Nach La Palma

Nach La Palma

Nach all den Ausflügen wieder an Bord und ohne den Zwang, das Auto zu nutzen, rufen sogleich ein paar kleine Bootsarbeiten. Beispielsweise ist das Bürkert-Ventil des Wassermachers an das Amel-typische „Bonding“ anzuschließen, dessen physikalische Logik sich mir bis heute nicht wirklich erschlossen hat. Falls jemand aufklären kann, bitte gerne. Weiter ist der Hauptseewasserfilter zu säubern – unerwarteterweise ist der kaum verschmutzt – die Arbeit war umsonst, na und dies und das ist zu tun. Und – großes Ausrufezeichen – Anke bekommt das Iridium Go Exec ans Laufen. Schon fast peinlich: Ursache aller Probleme mit dem Iridium war eine lächerliche Einstellungsfrage. Da hatten wir schlicht eine falsche Empfehlung erhalten. Am letzten Tag vor unserem unvermeidlichen Auslauftermin – die Amarilla Marina hat uns nur einen zeitlich befristeten Liegeplatz bieten können – stellen wir fest, dass sich der Ruderquadrant abgesenkt hat und auf dem darunter angebrachten Bodenbrett schleift. Das ist schnell geregelt, aber ich knalle die Haltebolzen des Quadranten derart an, dass mir nachher einige Tage lang Hand und Ellenbogengelenke schmerzen.

Und dann steht auch schon die Überfahrt an. Die Fahrt nach La Palma. Rund 75 Seemeilen, die wir gerne im Hellen zurück legen wollen. Präziser: Die Ankunft soll noch im Hellen erfolgen, was unangenehm frühes Aufstehen bedeutet. Doch genug der Worte, Bilder genügen.

Dies und das Folgebild als Trost für die, die am Boot schrauben müssen und keine Ausflüge und Törns machen können – auch bei uns kommt das fast tagtäglich vor! Schwarz und bronzefarben, das versteckt im Motorraum sitzende Bürkert-Ventil, nun am Amel-typischen Bondingsystem angeschlossen (das gelb-grüne Kabel stellt die Verbindung her).
Der schwarze Kasten rechts ist das Iridium Go Exec. Der eigentliche Übeltäter bzw. die mit einem falschen „Setting“ versehene Einheit war jedoch eine Art Datenverschiebebahnhof, ein sogenannter Data-Hub, der sich im Navischrank hinter dem Bildschirm links versteckt.
Ruderschaft – das ist das eckige, vertikale Ding – mit Fixierung des Quadranten. Alles solides Metall. Damit wir in Zukunft rechtzeitig erkennen, wenn der Quadrant auf dem Schaft nach unten wandert, besitzt ersterer nun eine weiße Markierung. Vergrößert sich der Spalt zwischen Markierung und Flansch bzw. Konterplatte des Quadranten, ist das ein Zeichen, dass hier etwas nicht stimmt.
Wir sind früh aufgestanden. Soeben ist die Sonne über die Kimm geklettert. Das Deck glänzt. Wie das ganze Boot triefnass vom Morgentau. Das Besansegel steht, das Groß ist gesetzt. Beide dienen zunächst als Stützsegel. Der Wind ist nur eine Andeutung seiner selbst: Die Dieselgenua treibt Mago del Sur voran. (s. Titelfoto des Beitrags). Wenig später sind, wie das Foto oben zeigt, Groß und Besan weitgehend eingerollt, sie haben im fehlenden Wind lediglich nervtötend geschlagen.
Anke genießt die ruhigen Vormittagsstunden im Windschatten Teneriffas.
Etwas später: Auf große Entfernung sehen wir zwischen La Gomera und Teneriffa Pilotwale, auch als Grindwal bezeichnet. Leider kommen sie nicht zu uns, und wir nehmen uns ob der langen Strecke, die vor uns liegt, auch nicht die Zeit für einen Abstecher. Wahrscheinlich handelt es sich um Kurzflossen-Grindwale (Globicephala macrorhynchus), aber ganz sicher können wir nicht sein.
Nach epischer Motorfahrt verlassen wir endlich den Windschatten von Teneriffa. Der Wind nimmt zu, schnell setzen wir die Segel. Martins Hände an der Winschkurbel holen die Genuaschot dicht.
Es geht voran. Endlich unter Segeln !!!
Nachdem es zwischendurch recht heftig war, wird es mit zu nehmender Distanz zu Teneriffa wieder gemütlicher. Anke döst auf einer Vorschiffskoje, ich setze die Fock zur Genua, es geht mir zu langsam voran. Die Fock, das ist das linke Segel oben im Foto. Die Genua ist das größere Segel rechts.
Wie schön, mal wieder gewölbte Segel über sich zu sehen.
Unsere Segel haben mittlerweile über sechs Jahre auf dem Buckel, aber wir sind nach wie vor sehr zufrieden.
Stunden später schälen sich die Konturen La Palmas aus dem dichter werdenden Dunst.

