Arrecife bis Puerto de Mogan
Die Fahrt von Arrecife zum nächsten Bestimmungsort führt uns immer an der Küste Lanzarotes entlang. Irgendwie ist das nicht so aufregend. Anfangs. Und da alles sehr ruhig verläuft, beschließe ich, mir schnell am Heck den Schweiß abzuduschen. Ich stehe gerade eingeseift am Heck und greife nach der Dusche, da werden wir auf Kanal 16 angerufen. Ein Mayday, also ein Seenotfall. Das spanische MRCC informiert uns von einer abgetriebenen Person, die an einem floating device geklammert auf das Meer hinaustreibe. Was diese Schwimm- oder Auftriebshilfe konkret ist, kann man uns nicht sagen. Das MRCC bittet uns in dem vor uns liegenden Seestück scharfen Ausguck („sharp lookout“) zu halten. Wir reduzieren unsere Segelfläche um langsamer zu sein und scannen beide mit Ferngläsern die Umgebung. Ohne Erfolg. Nach einer halben Stunde kommt ein Rettungshubschrauber und fliegt den Küstenabschnitt vor und hinter uns ab. Scheinbar auch ohne Erfolg. Wir werden schließlich nach einigen Meilen on duty Richtung Hafen entlassen und von unserer Aufgabe entbunden – off duty. Wir konntenn nicht erfahren, ob die ganze Angelegenheit ein Blinder Alarm war, oder ob noch ein unglücklicher, besser glücklicher Mensch geborgen werden konnte.
In Puerto Calero erhalten wir einen komfortablen Liegeplatz zwischen weitaus größeren Booten. Außer einer Reihe Restaurants und einigen Touristenläden für die umgebenden Apartments und Hotels hat Puerto Calero nicht viel zu bieten, wenn man von den Ausflugsmöglichkeiten absieht. Beispielsweise ein riesiger Katamaran oder ein gelbes U-Boot, in das erstaunlich viele Menschen passen. Jedenfalls scheint der Ort sehr beliebt, wenn man sich die täglichen Touristenströme anschaut. und, äääh, da war doch was. Gelbes U-Boot? Yellow Submarine? Klicken!
Ansonsten gibt es nur noch Hotels, Appartments, Boutiquen, Gastronomie. Der einzige Supermarkt im gesamten Ort ist der kleine Hafenladen. Logischerweise extrateuer.
Für uns ist der Puerto Calero wichtig, da es hier Jean Michel gibt, einen Spezialisten für Dessalator-Wassermacher, so ein Ding, wie wir es an Bord haben. Am nächsten Morgen, um 09:00 Uhr, ist er bereits an Bord. Wir testen ein wenig herum, und schnell ist leider klar, die Membranen müssen erneut getauscht werden. Er ist dankbar, wenn wir die Arbeiten selbst machen, da er sehr viel um die Ohren hat, wird uns aber unterstützen. Vorsichtshalber einigen wir uns noch, über ihn neue Endkappen für die Membrangehäuse und ein paar weitere Teile zu bestellen, da irgendwo Luft in das System kommt. Bei seinem Erstbesuch entdeckt er ganz nebenbei, dass der Schwanenhals der Seewasserversorgung unseres Generators leckt, genauer, dessen Entlüftung. Dessen Existenz hatten wir bis dahin, ehrlich gesagt, noch gar nicht wahrgenommen.
Nach einigen Tagen bekommen wir mehr zufällig heraus, dass Jean Michel die Ersatzteile noch nicht bestellt hat, da er eine Anzahlung von uns will. Können wir ja verstehen, aber dann muss man das auch sagen. Wir zahlen, er bestellt, die Teile sind unterwegs, wir bauen die Membraneinheit in Erwartung der erforderlichen Arbeiten aus. Und im ausgebauten Zustand entdecken wir, was vorher nicht zu erkennen war: Die Endkappen der Membrangehäuse sind in diese eingedrungen und haben diese in einem Fall gesprengt. Wir brauchen also auch noch neue Gehäuse. Natürlich ist die alte Bestellung jetzt schon durch, also neuer Versand von Festlandsspanien, Zollgebühr (Pauschale) und Frachtkosten (Pauschale). Die dürfen wir jetzt zum zweiten Mal zahlen. Grrrmmmbll.
