Porto Santo

Porto Santo

Madeira kennt ja jeder, aber dass es rings um Madeira noch ein paar Inselchen gibt, zu denen auch Porto Santo gehört, ist meist nur denen geläufig, die Madeira schon einmal besucht haben. Und so ganz ernst genommen haben wir dieses Porto Santo nicht, denn der Madeira vorausgehende Ruf lockte. Doch man soll immer offen bleiben und sich auf Neues und Unbekanntes einlassen, und so ließen wir uns auf Porto Santo ein und blieben dort geschlagene zwei Wochen.

Porto Santo hat sich selbst einen Rahmen gesetzt. Ausschlaggebend für den Standort war wohl der Strand. Man ist stolz auf den Strand und überzeugt, dass sein Sand dem der Karibikinseln mindestens gleich kommt. Das Besondere: der Sand besteht zum größten Teil aus fossilen Relikten, Muschel-, genauer meist Schneckenkalk, bei nur rund 10 % handelt es sich um angewehten Saharasand.

Porto Santo. Die Insel war wie auch Madeira bereits im frühen 14. Jh. bekannt. Eine Karte des Angelino Dulcert Portulano etwa aus dem Jahr 1339 gilt als früheste Darstellung dieser beiden Inseln, Madeira unter dem Namen Capraria und Porto Santo als Canaria. Die ersten Seeleute sind sicherlich durch widrige Winde vertrieben an diesen Gestaden gelandet. Doch bereits in der ersten Hälfte des folgenden Jahhunderts fand eine geordnete Besiedlung statt, veranlasst von Prinz Heinrich dem Seefahrer. Porto Santo ist eine recht karge Insel mit einem kleinen Hauptort, zwei Nebenörtchen, unerwartet guter Versorgung, einem angenehmen Hafen und überraschend vielseitiger Gestalt. Es gibt viele Möglichkeiten für Wanderungen und das Erklimmen der Gipfel, gar nicht so wenige bei der bescheidenen Inselgröße, es gibt abgelegene Buchten und einen langen Sandstrand, der angeblich auch karibischen Stränden Konkurrenz machen soll. Nun ja, vielleicht hat man die Feinkörnigkeit besonders bewertet. Außerdem leben hier Astrid und Dieter, die wir mit ihrer Windlise 2005 in Salvador de Bahia kennen gelernt haben. Wir hatten seinerzeit noch lange Kontakt, aber der hat irgendwann doch nachgelassen. Die alten Email-Adressen stimm(t)en jedoch noch, und unkompliziert und entsprechend freudig ist das Wiedersehen.

Leider etwas unscharf, aber besser als nichts: Astrid mit Mädchen, einem portugiesischen Wasserhund, und Dieter besuchen uns gerade an Bord der Mago.
Im Hafen befinden sich erstaunlich viele deutsche Boote, die meisten TO-Mitglieder. Spontanes TO-Treffen in der Marina-Bar. Von links nach rechts: Thomas Noe, Hans Rosi Jane, Anke Mago del Sur, Yoshi Da Yo, Gerald Witch (stehend), Siggi mit Hündin Panda Aletis, Rolf Hein Mück (stehend), Anna Witch, Brigitte Rosy Jane (stehend), Christine Noe, Ruth Hein Mück, Martin Mago del Sur (stehend).

Nach ersten Tagen der Akklimatisation – im Hafen und vor Anker liegen zahlreiche Segler, darunter auch einige TO-Boote und überraschend läuft schließlich noch die Noe ein mit Thomas und Christine – mieten wir einen Roller und erkunden die etwas weitere Entfernung. Jetzt bitte nicht denken, dass wir lauffaul wären, mitnichten, der Scooter hilft lediglich beim Erreichen der jeweiligen Startpunkte. Dazu schlicht die folgenden Bilder.

Porto Santo ist übrigens eine geologisch sehr interessante Insel. Astrid hat sich viel Mühe gegeben und uns auf die vielfältigen Prozesse und Abläufe hingewiesen, die bei der Bildung der Insel und ihres heutigen Erscheinungsbildes eine Rolle gespielt haben. Dieter hat ergänzend Empfehlungen zu den Orten gegeben, die man auf Porto Santo unbedingt gesehen haben muss. Wir haben geologisch keine Vorbildung und waren daher überrascht, wie uns all das, was wir hier sehen konnten, fasziniert hat.

Und los gehts: Wir haben einen Roller gemietet, der muss genutzt werden. Erstes Ziel: Ponta da Calheta. Blick über die Bucht bei Ponta da Calheta. Der kleine Sandstrand ist bei dieser Perspektive verborgen, dafür wird der felsige Charakter um so deutlicher. Unverkennbar, dass die Gesteine aus schwarzer Lava bestehen. Porto Santos Ursprünge sind vulkanischer Natur. Vor rund 18 Millionen Jahren begann das Wachstums eines unterseeischen Vulkans, der schließlich die Meeresoberfläche durchstieß und den Grundstock der Insel bildete. Später erodierte ein großer Teil des Vulkans und wurde von Kalk- und Sandablagerungen überdeckt.