Es gelingt uns tatsächlich, noch in der Abenddämmerung in den Hafen von La Palma einzulaufen, aber dort zieht es sich episch hin, bis wir auch in die eigentliche Marina einfahren können. Der Marinero ist mit einem unerfahrenen Helferlein allein und kann nur drei Boote am Stück abfertigen. Da wir nicht als einzige hier aufgeschlagen sind, müssen wir uns „anstellen“. So sind wir zwar im Hellen angekommen, aber das ganze Hafenprozedere spielt sich im Dunkeln ab.
Zwei Tage später sitzen wir bereits im Flieger nach Madrid, und kurz darauf nach Düsseldorf.

Kaum angekommen sind wir schon wieder weg. Gestartet nach Worpswede. Die Wolken sind gnädig, wir sehen etwas nördliches Teneriffa und eine Idee von Gran Canaria.
Nach dem Umsteigen in Madrid können wir den Sonnenuntergang über den Wolken genießen. „Die Freiheit über den Wolken …“

Die Ankunft in Worpswede war denkwürdig. Während ich nur die Heizung im Kopf hatte: „Schnell hochdrehen“, tat Anke, wie es ihre Art ist, einen gründlichen Rundumblick: „Hier tropft´s von der Decke!“ Willkommen in der Heimat! Man hatte den Eindruck, Wetter und Bauträger schienen der Auffassung, Wassersportler brauchen Wasser. Ganz so konnte es aber nicht sein, denn auch die Nachbarwohnung erwies sich als betroffen, und entlang der Leitungen der Solarthermieannlage lief das Niederschlagswasser einmal von ganz oben nach ganz unten nicht nur durch das Gebäude, sondern auch direktemang durch die Heiztherme. Wie meinte wenig später ein Segelkollege: Wenn Du auf Langfahrt gehst, sollst Du alles zu Hause los lassen. Da hat er wohl mehr als recht.

Es folgen zwei sehr dicht mit Terminen und Aufgaben angefüllte Wochen. Privates kommt viel zu kurz. Immerhin können wir einen kurzen Abstecher zu Freund Kaspar einbauen und den x0sten Geburtstag von Ankes Schwester mitfeiern – wenn wir ehrlich sind, das war der entscheidende Anlass für den Deutschlandabstecher.

Da es mit den Flügen gerade so passte, bot sich natürlich der Besuch von Mitgliederversammlung und Festabend des Trans-Ocean an. Ob der Besuch des TO-Festabends mit Mitgliederversammlung nun als privates Vergnügen durchgeht oder Verpflichtung? Nun ja, eine gewisse Verpflichtung war es, da ich die Laudatio auf die Preisträger des Ocean Award halten sollte. Um ehrlich zu sein, es war mir eine große Ehre, Rui und Renaud zu würdigen. Und wenn ich nicht gesundheitlich leicht angeschlagen gewesen wäre, wäre es sowieso das reinste Vergnügen gewesen. So viele Freunde und Bekannte waren gekommen. Bobby Schenk stellte seinen neu gestifteten Preis vor, und Jimmy Cornell hielt am Sonntagmorgen noch einen spannenden Vortrag über die sich ändernden Bedingungen auf Langfahrt – der Klimawandel ließ grüßen.

Für Martin eine besondere Ehre – er durfte die Laudatio für die Preisträger des Ocean Award halten: Rui Alves und Dr. Renaud de Stephanis. In der Mitte Rui und Renaud mit der silbernen „Schale“ und den zugehörigen Goldmedaillen, Boris Aljinovic präsentiert etwas verbogen die zugehörigen Urkunden und links der stolze Laudator. (Foto: Volker Kölling – © Trans-Ocean e.V.) Mehr Infos zur Preisvergabe können bei Interesse im vorletzten Blogbeitrag nachgelesen werden.

