paar Wölkchen getupft, das Wasser von der unbeschreiblichen, gläsern erscheinenden blauen Farbe, die es auf Hoher See in den südlicheren Breiten gewöhnlich hat, der Wind war angenehm, nicht zu viel, nicht zu wenig, und die Wellen kaum zu spüren. Es war in etwa so, wie man sich das Blauwassersegeln erträumt.

Kurz vor Erreichen des Inselsockels von Madeira, der Meeresboden steigt hier auf kürzester Distanz von über 4.000 Metern auf 100 Meter und weniger an, tauschten wir den Gennaker gegen die Genua. Kein Fehler, denn wenig später wurde es ruppig. Wind, doch vor allem die vom Unterwasserrelief aufgeworfenen Strömungen, ließen eine leicht konfuse See entstehen. Wir steuerten sogar eine knappe Stunde von Hand. Da ist die Genua im Bedarfsfall handlicher. Wir wollten vergleichsweise dicht an der äußersten Inselspitze herum, um ein paar schöne Blicke zu erhaschen, doch daraus wurde nichts. Die Angel ratschte los. Ein fetter Fisch hing am Hakem und riss die Leine förmlich von der Trommel. Martin hatte seine liebe Mühe, den Zug zu bremsen. Anke reduzierte derweil die Geschwindigkeit, in dem sie Segel reffte. Doch alles umsonst, nach endloser Kurbelei hakte der Fisch ab und wir bekamen lediglich den Köder zurück.

Blauer Himmel, blaues Wasser, freundlicher Wind. Porto Santo liegt achteraus – es geht nach Madeira.

Blick nach oben. Statt der 75 Quadratmeter großen Genua (aufgerollt), zieht uns der rund 100 qm messende Gennaker. Im Grunde noch ein wenig zu klein für unsere Mago bemessen. Der Gennaker ist das letzte Segel, das aus dem Ursprungsbestand des Bootes verblieben ist. Er zeigt daher auch noch stolz das originale Segelzeichen.

Soeben sind wir um das östliche Ende von Madeira gegangen. Die andeutungsweise sichtbaren kleinen Wellenkämme zeigen, dass es hier etwas holperiger war.
Der nächste Morgen verblüfft. Wolken, es nieselt, ab und zu regnet es sogar.
Als am Nachmittag die Sonne durchkommt, zeigt sich anhand der vielen Farben, Madeira ist geologisch ebenso interessant wie Porto Santo, und außerdem ist es ja als Blumeninsel bekannt. Die Felswand, an die sich die Marina Quinta do Lorde schmiegt, ist erkennbar vulkanischen Ursprungs. Und eine so schön blühende Agave haben wir auch noch nicht angetroffen.

In der Marina fand sich dann die TO-Bergsportgruppe endgültig zusammen, bestehend aus den Crews der Hein Mück, Rosy Jane, Mago del Sur unter der unerschrockenen Führung von Thomas und Christine (Noe).

Abendliches Briefing der TO-Bergsportgruppe. Briefings sind bei dieser Sportart sehr anstrengend, daher gibt es auch etwas zu essen. Rechts außen den Teller auf der Hand balancierend der 1. Vorsitzende Thomas, links neben ihm (Rückenansicht) die 1. Vorsitzende Christine, der Rest ist Fußvolk. (Anm. Vorsitz und Fußvolk sind genderparitätisch korrekt besetzt)

So ging es bereits am zweiten Tag nach der Ankunft auf der Vereda de Ponta de São Lourenço ans äußerste Ende der Insel, durch eine Landschaft, die anders als der Rest Madeiras recht trocken und karg ist und sogar einen klitzekleinen und daher um so belebteren Strand bietet. Unseren Bergführern war die Wanderung natürlich zu wenig fordernd, daher bewanderten sie gleich noch einen neben der Strecke liegenden Gipfel. Am nächsten Tag ruhte sich die Truppe aus, bis auf Thomas und Christine, die mal eben mit Leinen und Geschirr beschwert zum Klettern gingen, zur Auflockerung gewissermaßen.

