En contra los Alisios

En contra los Alisios

Als hätten uns die Gomeros zurück nach San Sebastian gerufen und wollten uns festhalten. Aber wir wollen weiter. Schritt für Schritt.

Alisios heißen im Spanischen die Passatwinde. Die hatten wir zwar immer etwas südlicher verortet, aber wir wollen nicht ausschließen, dass das nur mangelndes Wissen war. Jedenfalls werden auf den Kanaren die hier vorherrschenden Winde aus nördlichen Richtungen bereits zu den Alisios gerechnet. Und en contra heißt, wie man sich denken kann, gegen oder entgegen. Und das machte die geplanten Etappen zu einer kleinen Herausforderung: Wir mussten die richtigen Wetterlagen und Änderungen der lokalen Windverhältnisse erkennen und für uns ausnutzen. Doch dazu später. Dem Beitrag vorangestellt ist ein bei solcher Gelegenheit entstandenes, aktuelles Foto von Mago del Sur unter Segeln. (Foto: Rainer Möller)

Als ich, Martin, gerade erst angekommen durch eine der beiden Hauptstraßen von San Sebastian schlenderte, stieß ich wieder auf das Bild der Silbo pfeifenden jungen Frau. Mir schien es, als hätten uns die Gomeros wieder zu sich gerufen, jedenfalls fühlte ich mich sofort heimisch. Die Bäckersfrau scherzte mit mir wie gewohnt über das Wetter und die nächsten Parties, und der alte Knabe, der wie bei den letzten Aufenthalten jeden Morgen im gleichen Frühstückslokal saß, grüßte erfreut und wiedererkennend zurück.

Kaum in der Marina angekommen, strebten wir allerdings nach Höherem. Genauer ausgedrückt, die Aufgabe in der Höhe wurde an Martin delegiert. Der Geber für die Windgeschwindigkeit schien seit einiger Zeit zu schwächeln. Jedenfalls passten die zurückhaltenden Angaben auf unserer Windanzeige nicht zu dem gefühlten Wind – da dürfen wir schon etwas auf unsere im Lauf der Jahrzehnte geschulten Körpersensoren (Haut, Auge, Haar) vertrauen – und noch weniger passten sie zu den teilweise dramatisch abweichenden Angaben unserer Parallelsegler oder auch Stegnachbarn. Am Masttopp angekommen genügte bereits ein Fingertest, um festzustellen, dass das Schaufelrad des Windsensors unregelmäßig lief und gegen Widerstände ankämpfte. Also ab das Gebilde und dieses im Cockpit verarztet. 

Da konnte etwas nicht stimmen. Das zweite Display von links behauptet, wir hätten 11,9 kn scheinbaren Wind aus einem Winkel von 60 Grad. Das zweite von rechts gibt an, das wir mit 8,7 kn (oberer Wert) dahineilen. Die Geschwindigkeit wäre für unsere Mago bei einem solch doch recht moderaten Wind kaum möglich. Da unsere Fahrtgeschwindigkeit auch von einem unabhängigen GPS bestätigt wurde, musste der Fehler bei der Windanzeige, mit großer Wahrscheinlichkeit bei deren Sensor, zu suchen sein.
Nachdem unser bewährter alter BMS-Bootsmannsstuhl nach weit über 20 Einsatzjahren wahrlich seinen Zenit überschritten hatte, mussten wir lange suchen, bis wir eine gute Alternative gefunden hatten. Wie man sieht, haben wir sie jetzt. Martin hat sich soeben „angeschirrt“ und freut sich, mal wieder im Bootsmannsstuhl sitzen zu können. Wobei dieses Wort einer heutigen Steig- und Mastarbeitshilfe kaum noch gerecht wird. Das Testsitzen im Bild – es dient der Prüfung, ob alles einwandfrei angelegt ist – sieht doch saubequem aus, oder? Wer sich über den losen Spinnakerschäkel wundert: Martin knotet die beiden ihn tragenden Fallen an den Bootsmannsstuhl, er benutzt aus Sicherheitsgründen nie die Schäkel. Das graue Fall, an dem Anke ihn hoch zieht, wird über eine (frei laufende) Mastwinsch nach achtern umgelenkt. Das ihn sichernde, schwarze Fall ist auf dem Foto kaum zu sehen.
Ausblick oben: der Masttop und die Umgebung

Bei der „Instandsetzung“ half uns ein kleiner Tipp, den wir in einem Video von Christoph und Marion gefunden hatten. Wir drehten die Schaufelrädchen an ihrer frisch geölten Achse mit Hilfe eines Akkuschraubers, verzichteten jedoch auf das ebenfalls empfohlene Spüliwasserbad. Das hätten die im Sensorgehäuse untergebrachten, unversiegelten elektronischen Bauteilchen sicher übelgenommen.

