In den wilden Schluchten Andalusiens

In den wilden Schluchten Andalusiens

Frei nach Karl May, aber der ritt in den Tälern des Balkan und das auch noch fiktiv. Nun, unser Autochen hilft uns die Entfernungen schneller zu überbrücken als es seinerzeit auf dem Pferde- oder Eselrücken möglich war, aber auf das Reiten wollen wir dennoch nicht verzichten. So steuern wir den wüstesten Teil Südspaniens an, die Desierto de Tabernas. Diese trockene Landschaft – der langjährige, mittlere Jahresniederschlag beträgt etwa 230 mm mit großen Schwankungen von Jahr zu Jahr – gilt als die arideste Gegend Kontinentaleuropas. Die Küstenkordillere, die sogenannte Betische Kordillere, isoliert sie gegen die feuchten Winde des Mittelmeeres. Ihre besonderen Bedingungen und landschaftliche Beschaffenheit haben ihr nicht nur zum Ruf einer Wüste sondern auch zu indirektem Leinwandruhm verholfen. Zahllose Schauspieler und Stuntmen sind hier schon für Szenen bei der Produktion hunderter Filme geritten, von „Lawrence von Arabien“ (1962), „Cleopatra“ (1963), „Conan der Barbar“ (1982) und „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) bis hin zu „Der junge Häuptling Winnetou“ (2022) und mehr. Wobei nicht nur Western gedreht wurden, auch Wüstenfilme (sic!), Endzeitfilme und Kriegsfilme. Und überhaupt, was heißt wurden, es wird in der Desierto auch heute noch gedreht. Und im Fort Bravo kann man als Normalmensch authentisches Westernfeeling genießen, einschließlich Indianertipis, Gunfight auf der Main Road – vermutlich täglich um High Noon – und Schlägerei im Saloon. Wir verzichten allerdings auf Fort Bravo, sondern auch wir wollen hier herumreiten – namentlich Anke. Auf der Rancho Malcaminos, also der „Ranch zu den schlechten Wegen“ konnten wir einen Ritt organisieren, und zu unserer großen Freude sind wir die einzigen Gäste. Nur ein Freund unseres Guides ist noch dabei. Der Ritt geht durch die Rambla del Buho und führt uns zu besonderen Felsformationen, eine heißt beispielsweise „Die Schildkröte“, eine andere der „Adlerkopf“. Nach dem Ritt, s. Fotos, bekommt Anke auch prompt ein Lob für Ihre reiterischen Qualitäten, ich die tröstende Qualifizierung, ich sei ja kein Anfänger mehr (aber mehr als Schritt wollte unser Guide mit mir im Schlepp nicht machen, scheinbar aus Sorge, dass seine Stuntpferde – das waren sie tatsächlich – mit mir ein paar Stunts veranstalten.)

Einer von vielen: „100 Rifles“, auf Deutsch „100 Gewehre“. Mit Raquel Welch, Burt Reynolds und Jim Brown. Kam 1969 in die Kinos. Gedreht wurde unter anderem in der Desierto de Tabernas

Blick vom Festungsberg, der Alcazaba von Tabernas über „die Wüste“. Unser Ritt verlief entlang der Gebirgskante. Jenseits des Tals ist die Landschaft noch ein wenig trockener.
Dafür, dass wir durch die Wüste reiten, sieht es hier erstaunlich grün aus. Man muss allerdings berücksichtigen, dass es erst vor einigen Tagen geregnet hat und wir uns in einer Rambla bewegen. Der Begriff Rambla stammt aus dem arabischen und ist ein Wort für Sand. In Spanien sind Ramblas in der Regel trockene Flussbetten, die nur nach der Schneeschmelze oder bei Starkregen Wasser führen, vergleichbar den afrikanischen Wadis.
Zwischenstopp an einer Engstelle der Rambla del Buho. Anke ist wie immer glücklich auf dem Rücken eines Pferds!
Unser Guide demonstriert mit Standfotos aus diversen Filmen welche Szenen genau hier (oder da) gedreht wurden. Er arbeitet nicht nur als Guide, sondern sein Hauptjob ist das Ausbilden der Pferde für Stunts und er selber arbeitet und reitet auch als Stuntman. So sind alle vier Pferde, auf denen wir gerade unterwegs sind, ausgebildete Stuntpferde (und natürlich alles reinrassige Andalusier). Unser langsamer Ritt war bestimmt langweilig für sie, aber eben auch sie müssen immer wieder verinnerlichen, dass es auch mal langsam zugeht.
Kinolandschaft. Hier wurden Szenen für „Lucky Luke und die Daltons“ gedreht. Der kegelige Berg im Hintergrund trägt übrigens den Adlerkopf (La Cabeza de aguila).