Auf der Vereda de Ponta de São Lourenço
Für eine erste Wanderung ist diese Wahl gut gelungen. Sie führt an steilen Kliffs vorbei an den östlichsten Punkt Madeiras, dem man den Namen der Karavelle des João Gonçalves Zarco gab, einem der drei Entdecker der Inselgruppe. Sie ist hin und zurück 8 km lang, überwindet insgesamt, also rauf und runter, etwa 860 Höhenmeter. Beides kann man noch steigern, wenn man von der Marina aus startet 😉 (das bedeutet ein Plus von 4 Strecken-km und knapp 150 zusätzliche Höhenmeter).
Thomas, der 1. Vorsitzende der Bersportgruppe des TO (rechts) im Gespräch mit Martin (Foto: Rolf Kronen)
Die TO-Bergsportgruppe am Miradouro des Ponta do Furado, Rolf, Brigitte, Ruth, Christine, Anke, Hans, Thomas, Martin. Schaut man genau hin, zeigt Thomas ein T, ich ein O und Anke ein Herz. Man könnte das glatt mit „We love TO“ übersetzen.
Auf dem Rückweg werfen wir noch einen schnellen Blick in die Baia d´Abra, einen der wenigen guten Ankerbuchten auf Madeira und ein Katzensprung von unserer Marina entfernt.

Madeira wird geprägt von etwa 2.150 Kilometer Bewässerungskanälen – die Angaben schwanken ja nach Quelle und Lesart beträchtlich – die die Menschen über Jahrhunderte in mühevoller Arbeit an den Berghängen geschaffen haben. Teilweise an senkrechten Wänden in den Fels gehauen. An vielen dieser sogenannten Levadas kann man heute entlang wandern. Da die Kanäle ein gleichbleibendes Gefälle erfordern, sind die Wanderungen hinsichtlich der zu bewältigenden Höhendifferenzen angenehm zu begehen, allerdings sind die Passagen teilweise arg schmal und erfordern eine gewisse Trittsicherheit und Schwindelfreiheit bzw. man sollte keine Höhenangst haben.

Angeführt von Thomas und Christine – für uns Schneckenwanderer meist nach wenigen Minuten außer Sichtweite – sind wir in den nächsten Tagen mehreren dieser Levadas gefolgt:

  • Levada do Castelejo
  • Levada do Rei
  • Levada do Caldeirão Verde

Man muss zugeben, wir konnten auch nicht verloren gehen. Einmal auf dem rechten Pfad, der der Levada folgt, gibt es nur selten Abzweigungen.  Gelegentlich gibt es allerdings auch kein Ausweichen mehr, was die Begegnung mit Wanderern aus der Gegenrichtung hier und da pikant macht, besonders wenn man sich gegen eine Metallstrebe lehnt, die sich bereits aus dem Betonfundament gelöst hat (Anke), oder wenn man mit dem Kopfe gegen einen Ast stößt und daraufhin strauchelt und abrutscht (glücklicherweise ohne Folgen einem Wandergruppenmitglied geschehen) oder wenn der Boden unter einem nachgibt, wie es einem voraus laufenden Wanderer erging. Er blieb glücklicherweise in Brombeergestrüpp hängen. Das war zwar eine leicht blutige und ziemlich stachlige Angelegenheit, aber besser als freier Fall.

Levada do Castelejo

Bereits auf der Anfahrt zur Wanderung an der Levada do Castelejo verspricht die Landschaft einiges!
Typische Levada – in diesem Fall Levada do Castelejo. Levadas sind Bewässerungskanäle, heute meist in Beton gefasst, früher mühsam aus dem Fels gehauen oder hier und da auch gemauert und gemörtelt (nehmen wir an). An einer Seite geht´s oft steil den Berg hinauf, an der anderen ebenso steil abwärts. Die Ursprünge der Levadas gehen bereits auf die frühe Besiedlung im 15. Jahrhundert zurück. Die jüngste Levada wurde in den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts erstellt.
Eine der ganz harmlosen Stellen der Wanderung. Anke und ich hängen natürlich hintendran, da wir ständig rgendwo nach irgendwas gucken müssen (Pflanzen, Tiere …) (Foto: Christine Bogdain)
Levada do Castelejo. Hin und zurück: 9,8 km und rund 400 Höhenmeter. Es ist bedeckt und häufig sehr schummerig. Wird der Pfad sehr eng – und so ein Pfad kann sehr, sehr eng werden – hat man mit einem einfachen „Geländer“ für eine gewisse Sicherheit gesorgt.
Auf der Wanderung zeigt sich, dass Madeira den Titel einer Blumeninsel zu Recht trägt. Obwohl der Frühling längst vorbei ist, treffen wir überall die verschiedensten Blüten an.