Martin bei der Laudatio auf Renauld und Rui. Es macht ihm sichtlich Spaß und die Würdigung der beiden und ihrer herausragenden Leistung für die Segel-Community war ihm – auch als „Betroffener“ – ein Herzensanliegen. (Foto: Volker Kölling – © Trans-Ocean e.V.)

Ganz zum Schluss gab es für Martin noch eine echte Überraschung: Ehrenrat und Vorstand haben seine Leistungen als Vorsitzender 2012 bis 2019 mit der Ehrenmitgliedschaft gewürdigt. Von links: Carsten Matthias (Vorstandsmitglied Bereich Digitales), Martin, Egon Lutomsky (langjähriges Vorstandsmitglied, stellvertretender Vorsitzender a.D. und zweimal wegen Ausfall des Vorsitzenden de-facto Chefe), der aktuelle Vorsitzende Marcus „Mauerblümchen“ Warnke. (Foto: Volker Kölling – © Trans-Ocean e.V.)

Damit es nicht nur um Martin geht: Gruppenbild am Ende des Festabends: In der Mitte unten Rita, Anja und Anja, die drei, die die Seele des TO verkörpern. Rechts außen Boris, der Conferencier und links daneben mit Mikro der Vorsitzende des Vereins. Links außen möchten wir noch auf die beiden Segeljungs hinweisen. Dazwischen all die Preisträger des Jahres 2023. (Foto: Volker Kölling – © Trans-Ocean e.V.)
So, jetzt ist aber Schluss mit TO. 😊
Am Morgen danach: Norddeutsch grau, aber nicht ganz so schlimm, wie man sich Cuxhaven im Spätherbst vorstellen könnte. Blick über eins der Hafenbecken auf die Elbe.
So ist es richtig: Graues Schietwedder während der Fährfahrt von Wischhafen nach Glückstadt. Da fühlt man sich endlich wieder zu Hause. Vom TO-Treffen machten wir noch einen Abstecher zu Freunden.
Trotz all der Termine, es gab doch noch hier und da Zeit, um sich zu entspannen – hier bei den ersten Schritten auf dem Bremer Weihnachtsmarkt – oder …
… sich mit Freundinnen zu treffen und vor dem Besuch des Bremer „Schlachtezaubers“ noch vorzuglühen. Wie man sieht, glüht man mit Glühwein vor, und wir verraten kein Geheimnis, wenn wir erwähnen, dass mit Glühwein weiter geglüht wird.
Um dem Norden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Er kann auch anders …
Echt jetzt, er kann!

Die Tage vergingen wie im Flug, und schon standen wir wieder am Counter des Flughafen Düsseldorf. Mit viel Glück schleuste uns der diensttuende Holländer durch, ohne Übergepäck zu monieren, wir hatten unter anderem schwergewichtige Ersatzwinschen für Freunde in unseren Reisetaschen, und schon ging es zurück in den sonnenverwöhnten Süden. Dachten wir. Die Richtung stimmte, doch etwas ungewöhnlich waren die Wetterverhältnisse.

Ha! Auch La Palma kann anders. Wär ja gelacht! Echt norddeutsches Wetter empfängt uns auf La Palma. Strömender Regen, Kälte. Immerhin wurde der Umstellungsschock so dramatisch gemildert.
Der nächste Morgen, Blick aus dem Cockpit zur Marinaeinfahrt (zwischen den Türmen). Ohne die Berge im Hintergrund hätten wir nicht gemerkt, dass wir doch nicht mehr in der norddeutschen Tiefebene sind.
Noch ein Tag später keimt Hoffnung auf. Die Wolkendecke lässt zeitweise ein klein wenig nach, und für ein zaghaftes Viertelstündchen ist sogar der Teide präsent.
Und was die Musiker vortragen, das wird Thema des nächsten Beitrags sein.

Nicht wirklich erstaunt stellen wir fest, dass schon wieder ein Jahr vergangen ist. Ein Jahr voller Eindrücke und Erlebnisse. Und ungefähr ein Jahr ist es her, dass wir in Hamburg einen netten Besuch in einem uns bis dahin völlig unbekannten Ton-Studio machten. Das Ergebnis war ein Podcast.

Und zum quasi einjährigen Jubiläum erlauben wir uns, diesen Podcast noch einmal zu verlinken. „Wie segelt man um die Welt?“ war das Thema, über das wir mit Nikolaus Gelpke (Mare Verlag) und Katrin Krämer (Radio Bremen) austauschen konnten. Auf diesen link klicken, dann nach unten scrollen, auswählen und reinhören.

