Orcas

Orcas

Gestern, am 19.07.21 hatten wir eine Begegnung mit Orcas. Interaktion heißt eine solche Begegnung auf Fachchinesisch. Die meisten Segler empfinden das eher als Angriff, andere wiederum als spannende Begegnung. Zu unserer Interaktionserlebnis haben wir versucht, einen möglichst sachlichen Bericht zu erstellen.

Ablauf der Interaktion:

Auf dem Trip gestern (19.07.2021) von Rota nach Gibraltar kam ca. 12 Meilen westlich von Tarifa ein Funkruf der Yacht Classico rein, dass sie von Orcas angegriffen würden. Zu diesem Zeitpunkt stand die Yacht ca. 5 Meilen in ostsüdöstlicher Richtung von unserer Position. Zwei andere Yachten und wir behielten unseren Kurs bei, wobei wir etwas dichter an die Küste gingen, als geplant. Tarifa Radio hatte der Classico empfohlen, die Maschine abzustellen, alle Systeme, speziell das Echolot abzuschalten und keine „Kommunikation“ oder Interaktion mit den Tieren zu versuchen. (So wie es die einschlägigen Experten empfehlen.) Nach einiger Zeit konnten wir die Yacht gut ausmachen. Sie hatte mittlerweile die Genua runter genommen und lag beigedreht.

Eine größere Motoryacht meldete sich und kündigte per VHF ihre Hilfe an. Nach Eintreffen bei Classico umkreiste sie die Yacht mehrfach mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, um die Orcas zu irritieren oder abzulenken. Was offenbar auch gelang, denn nach einiger Zeit entfernte sich die Motoryacht. Wenig später lief Classico unter Maschine nach Osten ab.

Bei nachlassendem Wind steuerten wir einen Kurs nördlich der Yacht Classico. Um 17:00 starteten wir wegen Windmangels die Maschine, um 17:10 hatten wir erstmals Orca-Kontakt. Es handelte sich um ein Tier, das seitlich aus der Richtung der Classico auf uns zukam und dann direkt zum Ruder abtauchte und das Ruder bewegte. Schon mit Entdecken des auf Mago del Sur zuhaltenden Tieres hatten wir den Autopiloten ausgekuppelt. Wir informierten Tarifa Radio per VHF, schalteten den Motor und die Systeme einschließlich Echolot aus.   

Das Tier blieb etwa 15 Minuten bei Mago del Sur.  Die Stöße und Drücker gegen das Ruder waren recht moderat. Südlich von uns versuchte zu diesem Zeitpunkt der Kat Horus unter Maschinen durchzugehen. Offenbar angelockt von den Motorgeräuschen ließ der Orca von Mago ab und steuerte auf den Kat zu. Wir konnten beobachten, wie das Tier am Heck des Kats tauchte. Wir unterrichteten Tarifa Radio, dass die Orca uns verlassen hatten.

Die Crew des Kat verfolgte eine andere Strategie: Sie lief weiter unter Maschine(n) mit hoher Geschwindigkeit ihren Kurs. Ein offenbar erfolgreiches Verhalten, denn der Orca ließ nach wenigen Minuten von ihm ab und kehrte zu Mago del Sur zurück, diesmal in Begleitung eines Jungtieres. Wir hatten den Eindruck, dass das Adulte dem Jungtier beibrachte, wie man mit einem Ruder spielt. Die Bewegungen des Ruders und des Steuerrades unterschieden sich in der Heftigkeit deutlich, je nachdem welches Tier abgetaucht war.

Etwa 10 Minuten später ließen die Tiere ab. Nach einiger Wartezeit starteten wir die Maschine. Zwei Minuten später waren die Orcas wieder da. Bei diesem dritten Besuch waren einige der heftigsten Stöße gegen das Ruder zu verzeichnen.  Ankes Versuche, Tarifa Radio zu kontaktieren, schlugen fehl. (Unser VHF war offensichtlich vor Schreck ausgefallen). Sie rief daraufhin per Handfunke ein in der Nähe befindliches „Passagierschiff“.  Wie sich herausstellte, handelte es sich um ein Whale-Watching-Boot, das gerade mit Biologen auf Orca-Suche war. Sie erklärten sich freundlicherweise bereit zu kommen und uns ebenfalls zu umkreisen. Noch vor Ankunft des Bootes hatten sich die Orcas wieder abgesetzt. Als das Boot uns erreicht hatte, wurden die Orcas von deren Besatzung etwa 500 m achteraus gesichtet. Das Whale-Watching-Boot eilte dorthin und zog anschließend mit den Orcas langsam gegen Westen.