Anke meint, dass es sich bei diese Blüte um eine Minzenart handelt.

Da wir botanisch immer wieder ins Straucheln kommen, hoffen wir, dass Du, lieber Jesú ab und zu auf unsere Homepage schaust. Sei doch so nett und gib uns die nötigen Hinweise zu den jeweiligen Arten. Uns würde das sehr freuen. (Wenn sich jetzt jemand wundert, Jesú ist ein phänomenaler Botaniker und Freund aus den Zeiten meiner Berufstätigkeit.)

Ein anderes Kaliber stellen die Baumfarne dar. Wir stoßen auf eine ganze Reihe dieser Exemplare und fragen uns, ob sie eingeführt worden sind.

Hier wird es bei genauem Hinsehen schon deutlich, dass es links und rechts der Levada und des Pfades auch mal senkrecht hoch und auch runter gehen kann.

Ausnahmsweise ist die Truppe dicht beianander. Hans, Brigitte, Rolf …

Man muss etwas genauer hinsehen, um die Wanderer vor der Wand zu erkennen.

Am Ziel, der gefassten „Quelle“ der Levada, gibt es eine kleine Hängebrücke, hinter der sich der Wanderweg fortsetzt. Wir posieren hier gerne, und offenbar hat in diesem Moment niemand darüber nachgedacht, dass so eine filigrane Brücke vielleicht nur eine begrenzte Traglast besitzt.
Auf dem Weg zurück zeigt sich Madeira erneut von seiner geheimnisvollen Seite.

Levada do Rei

Moderne Zeiten. Heute erleichtern zahllose Tunnel den Verkehr zwischen den Teilen Madeiras. Wir sind auf dem Weg zu einer weiteren Levada-Wanderung.
Die Levada do Rei führt durch drei verschiedene Formen des heimischen Waldes und zeigt uns besonders viele Farne und eine Fülle gerade blühender Pflanzen.
Agapanthus (Agapanthus praecox), hier mit weißer Blüte, öfter ist diese blau, begleitet häufig die tieferen Lagen der Levadas. Die Art ist ein Neophyt, ist in Madeira also nicht heimisch. Sie wurde meist von den Arbeitern an den Levadas gepflanzt.
Blüte einer Montbretie, wir nehmen an eine Gold-Montbretie (Crocosmia aurea), die in zwei Unterarten auf dem afrikanischen Kontinent vorkommt. Wir vermuten, sie wurde ebenfalls nach Madeira eingeführt. Wir treffen auf orangerot und gelb blühende Unterarten.
Eine weitere häufig und in verschiedenen Varianten anzutreffende Art: die Hortensie (Hydrangea spec.)
Überrschend zutraulich begegnet uns immer wieder der Madeira-Buchfink (Fringilla coelebs maderensis) eine Unterart des bei uns heimischen Buchfinks. (Foto: Christine Bogdain)

Gelegentlich ist die Levada mehr oder weniger seitlich in den senkrechten Fels hineingetrieben. Da gibt es dann keinen Platz für einen begleitenden Pfad. Man läuft über Platten, die den Kanal abdecken.

Die Levada do Rei ist hin und zurück: 10,2 km und verlangt nur knappe 360 Höhenmeter (rauf und runter zusammengefaßt).

Mal hängen die Felswände über, wie man im vorhergehenden Bild ahnen kann, mal das Wurzelwerk der über einem sich festklammernden Bäume und Sträucher. Wenn Anke hier lange genug stehen bleibt oder kräftig zieht, könnte da was von oben kommen.

Auf dem Rückweg öffnet sich die Wolkendecke und wir bekommen doch noch etwas Sonne ab.
Gegen Ende der Wanderung stoßen wir auf verbliebene Reste der traditionellen Landbewirtschaftung.