Dann war da auch noch Connys Geburtstag. Wir feierten den mit Brunch bei den beiden an Bord der Isly und gemeinsamen Abendessen in einer – ja, wir wissen nicht genau, was es war. Jedenfalls Martin, der andere ist gemeint, stürmte einfach in die Sackgasse, an deren Ende über einem Gittertor etwas von Seniorenstätte stand – und wir fanden eben hinter besagtem Tor eine Freiluftgastronomie. Hier ging es etwas ruhiger zu, es gab nur eine kleine Karte, aber irgendwie war dann alles perfekt. Das was es gab war erstens lecker und zweitens fast durchweg hausgemacht. Die Chefin plauderte gegen Ende des Abends mit uns – ich hab vergessen, was wir so austauschten. Es war, um das ganze zum Abschluss zu bringen, ein rundum gelungener Geburtstagsabend.

Martin der andere stattet die Geburtstagstorte #1 mit einer Jahreszahl aus. Bitte beachten, es ist ein runder Geburtstag, der auf 5 endet, aber das erste Zahlensymbol ist ein Fragezeichen. Rechts Conny, die glückliche Geburtstagsfee.
Glückliche Jahresanhäufung oder so ähnlich lässt sich der spanische Schriftzug übersetzen. Hier sind Geburtstagstorte #1 und ein Geburtstagskuchen #2 auf einem Teller vereint.
Geburtagskuchen mit Sekt

An einem der Tage in San Sebastian nutzten wir die Gelegenheit und machten einen Test- und Checktörn mit den beiden an Bord der Mago. Hat uns viel Spaß gemacht und wir hoffen, den beiden auch. Als wir in die Marina zurückkehrten zeigte sich bereits grenzenloses Vertrauen der Marineros. Es tauchte nämlich keiner auf, um uns beim Anlegen zu unterstützen. War auch nicht nötig. Klar, gelle?

Dann war der Tag der Abreise da, der Wind sollte günstig sein, und wir eilten los, an Teneriffa vorbei direkt nach Puerto Mogan. Die vergleichsweise lange Fahrt war letztlich doch unerwartet kurzweilig. Wir versuchten – zwar erfolglos – zu angeln, hätten allerdings statt Fisch beinahe ein Motorboot am Köder gehabt, das dicht hinter uns durchgehen wollte. Wir konnten ein Unglück gerade noch abwenden. Ansonsten genossen wir es, die Sturmvögel zu beobachten, die uns lange begleiteten.

Ein in letzter Zeit seltenes Bild: Der Teide zeigt sich bei unserer Annäherung weitgehend unverhüllt – wenn auch am Gipfel mit Zipfel. Er zeigt auch Schnee, und das ist schon irgendwie besonders.
Ohne Worte
Wir haben Spaß am zügigen Vorankommen.
Mago schrammelt dicht an Teneriffa vorbei. Diese komische „Mauer“ am Ufer ist ein riesiges Foliengewächshaus.
Corys Shearwater oder Corys Sturmvögel (Calonectris borealis) sorgen für Kurzweil. Hier fliegt einer dieser Gesellen gerade auf. Das sind die Vögel, die in manchen Häfen in der Nacht wie wildgewordene Micky-Mäuse herumkreischen.
Die sinkende Sonne schafft wunderschöne, warme Lichtstimmungen …
… und taucht das vor uns liegende Gran Canaria in warmes Licht.

Puerto Mogan erreichen wir erst bei Dunkelheit. Trotz des recht frischen Windes auf den letzten Meilen ist es im Hafen wie meist ausgesprochen ruhig. Für uns unerwartet erhalten wir einen Liegeplatz an der Außenmole. Und der ist gar nicht so schlecht, da wir trotz Bugmurings an Schwimmstegen liegen, was das Leben gegenüber der Mauerkletterei bei unserem letzten Aufenthalt doch deutlich vereinfacht.

