Äolische Inseln – Vulkane
Nach dem Aufbruch aus Marina di Ragusa waren wir recht zügig über Syrakus, Riposto und Reggio di Calabria voran gekommen. Die Straße von Messina erwies sich zum wiederholten Mal als gnädig und gewährte uns recht ungestörten Durchschlupf. Sogar bei den Gezeiten und Strömungsvorhersagen hat es fast eine wahrnehmbare Übereinstimmung zur Wirklichkeit gegeben, deutlich besser jedenfalls als bei der Passage in der Gegenrichtung im Herbst letzten Jahres. Das bzw. der einzige, der ein ganz klein wenig hinderte, war ein Schwertfischer, aber wirklich geärgert hat er uns nicht. Im Gegenteil, wir freuten uns, ein solches Boot zu sehen. Doch anders als noch 2009 hatten die diesmal angetroffenen Boote nicht mehr die ewig langen Ausleger am Bug. Nur das hoch aufragende Beobachtungsgerüst mit integriertem Steuerstand kennzeichnete sie noch als Schwertfischer.
Unser erstes Ziel auf den Äolischen bzw. Liparischen Inseln war die Insel Vulcano. (Ob es bei den Bezeichnungen irgendeinen geographischen Unterschied gibt, oder ob es wirklich nur der Name ist, haben wir bislang nicht rausbekommen.) Für Martin schon aus Erinnerungsgründen ein Muss, schließlich hatte er schon 2009 einen kurzen Zwischenstopp auf Vulcano eingelegt. Etwas unerwartet traf uns die Erkenntnis, dass ein Besteigen des heute aktiven Vulkans, der Fossa, aus Sicherheitsgründen verboten war und – kleiner Hinweis für die, die daran interessiert sind – aktuell auch noch ist. Denn die Fossa ist zur Zeit für ihre Verhältnisse ungewöhnlich aktiv und stößt in ebenso ungewöhnlichem Umfang Gase und Schwefeldämpfe aus. Nicht gerade gesund bis hin zu lebensbedrohlich bei unangemessener Inhalation. Glücklicherweise wurde dieses Verbot an den Tagen unseres Aufenthalts nicht allzu konsequent durchgesetzt. So näherten wir uns gleich am Tag nach unserer Ankunft dem Aufstiegsweg. Wir stießen auf eine Art Bauzaun mit seitlichem Durchschlupf, ein Verbotsschild und ein Stuhl für einen Aufpasser, der jedoch nicht zu sehen war. Ein paar hundert Meter weiter – wir hatten offensichtlich den Durchschlupf genutzt – folgten eine Schranke und drei Stühle. Allesamt freundlicherweise ebenfalls verwaist. So schlichen wir durch eine zunächst üppige Vegetation voller Ginster in die Höhe. Von unten sicher immer gut sichtbar. Aber niemanden interessierten wir, außer vielleicht ein paar Hornissen, die uns in schöner Regelmäßigkeit umkreisten. Am Kraterrand angekommen standen wir vor einem durchaus beeindruckenden Schauspiel. Schon zuvor hatte es aus der einen oder anderen Spalte ganz verhalten gedampft oder leicht schwefelig gestunken. Und vom Ankerplatz aus hatten wir auch schon einiges sehen können, aber hier oben sah es aus, als hätte man am Kraterrand Nebelmaschinen verteilt. Aus einer nicht überschaubaren Anzahl von Spalten dampfte und qualmte es ununterbrochen. An eine Kraterumrundung war nicht zu denken. Leider verhinderten die Schwaden auch, sich den Stellen zu nähern, an denen sich der Schwefel klassisch schwefelgelb niedergeschlagen hat, was seinerzeit problemlos möglich war. Gut, man kann nicht alles haben. Dafür war das gebotene Schauspiel auch etwas Besonderes, denn 2009 gab es so etwas nicht zu sehen.