Angekommen auf dem Miradouro do Furado Norte. Auch wenn Anke in die Gegenrichtung schaut, der Blick vom Miradouro geht nach Westen über das Inselchen Ferro hinweg (Ilhéu de Ferro). Ob Kolumbus an manchen Tagen hier oder irgendwo in der Nähe gestanden hat, den Blick nach Westen gerichtet, und vom Seeweg nach Indien träumte? Er hatte um 1480 herum die Tochter des damaligen Inselkommandanten geheiratet und einige Jahre auf Porto Santo gelebt.

Porto Santo ist sichtbar stolz auf den eingeheirateten Genoveser. Fassadengestaltung auf dem Gebäude der Camera Municipal do Porto Santo.
Wir düsen weiter und besuchen die „Orgelpfeifen“ am Osthang des Pico Ana Ferreira. Basaltsäulen, die entstehen, wenn Lava langsam erkaltet. Wenn man ehrlich ist, ist der heute so gern aufgesuchte Ort Folge des Gesteinsabbaus. Hier gab es mal einen Steinbruch. Unser Versuch, den Gipfel zu erreichen scheiterte, da wir den rechten Weg nicht fanden. Und als uns unser Irrtum klar wurde, waren wir zu erschöpft, um es noch zu versuchen.
Auf dem Weg zum Gipfel des Pico do Castelo. Dieser Berg zeigt vom Hauptort Vila Baleira aus gesehen den schönsten Vulkangipfel der Insel, mustergültig geformt. Geradezu ein Prototyp. Untypisch ist dagegen, dass er in seinem oberen Teil durchgehend aufgeforstet worden ist. Hier hat sich vor etwas über hundert Jahren der Förster António Bon de Sousa Schiappa de Azevedo – welch ein Name! – verdient gemacht. Für fast jeden gepflanzten Jungbaum wurde eine Art persönliche Terrasse angelegt, um Feuchtigkeit und Mutterboden zu halten.
Bevorzugt wurden Monterey-Kiefern (Pinus radiata) und Monterey-Zypressen (Cupressus macrocarpa) gepflanzt. Die hohe Zapfenzahl vieler Kiefern zeigt, dass sie unter „Stress“ leiden. Ihre Standorte sind zu trocken.
Büste des António Bon de Sousa Schiappa de Azevedo, nahe am Gipfel aufgestellt.
Da uns der Gipfel des Pico do Castelo nicht reicht, umwandern wir noch den benachbarten Pico do Facho. Mit 516 m Höhe ist dessen Gipfel die höchste Erhebung der Insel. In alten Zeiten befand sich auf ihm ein Ausguck, um die Annäherung von Piraten, Freibeutern oder feindlicher Mauren zu entdecken. Im Gefahrenfall wurde auf dem Gipfel ein Signalfeuer entzündet und die Bewohner zogen sich auf den Pico do Castelo zurück.
Zunächst wandern wir noch durch schattigen Wald, aber mit Verlassen der Nordseite wird die Landschaft deutlich trockener …
… bis fast vegetationslos. Dennoch …
… findet auf halber Höhe des Pico do Facho auch heute ein Aufforstungsprojekt statt. Die Technik hat sich seit António geändert. Die Setzlinge werden per Tröpfchenbewässerung mit der notwendigen Feuchtigkeit versorgt. Im Vordergrund der Wasserbehälter, Anke inspiziert einzelne Setzlinge. Diese sind von einem Karnickelsschutz umgeben. Karnickel gibt es auf der Insel übrigens, seit im Jahre 1418 (!) ein trächtiges Weibchen ausgesetzt wurde. Zwischenzeitlich wurden sie auch schon mal gezüchtet – für die Jagd (!!!) – nachdem die Tiere durch eine Seuche nahezu ausgerottet worden waren. Im Grunde sind sie eine Plage und die Zucht ist ziemlich unverständlich.
Am dritten Tag bringt uns der Roller auf Anraten von Dieter über eine Stichstraße an die Ostküste der Insel. Hier befinden sich Sedimentklippen, die u.a. aus Schalen von Weichtieren, Skelettteilen und Schalen von Stachelhäutern und Kalkalgen gebildeten wurden. Diese bizarre Landschaft besteht keinesfalls aus Sandstein, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte.
Für uns das Ende des Spaziergangs in südliche Richtung: der Túnel da Ponta da Galé
Wir suchen eine Leiter, die sich irgendwo befinden soll, wenn man der Küste von der Stichstraße aus gen Norden folgt. Als wir schon glauben, dass wir uns irgendwie auf der falschen „Höhe“ befinden, finden wir sie doch, klettern hinauf, wühlen uns noch ein wenig durch den folgenden, tiefen, weichen und von der Sonne aufgeheizten Sand zum über uns hängenden Kliff und …

… und nähern uns seltsamen „Höhlungen“. Und man glaubt es kaum, hinter diesem markanten Einschnitt im Kliff geht es noch weiter …