Anfangs kehrten wir ganz gerne in einem Café unten auf der Hafenpromenade von Puerto Calero ein, aber seit einer der Kellner versucht hat, Martin beim Wechselgeld zu betuppen, haben wir uns neu orientiert. Im ersten Geschoss eines der flankierenden Gebäude gibt es eine nette Bar, und die bietet sogar Aussicht über die Hafenmauer hinweg auf Meer und bei guter Sicht Fuerteventura. Und sie bietet neben lustigen Angestellten auch noch gute Cocktails. Foto: Zwar nicht im Bikini auf dem Vordeck, aber immerhin, Anke mit Pina Colada.
Auch der Klassiker Caipiroska, also Caipirinha mit Wodka statt des klassischen Cachaça, mein Favorit, lässt sich hübsch anschauen und darüberhinaus genießen. Warten auf Ersatzteile kann also durchaus angenehm sein. Wenn nur nicht die stetige Frage wäre, wann wirft uns die Marina endgültig raus?
Glücklicherweise geht es schnell mit der Lieferung, denn eigentlich und offiziell gibt es im Hafen keinen Platz mehr für uns. Die Marina benötigt die Liegeplätze für einen großen Hochseeangelwettbewerb aus Anlass ihres 40-jährigen Jubiläums. Immerhin, es klappt: Am letzten der noch herausgeschundenen Liegetage haben wir die Gehäuse-Röhren erst in der Hand und zu guter Letzt sogar eingebaut. Das wäre beinahe noch schief gegangen, da Jean Michel sie auf einem falschen Boot abgelegt hatte. Und nach erfolgreichem Einbau – man glaubt es kaum – ist das ganze Wassermachersystem fast auf Anhieb dicht. Vor allem der kritische Hochdruckbereich leckt nicht. Und dank Jean Michels Hilfe haben wir innerhalb von 48 Stunden auch einen neuen Entlüfter für den Schwanenhals bekommen. Extra angefertigt und für bescheidene 48 Euro! Jetzt können wir ertragen, dass wir auch genau heute und absolut endgültig aus dem Hafen komplimentiert werden. Man droht uns schon mit dem Zeigefinger.
Am nächsten Tag, d.h. an dem Tag nach dem Ultimatum für unser Verschwinden, erreichen wir mit ein paar Winddrehern und auch Aussetzern den Ankerplatz Playa Mujeres. Wir suchen lange und ausgiebig, denn der Ankerplatz ist berüchtigt für Steine und Felsplatten, die von einer nur dünnen Sandauflage bedeckt sind. Da hält kein Anker. Jedoch: Uns gelingt es, auf Anhieb einen guten Spot zu finden. Der Anker hält und nichts rumpelt und ruckelt an irgendwelchen Steinen und Felsen. Wir verbringen hier zwei Nächte und nutzen die Gelegenheit für den erfolgreichen Erstlauf des Wassermachers.
Es folgt ein längerer Schlag an fast ganz Fuerteventura entlang. Ein frischer Wind trägt uns zunächst flott an Isla Lobos vorbei an die Ostküste Fuerteventuras. Der Himmel ist zum größeren Teil von einer Altocumulusschicht bedeckt, und es ist diesig. Ein Hauch von Calima liegt in der Luft.
Leider dauert die schöne Segelei keine zweieinhalb Stunden und es bleibt anschließend erstmal nur die Maschine. Irgendwann am späten Mittag ratscht die Angel los. Martin stürzt vom Laptop zum Heck, bremst die ausrasende Sehne und beginnt ein langandauerndes Kurbeln. Anke gräbt derweil nach Gaff und Kescher. Mangels Angelerfolg in den letzten Monaten sind diese Dinge nicht gerade griffbereit gestaut. Schließlich gelingt es, wir haben alle Utensilien zusammen und auch der finale Fischzug gelingt: Ein feiner Echter Bonito schwebt an Bord (Katsuwonus pelamis). Und wenig später ist zumindest zeitweise das Segeln wieder möglich.