Der Wind erforderte tags drauf, dass wir uns in die gegenüberliegende Ankerbucht auf der andere Inselseite verholten und dort Stephanie und Dirk von der Maleika trafen. In Capo d´Orlando waren wir uns erstmals begegnet. Vor etlichen, ja wie vielen Monaten eigentlich?
Weil steigen Spaß macht, suchten wir auch noch den Vulcanello am Nordende der Insel auf. Seinerzeit beim Besuch 2009 hatte ich (Martin) gar nicht wahrgenommen, dass es sich hier um einen weiteren, allerdings erloschenen Vulkan handelt. Um so überraschender war der Eindruck, als sich von oben ein steiler, tiefer Krater einsehen ließ, heute allerdings vollständig von Vegetation überzogen. Um so mehr erstaunte uns, später zu lesen, dass sich hier drei Vulkankegel zusammengerauft haben, und dieser Nordteil der Insel, auf dem sich „der“ Vulcancello befindet, erst in historischer Zeit gebildet haben soll.
Die nächste Insel auf unserer Tour war Salina. Hier gibt es keine aktiven Vulkane, aber die zwei jeweils etwas über 900 Meter hohen Gipfel sind ebenfalls vulkanischen Ursprungs. Einen mussten wir erklimmen. Schweißtreibende Ehrensache. Unsere Wahl fiel auf den südlicheren und höheren, den Monte Fossa delle Felci. Trotz des dunstigen Wetters hatten wir von seinem Gipfel einen wunderbaren Ausblick auf die westlich benachbarten Inseln Filicudi und Alicudi sowie Vulcano und die sizilianische Küste. Später auch noch, d.h. beim Abstieg, auf Lipari. Was uns an Salina besonders gefiel, war die Atmosphäre. Eine Hauptstraße mit überraschend vielen kleinen Geschäften, natürlich zuallererst auf Touristen gemünzt; die fehlten allerdings. Sehr zum Schaden der Einheimischen, die heute ja überwiegend vom Tourismus leben. Schon auf Vulcano hatte man uns gesagt, dass es heuer einer der ruhigsten Maimonate ist, den man seit Jahren hatte. Aber eben ein nettes Örtchen mit anheimelnder Hauptstraße, und am Hafen einer Art Gartencafé (ganz einfach) und einer Café-Bar (eher Deli).
Die nächsten Inseln suchten wir jeweils zweimal auf: Lipari, Panarea und Stromboli. Lipari beeindruckte uns durch seine lebhafte Kleinstadt gleichen Namens. Auf allen anderen Inseln sind die Siedlungen wahrhaft nur Dörfer. Hier aber hatte man schon das Gefühl von pulsierendem Leben. Hier streunten auch erstaunliche Touristenmassen herum. Gut, alles im bescheidenen Rahmen, aber relativ gesehen, doch ganz schön viel. Das Städtchen beeindruckt mit einem Gewirr kleiner Gässchen, die meisten gepflegt (also die Fassaden der Häuser) und die Gässchen häufig mit viel Liebe und Hingabe begrünt. Besonderes Kleinode sind das Archäologische Museum, wo wir nichts auslassen durften – darauf achtete schon das Personal – der alte Hafen, die kleine Kirche am Hafen, und wenn man genau hinschaut die Obsidiangeschäfte. Auch uns kletteten sich einige Obsidiane an. Dazu muss man kurz erwähnen, dass Obsidian vulkanischen Ursprungs ist, und dieses „Vulkanglas“ aufgrund seiner außergewöhnlichen Eigenschaften bereits in der Jungsteinzeit ein begehrtes Handelsgut war. Aus ihm wurden Werkzeuge aber beispielsweise auch Pfeilspitzen gefertigt, später nutzten die ollen Römer polierten Obsidian auch als Spiegel.