Martins Pferdchen „Arizona“, es sabbert zwar gerade etwas, aber es war ein sehr feinfühliges und kooperatives Tier. Und das sagt ein reiterischer Dilettant …

Auch Anke versteht sich gut mit ihrem Pferdchen „Triana“. Das sieht jetzt fast ein wenig nach verschmuster Zuneigung seitens ihrer Stute aus. Man beachte auch ihren verwegen sitzenden Helm …

Anschließend machen wir einen kleinen Abstecher und suchen die verlassenen Minen von Rodalquilar auf. Das Goldbergwerk stellte in den Sechziger Jahren den Betrieb ein und verfiel, bis es als Industriedenkmal entdeckt wurde. Heute kann man die Ruinen des Bergbaubetriebs, in denen die Extraktions- und Abscheideprozesse erfolgten, besichtigen. Ein skurriler Ort, der hier und da auch Mut erfordert, denn erfreulicherweise ist hier nichts gesichert. Hinter dem Werk gelangt man in den Barranco del Cuchillo. Folgt man der Piste in diese Schlucht, findet man neben einer kleinen Mineursiedlung überall an den Hängen Spuren ehemaliger Stollen, in denen nach dem Rohmaterial für die Goldgewinnung geschürft wurde. Und um zwei Ecken herum erreicht man einen Tunnel, der in dem Film „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ als Kulisse diente.

Das ehemalige Goldbergwerk von Rodalquilar.
Die Reste der Becken, in denen das fein gemahlene, goldhaltige Gestein schrittweise mit Wasser und Natriumcyanid versetzt und anschließend wieder dehydriert wurde, um das begehrte Edelmetall herauszulösen.
Im Innern der Ruinen entwickelt sich bereits eine eigene Kultur.
Ruinen der Mineursiedlung

Praktisch alle Stollen auf unserem Weg schienen verschlossen, aber Anke wäre nicht Anke, wenn sie nicht zielsicher einen zugänglichen Stollen gefunden hätte und darin verschwunden wäre.

Noch haben wir den Weg zurück nach Almerimar nicht richtig angetreten, wir geistern durch die Berge und Schluchten der Betischen Kordillere mit herrlichen Ausblicken auf das blaue Mittelmeer.

Zwei Tage später sieht man uns in der Nähe des Calar Alto herumgeistern. Diesmal zusammen mit Antje und Peter genannt „Pepe“ von der Dora. Nach sehr steilem und holprigem Abstieg, bei dem man den Pfad, von Weg kann nicht gesprochen werden, suchen muss, können wir den schon malerischen und überraschend feuchten und fruchtbaren Barranco de las Morcillas erkunden. Die einstige Bedeutung des Tales zeigen die zahlreichen Ruinendörfchen, die sich überall an die Hänge schmiegen. In noch gar nicht so ferner Zeit müssen einmal viele Menschen in dem Barranco gelebt und gearbeitet haben. Heute sind all diese Siedlungen verlassen und verfallen.

Peter, Antje und Anke rätseln über den Abstieg. Ein Weg oder nur ein Pfad sind im Gelände nicht auszumachen. Möglicherweise geht es über die Ruinen der Poblado de los Carrascos (man könnte Poblado mit Siedlung oder Weiler übersetzen) auf der Felsnase etwas unter uns …
… denen wir uns dann wild entschlossen annähern. Antje und Peter zügig vorweg, wir etwas vorsichtiger hinterher, Ankes Knie muss noch geschont werden.
Die Ruinen der Poblado de los Carrascos sind erreicht …
… nun müssen wir durch.
Etwas weiter – man kann die Steilheit des Hanges vielleicht ahnen. Abwärts geht es über Felsen und zwischendurch lockerem Gestein und Sand.
Hier ein weiterer Versuch, den Abstieg und das steile Bergab auf ein Foto zu bannen.
Die Talsohle empfängt uns geradezu lieblich mit frischem Grün, einem munter rinnenden Bach und schattenspendenden Weiden und Pappeln.
Rast mit Banane
Aufwärts geht es durch blühende und staubende Weiden und blühende Mandelbäume.

Den Abschluss unserer Schluchtentour macht ein Ausflug zum malerischen Capileira. Auf dem Weg müssen wir durch das kleine Landstädtchen Orgiva. Als wir gerade über einen Gullideckel fahren, macht es einen mörderischen, scheppernden Knall. Wir blicken verwirrt um uns, ob von einem der Gebäude ein Balkon abgestürzt ist oder etwas ähnliches. Doch nichts dergleichen. Heute ist DER Feiertag der Gemeinde, und aus diesem Anlass wird mörderisch geböllert. Das war soeben der Startböller.

