Gibraltar

Gibraltar

Wir schreiben diesen Bericht, da sind wir natürlich längst über Gibraltar hinaus. Dass die Fahrt von Gibraltar gen Westen nicht ganz so wie geplant verlaufen ist, haben die vorausgegangenen Blogbeiträge ja gezeigt. Da gab es diese possierlichen, verspielten Tierchen. Nun, das liegt alles hinter uns. Doch nichtsdestotrotz ist Gibraltar einfach eine tolle Erfahrung, und daher fügen wir hier einen kleinen Rückblick ein.

Jetzt waren wir nicht zum ersten Mal in La Línea, aber diesmal hatten wir uns etwas Zeit vorgehalten, um Gibraltar zu erkunden und zu genießen. Womöglich ist das etwas unfair La Línea gegenüber, da dieses Städtchen ja stets im Schatten des so bekannten Nachbarn steht. Doch so ist das Leben.

Zunächst stehen in La Línea / Gibraltar allerdings die To do´s auf der Liste. Schon auf der Anfahrt tanken wir mal eben in Gibraltar preisgünstigen Diesel. Und am ersten Morgen steht a. der Besuch bei den Werkstätten von La Línea auf dem Programm, denn der dumme Hydraulikzylinder der noch dümmeren Wellenbremse leckt wieder, und b. ein Besuch bei Shephard’s, um Ersatz für unsere überalterten Rettungswesten zu erstehen. Solche Einkäufe lohnen sich in Gib besonders, da die von uns bevorzugten Modelle aus dem Vereinigten Königreich stammen und in Gib auch noch steuerbegünstigt erworben werden können. Wir bekommen sie letztlich für 65% des günstigsten deutschen Preises, und das ist schon ein Wort.

Es war etwas mühselig, nur selten Segelwind, viele Motorstunden. Aber schlussendlich sind wir hier und runden den Europa Punkt – Europe Point, wo sich Europa und Afrika fast die Hand reichen.
In der Bucht von Gibraltar herrscht der übliche Betrieb. Treibstoff ist günstig. So bunkern die große Kähne unseligerweise nach wie vor Schweröl, wir dagegen sauberen Diesel. Wer erinnert sich noch, dass die Umstellung der Großschifffahrt auf Schweröl eine Folge des Jom-Kippur-Kriegs und der Ölkrise von 1973 war?

Dass wir uns nicht nur dem Sightseeing widmen können, liegt an dem überraschenden Fund, dass der Wassersammler hinter dem Auspuff mangels ausreichenden Wassers etwas zu heiß geworden und sein Einlassstutzen regelrecht weggeschmort ist. Glücklicherweise können wir in halbwegs vertretbarer Zeit einen Ersatzstutzen bekommen. Und wenn man schon gerade dumm herumhängt, kann man auch mal wieder im Mast hängen: Martin bringt die letzten Maststufen, die im Topp des Großmastes an.

Nachdem die Maststufen nun durch die Bank montiert sind, entert Anke in den Mast und übernimmt die Aufgabe, Wanten, Stage, Mast und Leinen vom sandigen Staub der letzten Wochen zu befreien. Wie gut, dass wir beide weitgehend schwindelfrei sind.

Nun zu Gibraltar. Ein Besuch lohnt sich in jedem Fall. Der Ort hat ein sehr eigentümliches Flair. Einerseits, da Gib praktisch keinen Patz für ein Flächenwachstum besitzt, also sehr eng und dicht besiedelt ist und langsam – zumindest hier und da – in die Höhe wächst, andererseits aufgrund des bunten Durcheinanders an Menschen teils urbritischer Erscheinung, teils verschiedenster Herkunft, Kultur und auch Religion und nicht zuletzt aufgrund einer Menge interessanter Eindrücke, die man erst gewinnt, wenn man sich etwas Zeit nimmt, um ein wenig in diese britische Enklave einzutauchen. Am besten wir sprechen anhand einer Handvoll Bilder, wild zusammengewürfelt.