Die Außenmole bietet eigene Reize. Wir hatten bei unseren bisherigen Aufenthalten gar nicht wahrgenommen, dass man sie beklettern kann. Wie man sieht, man kann. Und von dort bietet sich allabendlich ein toller Blick auf Meer und die untergehende Sonne. Wie man sieht ein sehr beliebter Ort bei jungen Leuten.
Puerto Mogan bedeutet für uns diesmal vor allem ein paar entspannte Tage. Man sieht´s.
Ab und zu schlendern wir durch den Ort, bestaunen das Strandleben. 😉 Es gab jedoch nicht nur pralles Leben zu bestaunen. Auch das Gegenteil …

… es gab auch was jenseits des Lebens. Wir schlenderten erneut durch das Ausgrabungsgelände, denn da fehlte uns noch die Hälfte. Beim letzten Mal hatten wir das mit den Öffnungszeiten nicht richtig verstanden und waren pünktlich raus, dabei gab es die uns noch unbekannte Möglichkeit, über das Cordial Mogán Playa, ein Nobel-Hotel, das Gelände auch später zu verlassen. Und – Geheimtipp: über das Hotel kommt man sogar ohne Eintritt auf das Gelände. Nur muss man in dem verwinkelten Gängen des Hotels den rechten Weg dorthin finden.

Ach ja, der uns bislang unbekannte Teil der Ausgrabungen war sehr interessant. Man musste teilweise sehr genau hinschauen, aber dann sah man erstaunliche Details – jenseits des Lebens eben.

Wir wollten jedoch nicht ewig in Puerto Mogan bleiben, es zog uns nach Las Palmas und eigentlich noch weiter. Doch eins nach dem anderen. Irgendwann sagte der Wind günstige Bedingungen für die Passage rund um Gran Canaria voraus. Im Norden herum war möglich und ebenso im Süden herum. Da der letzte Bogen 5 Seemeilen kürzer sein sollte, entschieden wir uns für den. Noch gar nicht lange unterwegs entdeckten wir in einer Bucht eine Excess, die uns sehr vertraut vorkam. Und tatsächlich, wir stießen auf die Geronimo. Wir drehten gleich auf sie ein, da wir noch ein Buch – eine Segel- und Riggtrimmfibel – zurückgeben mussten. Rainer ging allerdings gerade Ankerauf. Nun, das war auch nicht verkehrt. Da würden wir die Übergabe eben in Las Palmas machen.

Anfänglich herrscht kein Wind und wir genießen – wenn auch unter Maschine – die wildromantische Küste Gran Canarias.

Wenig später: Geronimo hat die Ankerbucht verlassen und kommt langsam auf.

Aus der Perspektive erkennt man erst, wie breit die Rümpfe doch sind.
Natürlich wurmt ein klein wenig, dass Geronimo schneller ist ☹, doch wer will sich schon auf ein aussichtsloses Rennen einlassen? Wir nicht 😊. Dafür kommen wir nun erstmals zu Bildern von Mago unter Segeln. (Foto: Rainer Möller)
Geronimo zieht vorbei. Rainer und Tochter.
Noch segeln wir fröhlich vor uns hin. Aber: Der Wind verhält sich merkwürdig. Nachdem er recht lange auf sich hat warten lassen, kommt er nach unserem Eindrehen auf nördlicheren Kurs zunehmend kräftig rein. Sehr kräftig. Etwa auf Höhe des Flughafens ist er dann wie prognostiziert plötzlich weg, um dann völlig gegen alle Vorhersagen wieder aufzufrischen. Und das genau von vorn. Das sollte es eigentlich gar nicht geben. (Foto: Rainer Möller)
Geronimo zieht mit achterlichem Wind davon. Am Wellenbild ist gut zu sehen, dass der Wind reichlich aufgefrischt hat. Zwischen dem vorangegangenen Bild und diesem sind vielleicht eine Viertelstunde vergangen.
Erster Vorbote von Las Palmas. Hier liegen mehrere Explorationsschiffe vor Anker und im Hafen.
Am Morgen danach. Der äußere Teil des Hafens von Las Palmas im Licht der noch tief stehenden Sonne.

