Nach Saintes-Maries-de-la-Mer haben wir versucht, zügig vorwärtszukommen, sind dank der mauen Winde allerdings ziemlich dem Küstenverlauf gefolgt. Martin wollte nicht ununterbrochen quer über den Löwengolf motoren. Das Ergebnis war mit den letztlich „abgesegelten“ Etappen auch nicht von weniger Motorstunden geprägt, als wenn man durchgezogen hätte, jedoch genossen wir zumindest Nächte, an denen man – meist in Häfen – ruhig schlafen konnte. In Seté gab es keinen Platz für uns, also sind wir nach einem kurzen Telefonat mit der dortigen Marina gleich weiter nach Cap d´Agde gezogen. Es folgten Stationen in Canet-en-Rousillion und ein Ankerstop in der Anse de Pauilille. Mit Erreichen von Puerto Roses war die spanische Seegrenze überschritten. Nach einer kleiner Pause in Roses erreichten wir den Port de San Feliu de Guixols, ohne Bindestriche geschrieben, darauf verzichten die Spanier im Gegensatz zu den Franzosen. Dennoch, was für ein Name!
Und schließlich liefen wir in den Port Olímpic in Barcelona ein.
Für Martin war das ein Wiedersehen nach fast 40 Jahren, für Anke eine neue Entdeckung. Ungeplant verbrachten wir hier sogar mehr Tage als vorgesehen, was unsere Aktivitäten um viele Aspekte bereicherte. Und das touristische Pflichtprogramm mit einer entspannte Kür ergänzte. Ganz zu Anfang ließen wir uns ein wenig treiben, wollten erste Eindrücke der Stadt sammeln. Besuchten die Ramblas – der Name weist eigentlich darauf hin, dass es an dieser Stelle ehemals einen Wasserlauf gab – inspizierten einen Markt und machten Kolumbus unsere Aufwartung, für den ein Denkmal vor dem hafenseitigen Ende der Ramblas errichtet wurde. Wenn Kolumbus, der sein Leben ja geradezu in Vergessenheit beendete, so etwas noch erlebt hätte!
Jetzt wird dieser Blogbeitrag etwas architektur- und sakral geprägt; denn bei dem Pflichtprogramm war natürlich das erste Ziel die Sagrada Familia. Auch wenn man nicht religiös ist, wer dieses Gebäude nicht gesehen hat, verpasst eine Gelegenheit zu bewundern, was Architektur leisten kann. Als Martin diese so ungewöhnliche Kirche um 1980 herum besuchte, gab es das Kirchenschiff nur in angedeuteten Fragmenten, von einem Dach ganz zu schweigen. Von den 14 (später 18?) Türmen der Kirche standen, wenn er sich richtig erinnert, nur die vier Türme der sogenannten Geburtsfassade, die gegenüberliegenden Türme der Passionsfassade waren noch im Bau, aber bereits weit fortgeschritten. Heute sind die 8 Türme an den Seiten und die Aposteltürme, die rings um den zentralen Jesusturm angeordnet sind weitgehend fertiggestellt. Der mit 135 Metern zweithöchste, der Marienturm in etwas gesonderter Lage wurde Ende 2021 „eingeweiht“. Am höchsten, dem Jesus-Turm steht die Vollendung noch aus. Interessant, dass Gaudí Wert darauf legte, dass auch dieser Turm nicht höher sein durfte als die Hügel der Umgebung, daher ist dessen Höhe auf knapp über 170 Meter begrenzt. Kein Werk aus Menschenhand sollte nach seiner Auffassung die Natur, also das Werk Gottes, überragen. Das Kirchenschiff ist heute praktisch fertiggestellt, überdacht und schon weitgehend ausgestattet. Die Fassaden sind bis auf die Nordfassade mit all ihrem Schmuck und Zierrat gestaltet. Man könnte allein schon eine Woche damit verbringen, dieses so einzigartige Gotteshaus in seinen Details zu studieren.
Für den, dem die Sagrada Familia nichts sagt: Ende des 19. Jahrhunderts fiel dem damals noch sehr jungen, also etwa dreißigjährigem, katalonischen Architekten Antoni Gaudí die Federführung beim Bau einer Kirche, der Sagrada Familia (Heilige Familie), zu. Ursprünglich war dies noch ein ganz gewöhnliches Kirchenbauprojekt, doch im Laufe weniger Jahre hat Antoni Gaudí die ursprüngliche Konzeption völlig umgeworfen und eine ausgesprochen eigenwillige Architektursprache für das Projekt entwickelt. Manches kann man als eine katalanische oder besser speziell gaudische Ausprägung des Jugendstils verstehen, besonders wenn man es mit seinen Profanbauten in Barcelona vergleicht. Aber das ist zu kurz gegriffen. Gaudí war ausgesprochen innovativ, nutzte neue Technologien und war auch bereit, gerade bei Gestaltungsfragen und Details völlig unkonventionelle Wege zu beschreiten. Wie auch immer.
In den letzten Jahren seines Schaffens konzentrierte er sich auf dieses Kirchenbauprojekt, wissend, dass er dessen Vollendung nicht erleben würde, zumal das Vorhaben bis heute ausschließlich durch Spenden finanziert ist. Erstaunlich ist, dass große Spendenanteile aus dem asiatischen Raum stammen, besonders auch aus Japan.
Die Fortschritte, die die Sagrada Familia in den vergangenen 40 Jahren gemacht hat, konnte man sich um 1980 herum kaum vorstellen. Und leider kann Martin zur Zeit nicht auf seine Dias aus dieser Zeit zurückgreifen. Der Vergleich wäre sicher spannend. Damit soll es aber genug sein, wir lassen einfach ein paar Bilder sprechen.
Barcelona hat uns mit unglaublich vielen Eindrücken beschenkt. Wir stellen daher lieber noch ein paar „Teilbeiträge“ ein. Einer wird sicher noch mal um Antoni Gaudís Schaffen kreisen, einer um den Rest.
Wir wollen dennoch erwähnen, dass wir inzwischen in Almerimar eingetrudelt sind, wo wir eine ganze Reihe von Bootsarbeiten erledigen und möglicherweise regelrecht überwintern werden.