Malta inkognito
Eigentlich muss man sich an den Kopf fassen. In La Rochelle hatten wir unser Rigg prüfen und überarbeiten lassen, und es hatten sich bekanntlich erhebliche Mängel gezeigt, die unsere liebe Werft in der Heimat verzapft hatte. Andererseits hatten die Helden in La Rochelle den Mast dann so stark gekrümmt, dass uns das auch nicht geheuer erschien. Doch irgendwie waren wir damals wohl zu erschöpft von dieser Rigg-Baustelle, dass wir bei dem dortigen Rigger nicht mehr insistiert haben. Wohl gefühlt haben wir uns jedoch nicht mit diesem extremen Masttrimm. Nun war uns hier, in unserem Winterquartier Marina die Ragusa ein gewisser Nicki empfohlen worden. Nicki, ein Rigger aus Malta, und sehr vertraut mit Amel-Riggs. Zwischendurch hieß es, er würde aus anderen Gründen nach Marina die Ragusa kommen, was ja sehr passend gewesen wäre, aber das hat sich zerschlagen. Also war klar, wir würden nach Malta fahren müssen. Segeln, wenn möglich.
So ergab sich, dass wir am 19.04. die Muringleinen loswarfen, die Landleinen lösten und wenig später unterwegs waren, Kurs Süd. Der anfänglich nicht vorhandene Wind wich vorhersagegemäß einem netten Lüftchen, so dass wir den größten Teil der Strecke bei freundlichen Verhältnissen segeln konnten. In Malta bei Valetta taten wir uns schwer, einen Ankerplatz zu finden, die uns empfohlenen Möglichkeiten erwiesen sich als wenig verlockend und auch nicht den vorhergesagten, stärkeren Winden gewachsen. So endeten wir schließlich teuer in der Roland Marina im Städtchen Gzira. Dazu muss man anmerken, dass das Umfeld von Valetta aus mehreren irgendwie unabhängigen Gemeinden gebildet wird, deren Grenzziehungen für einen Auswärtigen schier unentschlüsselbar sind. Wir lagen also in Gzira (sprich dschiera), die für uns maßgebliche Bushaltestelle nannte sich aber nach einem Stadtteil Ta´Xbiex (sprich taschbiesch), sofern wir es richtig verstanden haben. Malta, für uns hieß das in erster Linie Valetta, Gzira und Ta´Xbiex, erwies sich als ungemein vielfältiges, von einem bunten Völkergemisch bewohntes, Fleckchen Erde. Allein drei Tage durchstreiften wir Valetta, immer wieder aufs Neue inspiriert und fasziniert.
Am letzten möglichen Tag, einem Freitag, bevor er nach Montenegro abreisen musste, tauchte Nicki auf, Anke wollte gerade anfangen, ihn mit Paolo zu vergleichen, als er klopfte. Nicki überzeugte sogleich durch Zielstrebigkeit und lösungsorientierte Arbeit. Wir verbrachten zwei, drei intensive Stunden an Bord, danach stand das Rigg. Zwar noch nicht perfekt – auch in Nickis Augen nicht – aber schon deutlich besser und und im wahrsten Sinne des Wortes entspannter als zuvor.
Nach drei Tagen Valetta reizte uns auch der Rest des Archipels ein wenig. Also sind wir die Nordküste entlang etwas nach Westen gesegelt, um in der St. Pauls Bay zu ankern. Wir kamen genau richtig, um so einer Art Formel 1-Rennen auf dem Wasser beizuwohnen, kaum dass der Anker gefallen war.
Im AIS hatten wir in der Nachbarbucht Haipule entdeckt, klar, dass wir uns am nächsten Tag treffen würden, zumal Martins Geburtstag anstand. Nach kurzer Abstimmung trafen wir uns auf einen kleinen Geburtstag-Sekt in der Blauen Lagune von Comino, einem Inselchen zwischen Gozo und Malta. Für den Geburtstags-Abend verlagerten wir uns dagegen in einen schmalen, fjordähnlichen Einschnitt an der Südküste Gozos, den Mgarr ix-Xini (sprich hmgar-isch-schini).
Der nächste Tag bescherte morgendliche Spaziergänge und dem ein kurzer Tripp weiter gen Westen Gozos in die Dwejra-Bucht (das ist einfach: sprich dweira) folgte. Diese Bucht ist spektakulär, da kreisrund, auf der Westseite durch einen großen Felsen geschützt, der nur zwei schmale Einfahrten frei lässt, und ansonsten von steil aufragenden, teils himmelhohen Felsklippen umfasst. Auf den ersten Blick trostlos. Doch fast jeder, der hier lag, hat sich auf diese besondere Situation eingestellt und war anschließend fasziniert.
Leider war unsere Zeit begrenzt, denn wir wollten zurück nach Marina di Ragusa. Auch dort warteten noch Aufgaben auf uns, die erledigt sein wollten. So verabschiedeten wir uns schweren Herzens von Birgit und Hans und segelten bei moderaten und gelegentlich fehlenden Winden wieder zurück. An der Hafeneinfahrt zum Porto Turistico freute sich der Marinero sichtlich, uns wiederzusehen. Was uns sogleich ein heimeliges Gefühl gab.
Jetzt wird sich jeder fragen, wie wir es geschafft haben, klammheimlich nach Malta und zurück zu segeln. Nun, wir sind eigentlich und auch grundsätzlich und überhaupt unschuldig. Doch es gibt ein technisches Problem bei der Programmierung der Software, die für die GPS-basierte Positionsbestimmung benötigt wird. Als man sie entwickelte, ist man anscheinend nicht von einer so langen Lebensdauer des Systems ausgegangen. Laienhaft ausgedrückt: Sie besitzt das Manko, dass die verstreichende Zeit von der Software mitgezählt werden muss. Warum auch immer. Nur ist der für die Zählung zur Verfügung stehende „digitale Platz“ begrenzt. Und die Zählung unseres Systems endete am 06.01.2022. Mit der Folge, dass unser GPS ebenso wie unser AIS kein korrektes Datum mehr generieren konnten. Beim GPS war das erstmal nicht so tragisch, da die Position weiter sicher angegeben wurde. Aber das AIS weigerte sich fortan, unsere Schiffsposition zu senden. Das hatte zur Folge, dass wir auf den modernen Navigationssystemen für andere Schiffe unsichtbar waren. Und das natürlich auch für Anbieter wie Vessel Finder oder Marine Traffic. Immerhin, die Empfangseigenschaften blieben unbeeinträchtigt, wir konnten also andere Schiffe sehen und verfolgen. Aber für unsere Mitwelt waren wir unsichtbar, also inkognito unterwegs.
Wieder in Marina di Ragusa zurückgekehrt erhielten wir von Paul von der Calista die entscheidenden Informationen, die uns bisher gefehlt hatten und deren Fehlen unsere Versuche, das AIS zu regenerieren bzw. mit einer neuen, aktualisierten und angepassten Software zu versehen, bislang zum Scheitern verurteilten. Inzwischen funktioniert das AIS wieder so, wie es soll, und wir sind wieder sichtbar und verfolgbar. Aber es gibt eine Lücke in allen uns verfolgenden Aufzeichnungen, die „maltesische Lücke“.
An dieser Stelle wollen und können wir schon einmal darauf hinweisen, dass wir Marina di Ragusa mit einem tränenden und einem lachenden Auge vor wenigen Tagen verlassen haben. Wir sind wieder unterwegs. Und das, wie gesagt, wieder verfolgbar 😉
Daher kommen diese Grüße vom Ankerplatz des Porto di Levante bei Vulcano
Martin und Anke