Capileira ist das letzte und höchstgelegene in einer Reihe von drei Dörfchen. Auch hier müssen wir zunächst steil absteigen, um schließlich den tief und verwegen ins lockere Gestein eingeschnittenen Rio Mulhacén o Poqueira zu erreichen. Nach dem Abstieg führt unsere Wanderung mit moderateren Verläufen langsam wieder aufwärts. Für etwas Spannung sorgen frei laufende Rinder, die wohl zu einer Herde gehören und erkennbar gerne als einheitliche Herde zur abendlichen Wiese streben. Dummerweise sind wir irgendwie genau dazwischengeraten. Rinder vor uns auf dem Pfad, Rinder hinter uns auf dem Pfad. Und irgendwo muht es auch noch von unterhalb. Aufgrund der doch recht eindrucksvollen Hörner – keine solche Spielzeuge wie bei unserem heimischen Milchvieh – bieten wir ihnen mit hin und her pendelnden Standortveränderungen mal vor und mal hinter uns Durchschlupf und schließlich sind alle zufrieden. Die Rinder muhen und bimmeln mit ihren Glocken auf der ersehnten Nachtweide und wir erholen uns mit einem Bierchen in Capileira.

An der Straße zum Ziel treffen wir auf eine Höhle, die Cueva de Sortes. Es erübrigt sich eigentlich, darauf hinzuweisen, dass Anke schon wieder in der Finsternis verschwunden ist.

Capileira besticht durch malerische Straßen und Gassen. Auf den ersten Blick scheint man vielleicht ein langsam verfallendes Örtchen entdeckt zu haben, doch das täuscht. Praktische alle Immobilien haben einen Besitzer, der sich um sie kümmert, sie pflegt und erhält. Man legt nur viel Wert darauf, den rustikalen Charme zu bewahren.

Hier wird die Liebe, mit der die Menschen ihr Dorf pflegen mehr als deutlich. Anke heute mit Wanderstock unterwegs (war auch gut so!).

Ausblick in die Schlucht des Rio Mulhacén, in die wir hinabsteigen wollen.
Ein mächtiger Kastanienbaum (Castanea sativa) hat einen Brand am Hang nicht überstanden.
Abwärts geht´s zur Ponte de Molino, zur Mühlenbrücke. Dort queren wir auf die andere Seite der Schlucht und gewinnen langsam wieder an Höhe.
Der Blick von der anderen Seite: Capileira klebt förmlich auf einem kleinen Felsplateau.
Ein erstes Rindviech – glücklicherweise mit vorwarnender Kuhglocke – und Vorbote einer ganzen Schar nähert sich von der einen Seite …
… und hier die Vorhut von der anderen Seite.
Vor lauter Wandern und Rindviechern hätten wir beinahe den Blick für die kleinen Dinge am Wegesrand verloren. Eine Euphorbie, eine Wolfsmilch-Art, nur welche?
Nach erneuter Querung des Rio Mulhacén steigen wir wieder nach Capileira auf …
… genießen das wohlverdiente Zieleinlaufbier und …
… und entdecken in der Kneipe mal wieder einen Himmel nicht voller Geigen, sondern voller Schinken.

Damit enden unsere Unternehmungen, bei denen wir, vom Ritt abgesehen, seltsamerweise fast immer erst mühsam abwärts steigen und dann ebenso mühevoll aufwärts streben müssen. Demnächst kehren wir die Reihenfolge ja vielleicht einmal um. Wir könnten ja auf einen Gipfel klettern. … Wie immer weisen wir an dieser Stelle gerne auf die Abo-Funktion hin: Wer in Zukunft keinen Beitrag mehr verpassen will, kann unseren Blog abonnieren, und das geht einfach über die Seite Kontakte, oder indem man – noch einfacher – hier klickt.

„Liebe Grüße aus dem kühlen und des nachts noch immer reichlich kalten Almerimar“ war der geplante Abschluss-Satz, aber es kommt doch oft anders. Da wir den Mallorca-Beitrag noch zwischengeschoben haben und auch sonst reichlich viel um die Ohren hattten, hinken wir der Aktualität hinterher. Daher hier nur der schnelle Hinweis, dass wir am 17. Almerimar tatsächlich verlassen haben und wieder unterwegs und heute, am 20.04., in Gibraltar angekommen sind.

Martin und Anke

Heute Nachmittag nach dem Festmachen: Der Blick aus den Frontfenstern des Dockhouses auf den Felsen von Gibraltar.

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