Levada do Caldeirão Verde

Unsere Führer vermitteln uns, dass wir auf dem ersten Teil dieser Levada-Wanderung Forstflächen queren. Das bezweifeln wir nicht, und die Bäume vermitteln den Eindruck, dass sie genauso alt sind, wie die Levada, die als Beispiel der Ingenieurskunst des 18. Jahrhunderts gilt. Die ganz frühen Levadas wurden u.a. von Mauren geschaffen, die viel Erfahrung mit dem Bau von Bewässerungskanälen hatten. Das erfolgte allerdings selten freiwillig, sondern es handelte sich sehr häufig um Sklavenarbeit.

Anke demonstriert hier die Dimension der Bäume.

Die Levada do Caldeirão Verde bedeutet hin und zurück 13,0 km und bescheidene 180 Höhenmeter.
Zwei- oder dreimal wird die Levada über eine Brücke geführt.
Die eigentliche Besonderheit der Levada do Caldeirão Verde sind jedoch die vier Tunnel, die man durchschreiten muß. Aufgrund der Länge der Tunnel haben wir uns mit passendem Leuchtgerät gewappnet. Hier Hans, Anke und Brigitte.
Im Tunnel

Der längste Tunnel besitzt zwei seitliche Durchbrüche, durch die man in die benachbarte Schlucht blicken kann.

Licht am Ende des Tunnels. Und wo Licht eindringt, da entwickelt sich die Vegetation.
Wir nähern uns dem Endpunkt der Wanderung: Eine Landschaft, die an alte Bond-Filmkulissen erinnert, die damals allerdings in Thailand lagen.

Ein angeblich 100 m in die Tiefe stürzender Wasserfall (wir möchten doch Zweifel bezüglich dieser Angabe anmelden) und eine Art Quellteich im „Grünen Kessel“ (Caldeirão Verde). Bereits bei der ersten Levada-Wanderung wäre Martin gerne in den Quellteich gejumpt, hat sich aber mangels Badehose und wegen der vielen anwesenden Mitwanderer zusammengerissen, dies im Adamskostüm zu machen.

Diesmal ist eine Badehose im Rucksack, und angefeuert von der TO-Bergsportgruppe erfolgt das reichlich kühle Bad.
Auf dem Rückweg setzt sich vorübergehend blauer Himmel durch. Und dieser Moment zeigt anschaulich, dass die Levada streckenweise regelrecht aus dem Fels herausgearbeitet worden ist. Es ist schon unglaublich, was die Menschen früher geleistet haben.
Vielleicht das Foto, auf dem am besten zu erkennen ist, wie steil es neben dem Pfad in den Abgrund geht. Es sieht fast so aus, als wandere Ruth lieber in dem Kanal als auf dem gemauerten Rand. (Foto: Christine Bogdain)

***

Zwischendurch gab es natürlich auch erste Pausentage, die in der Regel mit Bootsarbeiten angereichert werden. Bei uns

  • Wassermachertest (Ergebnis:  wir brauchen neue Membranen, die eben erst in Almerimar getauschten waren wohl schon überlagert),
  • finales Einrichten der Amateurfunke (fast schon ganz erfolgreich),
  • Bekämpfung einer Rüsselkäferinvasion
  • und natürlich Wäsche waschen, Abwaschen, Putzen …

Wir sind jetzt davon ausgegangen, dass kein großes Interesse daran besteht, Bilder unserer Alltagsarbeit zu sehen, daher gibt es im Beitrag nur „schöne“ Bilder. Wie in fast jedem neuen Blogbeitrag weisen wir an dieser Stelle auf die Abo-Funktion hin: Wer in Zukunft keinen Beitrag mehr verpassen will, der hat die Möglichkeit unseren Blog abonnieren, und das geht einfach über die Seite Kontakte, oder indem man – noch einfacher – hier klickt.

Und falls wir in den nächsten Tagen nicht zu erreichen sein sollten, nun ja, dann wandern wir wohl wieder in den steilen Schluchten Madeiras.

Viele Grüße

Martin und Anke

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