El Hierro gilt als eher verschlafenes, ausgesprochen ruhiges Inselchen. Man kann das so sehen. Und wenn man das Vergnügen hat, in der Marina La Estaca zu liegen, wird man daran kaum zweifeln. Es gibt ein paar ringsum verstreute Häuschen. Dann das Fährterminal, in dem man immerhin einen tagsüber meistens geöffneten Kiosk antrifft. Und der bietet sogar einen nahezu täglichen Service für frisches Brot. Etwas mehr als 11.000 Menschen leben auf El Hierro, weitgehend verstreut in kleinen Örtchen, etwas dichter irgendwie in der El Golfo-Ebene verteilt und in kleinsten Weilern. Und doch ist die Insel für Überraschungen gut, wie wir schnell merken.
An dieser Stelle soll eingeflochten werden, dass in der zweiten Hälfte unseres El Hierro-Aufenthaltes gewisse eingespielte Bordroutinen durch Martins Daumen-Malheur (s. Beitrag vom 27.03.2024) nicht mehr möglich waren. So musste Anke auch die Aufgabe des Koches übernehmen. Das erlöste sie im Gegenzug nicht von der Aufgabe des Abwasches, da Martin mit dem „offenen“ Daumen ja schlecht ins Abwaschwasser greifen konnte. Als kleiner Tipp hier noch so etwas wie Schleichwerbung. Auf jeder Insel der Kanaren, möglicherweise auch andernorts, das haben wir nicht geprüft, gibt es eine Ladenkette, die sich „5 Océanos“ nennt. Dort werden ausschließlich Gefrierprodukte verkauft, und durchweg in guter Qualität. Nicht nur Fisch und Meeresgetier, wie man bei dem Namen erwarten könnte, sondern so ziemlich die ganze Bandbreite, die essbar und gefrierbar ist. Andererseits ist das Angebot nicht überfrachtet. Anke’s Rezeptwunsch für den ersten oder zweiten Kocheinsatz führte daher zu unserem Erstbesuch ausgerechnet in dem kleinen Laden in Valverde, der verschlafenen Hauptstadt El Hierros, und zum Kauf einiger Thunfischschnitzel. Wir waren von dem Laden jedenfalls recht angetan.
Der letzte Ausflugstag begann mit Hindernissen. Wir wollen das Centro de Interpretación de Parque Cultural de El Julan besuchen, im zweiten Versuch. Anke unterläuft ein kleiner Erinnerungsfehler, und so lotst sie mich – den Fahrer – zur Fuente de la Cruz de los Reyes. Was irgendwie der falsche Ort ist. Kommt davon, wenn man sich auf die Erinnerung verlässt. Nicht weit von hier gibt es glücklicherweise einen zielführenden Abzweig. Allerdings gekennzeichnet als Piste für „4×4 only“. Nun gut, die Piste dürfte vorwiegend abwärts führen, und mit einem Opel Corsa in Sportausführung – tiefer gelegt und röhr, röhr – kann es bei sowas keine Probleme geben – ahnte man ja schon beim Lamborghini – erst recht nicht bei geübten Fahrern, gelle. 😉 In der Tat, die Piste ist ein wenig anspruchsvoll, aber zu meistern. Die Traktion ist kein Problem, schon gar nicht bei einer überwiegenden Bergabstrecke. Auch bergauf wäre es gegangen. Anspruchsvoll sind eher die ausgewaschenen Rinnen und Beulen, die zielgenaues Steuern erfordern. Es gelingt uns in langsamer, konzentrierter Fahrt alle Schwierigkeiten zu meistern und nicht ein einziges Mal aufzusetzen.
Sehr überrascht sind wir von einer Ausstellung in eben diesem Centro, dass sich moderner Kunst widmet. Fast schon virtueller Kunst. Aber eben nur fast, denn dieser Ausschnitt aus einem fotorealistischen Bild ist Realtität, allerdings geschaffen von künstlicher Intelligenz. Eines aus einer ganzen Auswahl verschiedenster Motive. Freunde von Jean-Luc Picard erkennen hier zweifellos eine Borg.
Eins der großen Probleme für einen Segler, der El Hierro besucht, sind die vorherrschenden Winde. Man kommt gut hin, aber schlecht wieder weg. Zumindest wenn man eine andere kanarische Insel ansteuern will und nicht einfach Richtung Kapverden aufbricht. Es benötigte also etwas Geduld, bis sich passende Windverhältnisse abzeichneten. Am Sonntag, dem 17.03. war es dann soweit. Wir müssten Gomera mehr oder weniger anliegen können. Zunächst stießen wir auf mäßigen Wind. Die Richtung war nicht ganz die angesagte, zusätzlich ärgerte die Strömung (der Kanarenstrom): San Sebastián auf La Gomera ließen sich nicht direkt ansteuern. Der mögliche Kurs wies an den Südzipfel Teneriffas. Geduld war gefragt. Unser Steuerkurs wand sich nach einiger Zeit mal günstiger, mal nicht und der Wind wurde schließlich so schwach, dass wir nach 4 Stunden die Maschine starteten. Etwa 15 Minuten später war er wieder da, der Wind. Und nicht zu knapp. Und er drehte nach wenigen Minuten sehr freundlich nördlicher und erlaubte damit den rechten Kurs. Segeln ist halt immer wieder eine Überraschung!
Martin und Conny von der Isly meldeten sich irgendwann auf UKW. Sie waren 2 Stunden vor uns gestartet. Aufgrund der inzwischen rauen Bedingungen gaben sie ihr ursprüngliches Ziel Teneriffa auf und steuerten ebenfalls nach San Sebastian. Gegen 14:00 hatten wir sie, da auf direkterem Weg segelnd, übrigens überholt und ein Suchfoto von ihnen geschossen. Um halb sechs lagen wir leicht durchgeschüttelt, aber nun fest und ruhig auf dem uns mittlerweile vertrauten Liegeplatz in San Sebastian am Steg. Conny und Martin tauchten eine Stunde später ebenfalls auf und konnten unmittelbar neben uns einparken. Das freudige Wiedersehen müssen wir nicht extra erwähnen. Oder?