Wir hätten es dem bislang völlig unkooperativen Fischvolk gar nicht mehr zugetraut, aber heute haben wir tatsächlich Angelglück. Das Fischlein reicht gut und gerne für uns beide.
Kurz nach sieben, nach nicht ganz 11 Stunden und nach etwa 65 Seemeilen erreichen wir den Ankerplatz östlich des Hafens bei Morro Jable. Das Ankermanöver ist nicht anspruchsvoll und wir genießen das Angekommensein. Und etwas später Sashimi, und im Anschluss Reste des gestrigen Nudelgerichts. Als dabei die Sonne untergeht, zeichnet sich ein dunkler Schatten über dem Horizont ab. Trotz trüber Sicht dank Calima, wir sehen Gran Canaria!
Fertig mit dem Abwasch steigt Anke ins Cockpit, will sich abkühlen und entspannen. Ich höre prompt empörte Ausrufe und denke an einen zu nahe kommenden Co-Ankerlieger, ein Remmidemmi-Ausflugsboot oder wer weiß was Schreckliches. Doch nichts dergleichen. Draußen ist ein Fön eingeschaltet. Calima, aber so richtig. Ein gefühlt unglaublich warmer Wind steht einem ins Gesicht. Bis zu 50°C sollen möglich sein. Ganz so schlimm ist es aber nicht, wie unser Thermometer behauptet.
Wegen der Calima-Hitze haben wir schlecht geschlafen. Entsprechend unausgeschlafen und folglich leicht unharmonisch beginnen wir den Tag. Zu allem Überfluss haben wir auch noch viel Arbeit. Arbeit, die Harmonie erfordert und auch bewirkt. Schnell stellen wir fest, wir sind doch ein gutes Team! Zunächst baumen wir die Genua aus – ein ungeliebtes Manöver – dann hilft alles nichts, wir wechseln auf den Parasailor, auch viel Arbeit, zumal Anke ein neues Leinen-Setting für das Segel austesten möchte. Das funktioniert ausgesprochen gut und das große, bunte Segel bringt uns ein beträchtliches Stück voran. Später fahren wir wieder konventionelle Besegelung. Und wir müssen am Ende des Tages sagen, bei der mauen Wetterprognose hätten wir nicht erwartet, nahezu die ganze Etappe segeln zu können.
Irgendwann ist der Parasailor-Spaß vorbei. Der Wind hat weiter geschralt und wir segeln jetzt ganz klassisch mit Genua, Fock, Groß und Besan.
Unser angestrebtes Ankerziel Arguineguín, an das wir beste Erinnerungen haben, entpuppt sich als Enttäuschung. Und wir finden im fast schon mitternächtlichen Dunkel auch keinen Ankerplatz, an dem der Anker hält. Schließlich haben wir Glück: Nach einem nächtlichen Anruf in Puerto de Mogan heißt es, unser für Morgen gebuchter Liegeplatz sei bereits frei, wir dürfen kommen. Und damit es abends mit dem Essen nicht zu spät wird, braten auf Ankes wohlüberlegtes Drängen die Filets vom gestrigen Bonito noch unterwegs. Und wenig später geht es rückwärts in eine sehr enge Gasse zum vorletzten Liegeplatz im Eck, das die Kaimauer dort beschreibt. Angekommen im schlafenden Puerto de Mogan. Es ist etwa halb eins!
Diese Zeichnung fällt Anke sofort ins Auge. Beim Spaziergang an der Außenmole entlang. Eine Zeichnung, die an eine Reise der Falado von Rhodos 2012 erinnert. Mit dieser Brigantine war Anke Oktober 1983 über die Biskaya gesegelt. 2013 sank die Falado von Rhodos nahe der isländischen Halbinsel Reykjanesskagi. Der Untergang ist ziemlich spannend und auch lehrreich und es ist interessant, den Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung zu lesen. Der Bericht ist hier verlinkt.
Mit diesem etwas nachdenklich stimmenden Ende endet auch dieser Blogbeitrag.
Aus Puerto de Mogan grüßen Euch
Martin und Anke