In Las Palmas war gar nicht, wie man vielleicht vermuten würde, urbanes Sightseeing angesagt, sondern in erster Linie Bootsarbeiten. So haben wir beim Radar eine fehlende Sicherung ergänzt, aber die Ursache für sein Nichtstun bislang nicht ergründen können, zwei unserer drei Gasflaschen aufgefüllt, die Folienfenster der Sprayhood erneuern lassen, die Sprayhood gewaschen und neu imprägniert, den Zapfhahn für das Prüfwasser (Wassermacher) gedichtet und in dem Zulaufschlauch zum Zapfhahn eine Trennstelle ergänzt sowie mit viel Kabelzieherei einen Temperaturüberwachungsmonitor ergänzt, der uns nun Auskunft über Auspufftemperaturen von Maschine und Generator sowie die Öltemperatur des Getriebes gibt.

Zudem gab es einige organisatorische Angelegenheiten zu erledigen, natürlich wieder stundenlange Beschäftigung mit den heimischen Baustellen, und aufgrund der ausgeprägten Segler-Community auch einen sozialen Einfindungsprozess. Anke machte mir das mit dem Daumen nach, wählte allerdings den linken und als Werkzeug einen Parmesanhobel. Auch sehr wirkungsvoll, aber ernsthaft nicht zur Nachahmung empfohlen.

Ganz zu Anfang erlauben wir uns trotz des trüben Wetters einen kleinen Stadtspaziergang. Wir besuchen den Strand …
… erkunden Orte, an denen wir Kultur begegnen können …
… oder bleiben auch nur vor einer blanken Wand stehen. Wir erleben eben Urbanität.
Ausgerechnet unser Ausflug zum DISA-Gelände – im Vorort Telde kann man sogar deutsche Gaszylinder befüllen lassen – erlaubt die Wartezeit Naturbeoachtungen …
… genauso wie es in der unmittelbare Umgebung der Marina möglich ist. Man muss sich nur die Mühe für den genauen Blick geben.

Auch hier hat jemand den genauen Blick besessen, etwas nachgeholfen, und schon begegnen wir dem Blick der anderen Gestalt.

Beim Abwasch und Abtrocknen von Parmesanhobeln sollte man konzentriert sein, sonst droht Übles. Anke kann das bestätigen. Aufgrund des transparenten Pflasterverbands sieht es allerdings nicht dramatisch aus. Auch halfen die Steri-Strips bei der Wundversorgung. Deren Möglichkeiten wurden uns erst bei Martin’s Malheur so nach und nach bewusst. Bei Anke konnten wir nun mit besserem Wissen auf ein paar Nadelstiche verzichten. Und Martin hätte doch so gerne mal genäht … Doch heute heißt es Kleben statt Nähen.

Vielleicht ist es besser, auf die Heimarbeit in der Küche zu verzichten und essen zu gehen. In Las Palmas gibt es im Altstadtviertel jeden Donnerstag einen Tapasabend. In ein, zwei Straßen des Viertels bieten die Restaurants und Kneipen Tapas und ein Getränk zu relativ günstigem Preis an. Die Qualität ist unterschiedlich. Mit die besten Tapas gab es in einer Bar, die an der Aktion gar nicht beteiligt war. Wir haben sie am Ende unserer Entdeckungstour gefunden. Im Kreis: Christine, Anke, Christine, Bernd, Thomas.

Sieht doch sehr gut aus, oder?

In den nächsten Wochen wird es wohl eine Lücke geben, denn wir planen einen Ausflug nach Marokko. Eigentlich wollten wir nach Agadir segeln, doch in der letzten Zeit schien sich das Wetter gegen uns verschworen zu haben. Daher entschlossen wir uns zu Ferien vom Bootsleben, was bedeutet, wir fliegen nach Marokko.

Interessanterweise wird der Nachsatz zum Blog gerne überlesen und wir werden immer wieder gefragt, wie man denn rechtzeitig erfährt, dass ein neuer Beitrag erschienen ist. Dabei ist es so einfach: Einfach auf diese Zeile klicken und dann weiter machen, oder alternativ die Seite Kontakte öffnen, und auf der das Abo bestellen.

In manchen Ländern, beispielsweise in Japan, ist Nachahmung wertgeschätzter Teil der Kultur. Achtet drauf, wenn Ihr etwas nachahmt, was Ihr nachahmt 😉 und macht es nicht wie Anke.

Martin und Anke

Ein Gedanke zu „En contra los Alisios

  1. Ihr Lieben,
    immer wieder gerne lesen wir Eure Berichte und sind in unseren Gedanken bei Euch. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen in der Heimat.
    Liebe Grüße und tausend Küsschen!
    Norbert und Eva

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