Für einige Tage fast unser tägliches Prozedere: Grenzübertritt, Personalausweise vorzeigen (Pässe sind für Schengenbürger in Gibraltar nicht erforderlich), manchmal am Airfield warten, das bei Start und Landung eines Flugzeugs reichlich verbarrikadiert ist und dann rüber und anschließend eintauchen in den Trubel Gibraltars.
Wo in der Welt kann man sich heute noch ungestraft auf einem Airfield aufhalten? Pssst: Nicht den Klimaklebern weiter sagen!

Man stellt sich Gibraltar als einen durch und durch besiedeltes Fleckchen Erde vor, aus dem sich ein steiler Fels erhebt, doch abseits der westlichen und nördlichen Flächen gibt es tatsächlich auch so etwas wie Natur.

Stopp auf unserer Radtour um den Felsen: Dörfchen am östlichen Fuß des Felsens. Die steil abfallenden Schutthänge nutzte man früher zur Gewinnung von Regenwasser aus den am Fels hängenbleibenden Wolken bzw. dem Nebel.
Der Straßenkarte und auch Google Maps konnten wir nicht entnehmen, dass die Straße in einen primitiven Tunnel führt. Sehr dunkel, so gut wie keinen Seitenraum für Notfälle und Fußgänger. Fußgänger sind eh verboten. Und was ist mit den Radlern, den der steile Anstieg im Tunnel zu steil wird, und die ihr Radl daher schieben müssen? Sind das nun Fußgänger oder Radler? Und wenn man Licht dabei hätte wäre es auch nicht verkehrt. Uns helfen die Handys und wir erwarten am Tunnelausgang eine Streife, die sicher abkassiert.
E-Biker haben es einfacher. Am Ende des Tunnels wartete dann doch keine Streife 😉
Blick zurück
Blick nach Afrika, der Djebel Masur, eine der beiden Säulen des Herkules und die gesamte afrikanische Küste. Ganz im Westen, noch schwach im Dunst zu ahnen, das Ende: Kap Espartel. Dort verspringt die afrikanische Küste nach Süden, und dort erfreuen sich auch die Orcas, ebenso wie nahe Tanger, an den vorbeikommenden Yachten. Wie friedlich diese Meerennge heute aussieht …
… aber: Ankes Einwand zum Trotz war Martin mal wieder in die Katakomben unterhalb einer der hier überall herumstehenden Monsterkanonen gestiegen. Und hatte eine kleine Ausstellung zur Vorgeschichte und Urzeiten gefunden. Wer weiß schon, dass das Mittelmeerbecken vor etwa 6 Millionen Jahren praktisch ausgetrocknet war. Plattentektonische Prozesse führten dann zum Absenken der Barriere zwischen Atlantik und Mittelmeer. Aus einem anfänglichen Rinnsal entwickelte sich vor rund 5,3 Millionen Jahren der wahrscheinlich gewaltigste Wasserfall der Erdgeschichte. In der heftigsten Phase stieg der Wasserspiegel des Mittelmeeres um rund 10 m täglich! Der gesamte Prozess der (Wieder-) Auffüllung dauerte wahrscheinlich keine zwei Jahre! Man kann sich die damit verbundenen Folgen gar nicht wirklich vorstellen und viele Aspekte rund um diese Vorgänge sind in der Wissenschaft noch umstritten. Aber es ist unschwer vorstellbar, dass das neu entstandene Mittelmeer in kürzester Zeit auch zu einem erheblichen Klimawandel geführt haben muss.
Ein Muss ist trotz der Runde außen rum auch der Besuch des Felsens. Rauf nutzen wir die Gondelbahn, der Rest wird zu Fuß erledigt. Die Affen sind natürlich Highlight # 1.
Siesta-Time