Zu guter Letzt möchten wir auch mal wieder auf die Möglichkeit eines Abos hinweisen: Wer in Zukunft keinen Beitrag mehr verpassen will, kann unseren Blog abonnieren, und das geht einfach über die Seite Kontakte, oder viel einfacher, indem man hier klickt.

Liebe vorweihnachtliche Grüße aus dem bereits kräftig herausgeputzten Santa Cruz de La Palma

Anke und Martin

4 Gedanken zu „Nach La Palma

  1. Hallo Martin und Anke,
    Glückwunsch an Euch beide zur Auszeichnung von TO.
    Mit ist schon klar, dass formal nur Martin Ehrenmitglied wurde; doch erfahrungsgemäß werden herausragende Leistungen oft dadurch begünstigt, dass die Partnerin so ein Engagement mitträgt und dem „Frontsänger“ den Rücken freihält.
    Für die nächste Zeit wünschen wir Euch viel Vergnügen auf der reizvollen Wanderinsel La Gomera.
    Beste Grüße
    Andreas mit Heike

    1. Lieber Andreas, liebe Heike,
      das habt Ihr schön gesagt. Ohne Anke wäre vieles nicht möglich gewesen, daher begreifen wir die Ehrenmitgliedschaft als gemeinsame Auszeichnung. Und herzlichen Dank für die Glückwünsche.
      Ähnlich ist es ja auch mit unserer Stützpunkttätigkeit. „Offiziell“ bin ich, Martin, Stützpunktleiter, doch wir machen das natürlich gemeinsam und jeder bringt seine Fähigkeiten und Kenntnisse ein.
      Liebe Grüße, Martin und Anke

  2. buenas tardes Anke und Martin,
    schön dass ihr wieder gesund und munter in La Palma angekommen seid. Die vergangenen Tage und Wochen waren ja nach eurem Report ziemlich abwechslungsreich, um´s mal nett auszudrücken. Glückwunsch zur Ehrenmitgliedschaft! Ehre wem Ehre gebührt.
    Ich war am vergangenen Mittwoch in München bei der lokalen TO Versammlung, wobei auch der halbe TO Vorstand anwesend war. Wolfi Quix wurde geehrt, und Bobby Schenk sowieso. Wir saßen nebeneinander und hatten uns viel zu erzählen. Wir waren ja auch auf einigen seiner Blauwasser Seminare in HH usw. War nett und spät, für mich vom Bodensee ein bißle weit für regelmäßige Besuche zu fahren. Wie bei euch.
    Nun die große praktische Frage: Du beschreibst bei Euch an Bord das Iridium Go exec als Kommunikationseinrichtung. Wohltuend, mal nichts von Starlink bei euch zu lesen. Oder etwa auch schon in der Planung? Mich interessieren Eure praktischen Erfahrungen und Überlegungen, zumal ihr auch SSB / ham radio an Bord habt. Also schon fast der communication overload. Einfach mal so in den Wind gefragt.
    Danke fürs Aufschlauen und weiterhin eine schöne Adventszeit in La Palma.
    Beste Grüße
    Ulrich
    „Soleil Bleu“ / A54#088

    1. Hallo Ulrich,
      erst einmal vielen Dank für die Glückwünsche. Mich hat die Ehrung sehr überrascht, zumal sie ja ganz am Ende des Abends kam, an dem man eigentlich nichts mehr erwartete 😉
      Tja, Starlink oder Iridium Go Exec. Wir trauen einfach der Geschäftspolitik von Elon nicht, daher war Starlink keine Option. Ein weiterer Vorteil ist, dass man das Iridium Go Exec genauso wie das ältere Iridium Go in die Rettungsinsel mitnehmen kann. Die anfänglichen Schwierigkeiten mit Iridium waren tatsächlich einem Fehler bei den „Settings“ geschuldet. Aber so kann es halt gehen bei all den modernen Systemen. Praktische Erfahrungen haben wir noch nicht viele. Immerhin, das Iridium trackt uns zuverlässig über PredictWind und der Testanruf bei der Notfallzentrale (IERCC Safety Services) hat problemlos geklappt. Auch das Laden von Wetterdaten über PredictWind (wir haben eine Kombi PredictWind/Iridium erworben) funktioniert gut.
      Beim SSB habe ich noch Probleme mit der Sprachkommunikation, nicht bei der Datenübertragung (z.B. Gribfiles). Da rätsel ich noch. Wir können dazu natürlich gerne telefonieren.
      Liebe Grüße, Martin und Anke

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