Wir setzten die Genua – Groß und Besan hatten wir die ganze Zeit dicht geschotet stehen – und schlichen wegen des wenigen Windes langsam davon. Um 18:22 starteten wir die Maschine und liefen nach La Linea ab.

Anmerkungen

  • U. E.  handelte es sich um ein weibliches adultes Tier und ein Jungtier. Auch die Interaktionen bei Horus und Classico wurden von dem gleichen weiblichen Tier vorgenommen. Ob in den Fällen das Jungtier und ggfs. andere Tiere beteiligt waren, können wir nicht sagen.
  • Die Tiere wirkten nicht aggressiv. Sie unternahmen keinerlei Aktivitäten, die gegen den Rumpf gerichtet waren. Einige Stöße gegen den Rumpf erfolgten eher unbeabsichtigt. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das Ruder.

Schäden

  • Hebelarm des Ruderlagegeber verdreht (konnte noch vor Ort in die korrekte Position gesetzt werden.)
  • Stopfbuchse Ruder undicht; sie leckte überraschend stark. (Konnte noch vor Ort dicht gesetzt werden.)
  • keine Schäden am Ruder. (Hier gab es lediglich Spuren wie von Fischen, die den Algenfilm abnagen. Ein etwa 10 cm langer, 5 mm breiter Streifen Antifouling war ganz oben am Ruder abgeschabt. Der Algenfilm am Heck war nahezu komplett weggescheuert.)
  • Ruderquadrant abgesackt, wurde erst in Fuengirola entdeckt. Die Verschraubung hatte sich offenbar aufgrund der Heftigkeit des Anschlags an den Anschlägen des Quadranten gelockert. (Wurde in Fuengirola korrigiert.)

Bemerkungen bzgl. des eigenen Verhaltens

  • Der Umstand, ob unser Echolot aktiv war oder nicht, schien auf die Tiere keinerlei Einfluss zu haben.
  • Die laufende Maschine lockte die Tiere erkennbar an.
  • Ob die Tiere uns wahrnehmen konnten oder nicht, schien keinen Einfluss auf ihr Verhalten zu haben.
  • Die Strategie, alle Systeme und die Maschine runter zu fahren und sich „tot“ zu stellen, hat uns nicht überzeugt.
  • Erfolgreicher scheint die Strategie der Horus, unter Maschine zügig dem geplanten Kurs zu folgen. Sie hatte den mit Abstand kürzesten Orca—Kontakt, vielleicht 3-5 Minuten. Wir wissen nicht, ob die Crew während des Kontaktes unter Autopilot fuhr oder per Hand steuerte. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass eine Handsteuerung bei entsprechender Vorsicht möglich gewesen wäre. Der von den Orcas ausgeübte Ruderdruck war nicht extrem stark.

Wir regen hiermit an, Daten über Orca-Interaktionen international mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens zu analysieren, um fundierte Folgerungen zu ermöglichen. Dies sollte helfen, geeignete Verhaltensstrategien für Yachties zu entwickeln. Diesbezüglich haben wir bereits den Trans-Ocean e.V. kontaktiert.

Screenshot der Positionen der Classico und der Mago del Sur während der Orca-Begegnungen. Unsere zweite Begegnung fand zwischen den beiden angegebenen Positionen um 17:10 und 17:55 statt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Navi-Systeme einschl. Echolot wieder aktiviert. Die Horus ist in etwa 100 Metern Abstand parallel zu uns gefahren und hat uns auf Höhe der ersten Position passiert.
Der Orca ist zunächst rückwärts gleitend unter dem Boot hervor aufgetaucht, hat Luft geholt und taucht jetzt wieder zum Ruder hin ab.

Das Spielvergnügen der Orcas hat uns in der Folge einen langen Tag beschert. Am späten Abend sind wir dann in La Linea, d.h. unmittelbar nördlich von Gibraltar in die dortige Marina eingelaufen. Heute morgen haben wir Ruder und Skeg betaucht und das obige, sehr erfreuliche Ergebnis vorgefunden.

Liebe Grüße nach Deutschland
Martin und Anke

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