Immer an der Wand lang, besser am Grat entlang, geht es zum …

… Skywalk, einer verschachtelten Aussichtsplattform mit teilweise transparenten, also gläsernen Böden, durch die man in die senkrecht abfallende Tiefe schauen kann. Highlight #2. Zur offiziellen Eröffnung des Skywalks gelang es übrigens, Luke Skywalker alias Mark Hamill einzuladen.
In einer Ecke des Skywalks

Stalaktiten, Stalagmiten und Heliktiten formen die namensgebenden Strukturen der St. Michaels Cave. Durch geschickte Illumination wird die Figur eines Engels, der seine Flügel erhebt, noch deutlicher. Wenn man liest, wie viel Zerstörung es in der Höhle über die Jahrhunderte aus Unwissenheit gegeben hat, staunt man, wieviel heute noch zu bestaunen ist. Ein Besuch lohnt sich unbedingt. Und natürlich stehen heute alle Höhlen in Gibraltar unter Schutz!

Eine Illuminationsschau lässt an den Wänden und Decken der Höhlen die Erdgeschichte Revue passieren. Wenn man ganz genau hinsieht, erkennt man am unteren Bildrand Geländer und schemenhafte Menschen.
Eine Hängebrücke, die Windsor Suspension Bridge, ist eine neue Attraktion in Gibraltar. Sie ist 71 Meter lang und überspannt eine bis zu 50 m tiefe Schlucht. Wem der Skywalk zu gläsern war, der kann hier seine Trittsicherheit üben.
Über die Brücke erreichen wir die Great Siege Tunnels. Die Stollen, die an die große spanische Belagerung erinnern. Zeitgenössische Darstellung. Es ist nicht ganz klar, ob die Geschützstellungen in der Felswand nicht etwas zufällig entstanden sind, sie wurden jedenfalls ein Symbol der Standhaftigkeit. Zunächst musste man allerdings das Problem lösen, wie man verhinderte, dass die Kanonenkugel vor dem Schuß aus dem Rohr rollte.
Heutige Darstellung mit Wachsfiguren in den Originaltunneln. Leider sind seit Corona-Zeiten ein Teil der Tunnel nicht zugänglich. Vielleicht auch, da sie angesichts der weltpolitischen Lage wieder eine größere militärische Bedeutung bekommen haben. Who knows?
Enorme strategische Bedeutung besaß der Felsen in jedem Fall, seit die Briten sich hier festgesetzt haben. Ein Foto aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, mittlerweile rund 80 Jahre alt.

Wenden wir uns Zeiten zu, die hoffentlich friedlicher waren. Dürfen wir vorstellen: Nana und Flint. Aufwendig rekonstruiert von einem Forensiker-Team. Heute weiß man, dass es am Felsen auch Neanderthaler gab, unter anderem diese beiden. Auskunft gibt darüber und auch über viele andere Aspekte der frühen Besiedlung das Gibraltar National Museum, in das man mit sehr viel Glück auch hineinkommt. Meist ist wegen irgendwelcher Feiertage geschlossen. Und Sonntags sowieso.

Ansonsten bietet Gibraltar viel zu entdecken und hat sich seit dem Besuch auf der Rückreise mit Just do it, 2009 war das, auch vielerorts sehr gewandelt. Hier eine zukunftsorientierte Fassadenbegrünung an einer der Hauptstraßen.
Die ehemaligen Befestigungen und Wehrmauern dienen heute als Kulisse für Kneipen und Restaurants.
Die früheren Shephard’s Dockyards haben sich zum Ocean Village gewandelt. Viel Wohnraum, Restaurants, Kultur und Leben.
Und in all dem Trubel stoßen wir mit einem Atlantic Pale Ale an – womit auch sonst – und lassen King Charles III. hochleben …
… denn der Coronation Day steht unmittelbar bevor. In diesem Sinne …

… Cheers und God save King Charles III.

Martin und Anke

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