Der Anfang vom Ende?

Der Anfang vom Ende?

Hasenfüßig wie wir sind, haben wir uns heute kurzentschlossen entschieden, nicht nach Port Medoc zu starten. Das ursprünglich geplante Arcachon war schon gecancelt, nachdem wir die Liegegebühren erfahren hatten, die uns die dortige Hafenmeisterin vorsichtshalber genannt hatte. Aber, um ehrlich zu sein, wir sahen, dass morgen der Wind günstig stehen würde für die Isle de Ré. Und das kann man sich eigentlich nicht entgehen lassen. Aber davon wollen wir hier gar nicht reden. Sondern:

Sollen wir ein Bier trinken? Oder ein Glas Wein? Oder besser einen Caipi? Man könnte natürlich auch ein Eis wählen oder sich gleich fürs Abendessen niederlassen. Alles wieder möglich. Und es wird genutzt, wie man sieht. Wir entschließen uns fürs Eis, und die Sushi nehmen wir einfach mit an Bord. Hier stoßen wir auf den Anfang vom Ende an.

Heute macht Frankreich den ersten, mutigen Schritt der Rückkehr zur Normalität! Der Beginn der Ausgangssperre wird um zwei Stunden auf 21:00 Uhr verschoben. Die meisten Geschäfte dürfen wieder öffnen, wenn auch mit Auflagen bzgl. der Personenzahl im Laden. Das ist ganz praktisch gelöst: Es gibt eine Quadratmeterzahl pro Person, die erlaubt ist. Mathematisch gesagt: Ladenfläche dividiert durch diese Konstante und man hat die zulässige Zahl der Personen. Und die Cafés, Bars und Restaurants dürfen wieder öffnen, wenn auch nur im Freiluftbetrieb, also auf den Terrassen. Die Betreiber, die über keine Terrassen verfügen, helfen sich durch Okkupation der Gehwege und Promenaden. Das alles erfolgt in entspannter Gelassenheit. Für Kinos, Theater und Museen gibt es auch die ersten Schritte.

Nun neigt der Franzose selbst zu der Annahme, dass er undiszipliniert sei, und ein wenig kokettiert er auch damit. Die Französin natürlich auch, das gendergerechte Sternchen auch und der exoterrestrische Louis d.F. ebenfalls. Womit nun niemand ausgeschlossen sein dürfte. Wer allerdings heute gesehen hat, wie sich die Menschenmassen plötzlich auf den Straßen zusammenfanden, dem wurde eindrucksvoll vorgeführt, wie diszipliniert die Franzosen bisher waren. Und auch heute erkennen wir in vielfacher Hinsicht noch Disziplin. Nur die Begrenzung auf maximal sechs Personen pro Tisch wollte nicht allerorten gelingen. Aber man sah auch Unsicherheit und Irritation: Was darf ich denn jetzt, und was nicht? Ist denn das so sehr vermisste Küsschen nun wieder möglich? Darf ich meinen Bekannten in den Arm nehmen? Darf ich die Hand schütteln? Und es erschien so, als wurde heute konsequenter Maske getragen als in den Tagen zu vor.

Okay, okay, bei der Jugend klappt es mit den Masken nicht so. Andererseits: die Inzidenz in Charente-Maritime liegt aktuell bei 47,1, Frankreich-weit ist sie auf 148,3 gesunken. Hier wird übrigens Boule gespielt.

Aber die Stadt hatte sich mit einem Schlag gewandelt. Der Freiraum war mit Tischen und Stühlen möbliert, wo zuvor gähnende Leere herrschte. Jeder Stuhl und jeder Tisch war besetzt. Selbst in den hintersten Hinterhöfen war aufgerüstet worden. Wo möglich wurden Boule und neuere Abarten dieses Vergnügens gespielt. Es wurde flaniert und gelacht. Straßenmusikanten gab es in größerer Anzahl als sonst. Und immer wieder brandete irgendwo Jubel auf, als wenn eine Fußballmannschaft ein Tor geschossen hätte. Und über allem lag ein ungekannter, stetiger Ton: Das zu einem Gesamtkonzert verschmolzene Gebrabbel der an den Tischen sitzenden, sich unterhaltenden Menschen. Welch eine umfassende Freude.

Die ab heute erlaubte Freiluftgastronomie ist bis zum Bersten beansprucht. Wir kämpfen nicht um einen Tisch sondern speisen „zu Hause“. Dennoch genießen wir einfach das Bild der plötzlich so überaus lebendigen Stadt.

Allen Zweiflern zum Trotz, um halb neun nahm der Brabbelpegel ab und um neun war die Mehrzahl der Rochellianer in die heimischen vier Wände zurück gekehrt. Voll diszipliniert, der Franzose. 😉

Und wir? Wir haben nicht gezögert und waren mittendrin. Und stoßen auf die allgemeine Freude an.

Liebe Grüße in die Heimat
Anke und Martin

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