Panarea besuchten wir jeweils beim „Transit“ zwischen Stromboli und Lipari. Jedesmal ankerten wir im Süden der Insel in der Milazzese Bucht. Vom Strand aus kann man in wenigen Minuten die Reste eines bronzezeitlichen Dorfes erreichen, was wir uns natürlich nicht entgehen ließen. Das Dorf liegt auf einer verborgenen Felsnase, die sich mit steil abfallenden Flanken vielleicht hundert Meter in das Meer hinein erstreckt, auf diese Weise vor Überfällen gut geschützt. Es war übrigens im Zeitalter von AIS eine nur kleine Überraschung, in der Baja Milazzese erneut auf Maleika zu treffen.
Beim zweiten Stopp in eben dieser Bucht, hatten wir das Riesenglück, trotz eines extrem diesigen Tages abends und in der Nacht den Ätna bewundern zu können. Er ist ja gerade ausgesprochen aktiv. Mit dem Auge war es nur ein schwacher orangerot glimmender Fleck, aber im Fernglas ließen sich trotz der Entfernung von rund zweiundfünfzigeinhalb Nautischen Meilen (etwas mehr als 95 km) die Lavarutsche und die oberhalb dieser in kürzesten Abständen bis hin zu ununterbrochen auflodernden Eruptionen klar und deutlich erkennen. Wir saßen im Cockpit, genossen einen Wein und waren dankbar, dass wir das erleben durften.
Die Insel Stromboli, die im Grunde nur aus dem Schichtvulkan Stromboli besteht, besuchten wir ebenfalls zweimal. Das Problem mit dieser Vulkaninsel ist, dass es an ihren Ufern praktisch keine geschützten Ankerplätze gibt. Immerhin gibt es im Nordosten der Insel ein ausgedehnteres Flach, und dort kann man bei ruhigem Wetter gut, um nicht zu sagen, überraschend gut liegen. Etwas mühselig ist dann das Anlanden. Besser und einfacher mit einem Banana-Boot zu bewerkstelligen als mit einem Schlauchboot mit schwerem Außenborder. Da wir aber zu faul waren, das Banana-Boot aufzubauen, mühten wir uns eben mit dem schweren Schlauchboot ab. Bei unserem ersten Besuch machten wir uns am späten Nachmittag auf einen recht langen Fußmarsch immer am Rande der Insel und der im Nordosten gelegenen Dörfchen San Vicenzo und San Bartolo entlang; jenseits der Dörfer auf einem halbwegs gepflasterten Weg zum Osservatorio. Unterwegs stießen wir auf die nette Annette aus Kopenhagen, so dass wir von da an einen netten Abend zu dritt verbrachten. Das Osservatorio ist allerdings kein Vulkan-Observatorium, wir man vermuten könnte, sondern ein Restaurant. Doch so günstig gelegen, dass man dem Namen durchaus zustimmen darf. Man kann dort am Abend wunderbar angenehm sitzen und hat einen Gratis-Blick auf den Gipfel des Stromboli, und auch aus einem Winkel, der den möglichen Feuerzauber sichtbar werden lässt. So genossen wir Vino bianco und ein vorzügliches Thunfisch-Tartar und noch ein paar Nettigkeiten, begleitet von lautstarken und vielstimmigen Oooohs und Aaaahs wenn sich ein paar feurige Ausbrüche ereigneten. Jetzt war uns das nicht genug, und in einem zweiten Anlauf – nach Zwischenaufenthalten in Panarea und Lipari – buchten wir eine geführte Tour. Höher als 400 m kommt man mit der auch nicht (der Stromboli erreicht eine Gipfelhöhe von über 900 m), aber nachdem der Vulkan 2019 deutlich machte, dass er Herr im Haus und vor allem unberechenbar aktiv sein möchte, ist ein weitergehender Aufstieg nicht erlaubt. Die Tour lohnte sich in jedem Fall. Unser Führer gab sich große Mühe und erklärte nicht nur den Stromboli und Vulkanisches, sondern auch viel zum Leben der Bewohner Strombolis und der lokalen Natur. Nach schweißtreibendem Aufstieg gab sich der Stromboli leider zurückhaltend, zwar rauchte und puffte er noch recht anständig bei Tageslicht, aber mit Einbruch der Dunkelheit glimmte und glühte er recht verhalten vor sich hin. Irgendwie gab es zwar fast durchgängig etwas feurigen Schein zu sehen, aber doch nicht so spektakulär, wie erhofft. Dennoch begeistert von dem Erlebnis und der Tour stiegen wir ab und kehrten – wie es sich bei dem Abstiegsweg halt traf – erneut beim Osservatorio ein. Erst dort machte mir eine deutsche Touristin deutlich, dass ich Trollo (Martin) mit einem Stativ (liegt im Boot) und Langzeitbelichtung (völlig aus den Augen verloren) aus dem Wenigen noch etwas hätte machen können. Aber da waren wir meine Augen wohl noch vom seinerzeitigen Besuch des Vulkans auf Tanna benebelt.
