Hyères: Szenen aus dem alten Südfrankreich
An der Außenmole von Hyères entdeckten wir bei einem kleinen Spaziergang – Häfen wollen von einem Yachtie schon etwas genauer und in jeder Ecke inspiziert sein – eine Ausstellung mit Fotos aus „alten Tagen“. Genauer: Die Fotos waren an der Molenmauer angebracht, leider häufig hinter einem parkenden Auto versteckt. Und die alten Tage sind ein relativer Begriff. Ich kann mich noch gut erinnern, dass in meiner Kindheit die alten Tage irgendwo zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zu den Zwanzigern zu verorten waren. Meine Großmutter mütterlicherseits erzählte jedenfalls gerne einmal vom Baron Richthofen, wenn es um ihre alten Tage ging. „Was für ein hübscher junger Mann!“ Sie war zu jener unangenehm unruhig gewordenen Zeit ein Backfisch, wie man damals gerne sagte, und Manfred von Richthofen, ein im Ersten Weltkrieg berühmter deutscher Jagdflieger, eine Art Megastar und anscheinend auch ein Mädchenschwarm. Die Erinnerungen an die etwas späteren Jahre betrafen eher die Hyperinflation der Zwanziger Jahre, wie man sich durchschlagen musste und wie man irgendwie über die Runden kam; wie man auf der väterlichen Seite aus großbäuerlichem Wohlstand abstürzte bis hin ins Armenhaus und wieder auf die Beine kam.
Wenn ich, Martin, nun von alten Tagen spreche, betrifft es eher meine bzw. unsere eigene Jugend. Mein Bruder war Ende der siebziger mit Schulfreunden nach Südfrankreich gefahren. Nach Saint-Tropez natürlich. Der Ort war bereits eine Berühmtheit, und fast jeder Pennäler hatte damals die Filme mit Louis de Funes gesehen, in denen er den Gendarmeriechef dieses damals noch fast verschlafenen Saint-Tropez spielte. Ein Besuch war Pflicht, zumal ein anderer Streifen aus jener Zeit versprach, dass es in Frankreich viele nette Französinnen geben sollte. Was bei etwas Nachdenken eigentlich nicht verwundern kann, aber seinerzeit wie ein Lockruf wirkte. Wie auch immer, meines Bruders Reise, aber auch eigene Reisen, die wir am Ende der Schulzeit und Beginn des Studiums machten, erschlossen und ermöglichten Einblicke in eine damals völlig normale Welt, die heute in dieser Form kaum noch existiert. Und wenn ich den Faden etwas weiter spinne, dann kann ich die Frage stellen, was uns Segler antreibt, die Ozeane zu überqueren und einsame, abgelegene Gegenden und Inseln aufzusuchen. Dahinter steht im Grunde nichts anderes als die Suche nach der Begegnung mit einer anderen, vielleicht auch einer vergangenen Welt. Zumindest die Hoffnung, für sich noch die letzten Reste einer früheren Art des Lebens zu finden. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich 2008 auf Vanuatu tatsächlich eine Dorfgemeinschaft antraf, bei der es bis auf die Wäscheleinen scheinbar keinerlei Kunststoff gab. Aber im Dorfzentrum stand eine Telefonzelle mit Satellitentelefon, für Notfälle gedacht.
Daher berührte mich die unerwartete Begegnung mit den Fotos im Hafen von Hyères ganz besonders. Ich rannte zweimal los, um bei halbwegs brauchbarem Licht Fotos der Fotos zu machen. Und nun nutze ich die Gelegenheit, einen Teil der Fotos, teils beschnitten und geringfügig bearbeitet, wiederzugeben. Ich muss zugeben, dass ich beim Betrachten der Fotos und als ich sie fotografierte, gar nicht wahrgenommen habe, dass an ihrer Seite bei den meisten, möglicherweise bei allen ein Copyright-Verweis stand. Da ich die Fotos halt beschnitten und bearbeitet habe und auch keinerlei kommerzielles Interesse damit verbinde, stelle ich sie hier dennoch ein. In gewisser Weise darf dies als Werbung für die sehenswerte Sammlung der Stadt Hyères und des damit verbundenen Fonds verstanden werden. Das Original-Copyright will ich nicht vorenthalten. Es lautet Collection Archives Municipales de la ville d’Hyères – Fonds Duriex.
Viel Vergnügen beim Betrachten.
Zum Schluss können wir nicht umhin, auch dieses Mal auf die Abo-Möglichkeit hinweisen. Das geht ganz einfach auf dem Weg über die Seite Kontakte, oder indem man einfach auf diese Zeile hier klickt.
Es grüßen Euch aus Canet-en-Roussillion, nicht mehr weit von der spanisch-französischen Grenze
Anke und Martin