Weiberfastnacht ist hier augenscheinlich kein Begriff, so war am vergangenen Donnerstag nichts los. Am Freitag dagegen wurde in Santa Cruz stattdessen der Dia de la Peluca begangen, der Tag der Perücken. Das bedeutet, ein jeder, der sich in die Stadt begibt und etwas auf sich hält, trägt Perücke. Na ja, sagen wir mal fast jeder. Unwissende Touristen fallen schon mal aus dem Rahmen. Auch darf man den Begriff der Perücke eher weit fassen. Die Übersetzung „Tag der Kopfbedeckung“ trifft die Erscheinungen, die man antrifft, besser. Am Sonntag findet dann der Dia de los Indianitos statt. Die Vorwegnahme der hiesigen Variante des Rosenmontags für die Kleinen. Die meisten von ihnen tragen an diesem Tag weiße Kleidung, angelehnt an die Kleidung der karibischen Oberschicht aus der zweiten Hälfte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, und streuen im Rahmen eines Umzugs und natürlich auch davor und danach Talkum durch die Gegend. Das Talkum ist ausweislich der Beschriftung der Streubehälter kindergeeignet!
Am Rosenmontag geht es dann richtig rund. Allerdings nicht so, wie wir es kennen. Man feiert mit der Fiesta de los Indianos die Ankunft der (vorwiegend in Kuba) zu Wohlstand gekommenen, superreichen Auswanderer der Insel bzw. die Ankunft von deren Nachkömmlingen. Mittelpunkt dieser Feier ist La Negra Tomasa, eine Parodie auf die Dienstmädchen, die die reichen Heimkehrer und Besucher begleiteten. Ansonsten ist jeder gut beraten, sich an diesem Tag möglichst hell, d.h. in weiß oder ganz hellen Naturtönen zu kleiden. Auch ist ein Hut hilfreich, um die Haare, mehr noch die Augen zu schützen, denn an diesem Tag fliegt Talkum tonnenweise durch die Luft. Eigentlich müsste man auch die Atemwege schützen, denn dieses „Puderfest“ ist eine Art kollektive Selbstverseuchung mit Feinstaub. Aber diesbezüglich sind wir ja hart im Nehmen und außerdem wollen wir ja mit den Einheimischen leben und natürlich auch feiern, also nichts wie rein in das Getümmel und den Talkumpudernebel. Ansonsten herrscht gute Stimmung, die meisten Menschen sind nicht nur hell sondern auch gut gekleidet, viele Damen tragen umfangreichen Perlenschmuck, und zwischendurch huschen hier und da Negritas umher. Der Rest sind daher einfach nur Bilder.
Seit 1992, also seit mehr als dreißig Jahren wird die Negra Tomasa von ein und der selben Person verkörpert, Víctor Lorenzo Díaz Molina, genannt Sosó. Heute merkt man der zu einem Symbol gewordenen Verkörperung eines farbigen Dienstmädchens das Alter an, immerhin ist Víctor inzwischen 81 Jahre alt. Die Bewegungen und sein Tanz sind doch erkennbar müde, zumal er unter seiner Maske und Kleidung ganz schön ins Schwitzen kommen muss. Aber er bzw. sie gehört unverzichtbar zum Karneval von Santa Cruz de La Palma. Interessant auch, dass in diesem Jahr nach Angabe der Polizei etwa 60.000 Besucher, überwiegend von den anderen Inseln nach Santa Cruz gekommen sind. Die Fähren haben sogar einen Sonderfahrplan bedient. Zum Vergleich, Santa Cruz hat rund 15.500 Einwohner.
Zwei Damen aus der superreichen Oberschicht.
Ach ja, den Aschermittwoch gibt es auf den Kanaren nicht. Daher wird auf La Palma weiter gefeiert bis zur „Beerdigung der Sardine“ am Samstag nach dem Puderfest, dem offiziellen Ende des Carnaval. Allerdings ist es in der Stadt mit Ausnahme des Rummels beim Hafen (Dom oder Kirmes für die, die den Begriff Rummel nicht kennen) nach dem Puderfest erst einmal ruhiger geworden.
Wo die Ursprünge der „Beerdigung der Sardine“ zu suchen sind, ist unklar. Es gibt verschiedene Erklärungsversuche, aber keine ist überzeugend. So nehmen wir das einfach mal hin wie es ist: Eine Sardine, die verstorben ist, fängt ziemlich schnell zu stinken an, besser man bringt sie zügig unter die Erde oder äschert sie ein und freut sich anschließend über die geruchsneutrale Luft.
Brot ist bereits aus, aber es gibt noch Rotwein und gegrillte Sardinen, die übrigens sehr lecker sind.
Eigentlich wollten wir noch die nächste, eine offenbar kubanische Band genießen, doch die benötigte für den Soundcheck derart viel Zeit, dass einige aus dem Publikum schon gingen. Wir schlossen uns an, denn morgen würden Leena und Carsten zu Besuch kommen. Da müssen wir früher aus den Federn.
Auch wenn es (fast) vorbei ist, an dieser Stelle noch ein paar verspätete karnevalistische Grüße von
Martin und Anke
PS.: Jetzt ist es schon der 17. Februar, der Tag nach der Sardine Ende. Und hier wird immer noch gefeiert! Wieder spielen diverse Bands und es gab wohl einen Kostümwettbewerb. Wir kommen nicht mehr mit.