Inzwischen haben wir die Liparischen Inseln verlassen und tingeln die italienische Festlandsküste entlang. Nicht nur das, es ist uns sogar gelungen, den uns noch fehlenden letzten der aktiven Vulkane des Mittelmeeres zu besuchen, den Vesuv. Dass der Besuch einerseits nicht ganz einfach war, andererseits jedoch sehr touristisch, das beschreiben wir in einem zukünftigen Tagebuch. Aber den Vesuv wollen wir an dieser Stelle einfach nicht auslassen. Und – der Kreis, zugegeben, im Mittelmeer ist es eher ein gestreckter Halbkreis, auf dem sich die Vulkane befinden, ist damit geschlossen.
Im Rückblick stellen wir fest, dass Vulkane es uns offenbar angetan haben. Und deshalb wollen wir zwei absolute Höhepunkte unserer letzten Reise mit zwei Fotos in Erinnerung bringen: Zum einen den „Flug über das Auge des Vulkans“, genauer über den Schlund des Vulkans Villarica in Chile, und zum anderen eine echte Feuertaufe auf dem Kraterrand des Vulkans von Tanna (Vanuatu). Wer Interesse daran hat muss unter Just den Tagebüchern von Just do it´s Reise nachschlagen. Der Flug über den Villarica-Vulkan kann hier nachgelesen werden, und der durchaus aufregende Besuch des Gipfels des Vulkans auf Tanna ist in dem hier verlinkten Tagebuch beschrieben.
Es grüßen Euch von / aus / mit zwischenzeitlich föhniger Warmwind- und auch sonst recht hitziger Erfahrung – ganz im Gegensatz zu den Eingangszeilen –
Martin und Anke
Ein Gedanke zu „Äolische Inseln – Vulkane“
Ahoy Anke und Martin,
Euer Bericht zu den Liparischen Inseln lassen alte Erinnerungen an unsere Hochzeitsreise in 2000 aufsteigen. Wir waren 3 Wochen ab /bis Palermo mit einer kleinen 36er rund Sizilien, Ustica, Liparische, Malta, Pantelleria und alle kleinen Inseln drumrum, unterwegs. Auch ein stop-over auf Vulcano: wir ankerten in der Bucht der blubbernden Stinkegase, „suhlten“ uns in schlammig-schwefligen Badetümpeln mit zig anderen Gesundheitsaposteln. Tagelang dufteten wir nach Schwefelwasserstoff, auch unsere Badetücher. Und danach war der Müffel weg. Das Beste aber: offenbar durch die H2SO4 Dämpfe unter Wasser, war am nächsten Tag unser gesamtes Unterwasserschiff blitzeblank, das Antifouling wie neu. Die giftigen Gase haben wohl dem ganzen „Anhang“ den Garaus gemacht. An Land nicht zur Nachahmung empfohlen. Und frisch gewaschene duftende Frotteehandtücher sind auch viel feiner als solcherart desinfizierte…
Dazu haben wir uns beutelweise Kapern von Vulcano mitgenommen. Man sagt: die Besten im ganzen Mittelmeer. Wir Zeit wieder dorthin zu fahren und die Bestände aufzufüllen.
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