… und man trifft auf eine enge, verwegen anmutende Spalte, man könnte es auch einen Kamin nennen, der bzw. dem wir, soweit es überhaupt möglich ist, folgen. Das seltsame Gebilde nennt sich auch Fenda da Dona Beja.
Nächstes Ziel ist ein Aussichtspunkt, genannt Terra Cha am Pico Branco. Doch als wir erst einmal auf der Höhe des Aussichtspunktes des Terra Cha angelangt sind, zieht es uns einfach hinauf auf den Pico, den Gipfel. Der Aufstieg fällt nicht so schwer, da der Weg auf den letzten Höhenmetern gut beschattet ist. Offenbar gab es auch auf diesem Berg Auffostungsbemühungen.
Auf dem Gipfel treffen wir auf eine erstaunliche Anzahl Eidechsen. Hier die Madeira-Eidechse (Teira dugesii dugesii – Männchen). Überraschenderweise sind sie nicht ansatzweise scheu. Im Gegenteil. Sie sind neugierig, nähern sich an, versuchen, in die Finger zu beißen (im Folgefoto rechts unten zu sehen) …
… und klettern sogar auf uns herum.
Ein weiterer Ausflug führt uns zur „Quelle des Sandes“, der Fonte de Areia. Auch an diesem Ort finden sich sonderbar geschichtete Strukturen, die zwar überwiegend fossiler Natur sind, aber durch chemische Prozesse erst diese Schichtstrukturen ausgebildet haben. Stellenweise sind sie heute von „echtem“ Sand überdeckt.
Da Thomas und Christine, unsere oben erwähnten TO-Alpinisten, nun neue Maßstäbe setzen werden, kann Martin sich nicht halten und ersteigt den gefühlt höchsten Sandgipfel der Fonte de Areia. 😉

Über das Leben der Menschen auf Porto Santo informieren wir uns im privaten Museu Casa da Serra. Hier eine Windmühle, die der Bewässerung diente. Windmühlen wurden bereits früh genutzt, zur Förderung von Wasser ebenso, wie für die Produktion von Mehl. Porto Santo war noch vor gar nicht langer Zeit wichtiger Weizenproduzent für Madeira, auf der es keine geeigneten Flächen für einen ausreichenden Ackerbau gab. Das auf die Lehne einer steinernen Bank gemalte Bild einer Weizenmühle haben wir als Titelbild für diesen Beitrag gewählt.

Küche eines typischen Hauses auf Porto Santo: offene, kaminartige Feuerstelle, kaum Schränke, offene Abstellflächen. Vor 50 Jahren war eine solche Küche ein völlig normales Bild. (Casa da Serra)
Typischer kreisrunder Dreschplatz. Hier wurde mit Hilfe von Ochsen und beschwerten, unterseits mit Eisenknöpfen bewehrten Holzschlitten das Getreidekorn aufgebrochen.
Anke hat sich abgespritzt und ist nun für den Schnorchelgang gerüstet.
Goldstriemen (Sarpa salpa), wie wir vermuten, an einem der Unterwasserfelsen. Von Anke entdeckt.
Martin versucht beim Schnorcheln, die Verwirbelungen an einem oberflächennahen Gesteinsgrat aus der Fischperspektive zu erkunden. Hier ein Ergebnis.
Tägliche Routine. Wir liegen im Hafen von Porto Santo vor Anker, daher ist jeder Landgang mit einer Dingifahrt verbunden.
Die Santa Maria von Kolumbus war nach allem, was man weiß, keine Karavelle. Sie ähnelte vermutlich eher diesem Schiffstyp, einer Nau, die wir auf einer Baustellenabdeckplane entdeckt haben. Wie die Santa Maria tatsächlich aussah, weiß man nicht, denn sie ging auf ihrer Reise in einem Sturm verloren. Man beachte bei der Darstellung dieser Nau, dass das Mittschiffsdeck mit Tüchern gegen die Sonne geschützt ist.
Auf seiner 3. Reise (1498 – 1500) segelte Kolumbus über Porto Santo und Madeira. Wir haben meist kein Wetterglück und können das keine 30 Meilen entfernte Madeira immer nur schemenhaft erkennen. Dennoch es lockt.
Und so sind wir vor wenigen Tagen aufgebrochen. Soeben haben wir die östlichsten Ausläufer Madeiras passiert. Das war recht spannend, da wir ausgerechnet in diesem Moment einen fetten Fisch an der Angel hatten. Dumm war nur, dass der nach langem Kampf abgehakt hat.

Und damit ist es ausgesprochen: Mago del Sur und ihre Crew befinden sich auf Madeira, genauer in der Marina Quinta do Lorde. Drei weitere TO-Boote sind am gleichen Tag von Porto Santo aus aufgebrochen, darunter Thomas und Christine, bekanntermaßen leidenschaftliche Bergsteiger. Was zur Folge hat, dass bereits einen Tag nach Ankunft die TO-Bergsportgruppe gegründet wurde.

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Fair winds und den Kletterern unter den Lesern fröhliches Gipfelstürmen,

Martin und Anke

Ein Gedanke zu „Porto Santo

  1. Liebe Anke, lieber Martin, danke für die tollen Bilder und Berichte und dass ich so ein bisschen mit euch mitreisen kann!
    Liebe Grüße aus den Schären (Nyköping z. Zt)!
    Susanne

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