Bonifacio zum Zweiten und darüber hinaus
Da wir im Hafen, an dem Martina und Sonja uns verlassen hatten, nicht bleiben konnten, sind wir eine Bucht weiter gezogen, in die Cala Reparata. Ein Landausflug zeigt uns, dass Sardinien auch an seiner äußersten Nordwestecke eine eindrucksvolle Landschaft zu bieten hat.
Der Wind steht günstig am zweiten Tag nachdem Sonja und Martina uns verlassen haben. Auch hat er eine freundliche Stärke. So befinden wir uns wenig später, von der Cala Reparata aus startend, erneut auf dem Weg nach Bonifacio. Und wieder unter Segeln. Wir wollen diesen sagenhaften Ort noch einmal genießen, etwas in der Umgebung wandern, aber vor allem die Illumination erleben, die zu unserer großen Freude gerade in den nächsten drei Tagen im Rahmen der dortigen Biennale stattfindet.
Unser Gottvertrauen wird auch prompt belohnt, es gibt in Bonifacios Hafen einen Liegeplatz für uns. Wir dürfen nach zwischenzeitlicher Intervention sogar noch einmal umziehen, da der zuerst zugewiesene Platz uns zu unsicher erschien: Die Murings waren einfach zu kurz vor dem Bug und hätten Mago aufgrund des schlechten Winkels nicht zuverlässig halten können.
In der Nacht produziert die Crew eines am gleichen Steg liegenden Katamarans reichlich alkoholisiert jede Menge Lärm, vor allem Schreierei. Schließlich schreitet Anke ein und bekommt Unterstützung von den Crews der anderen Boote, denn keiner findet Schlaf wegen des Lärms. Mit einer Ausnahme: Martin bekommt von all dem nichts mit sondern schlummert selig in seiner Koje.
Am nächsten Morgen ersteigen wir die Steilküste und wandern immer an ihrer Kante entlang bis fast zum Leuchtturm Pertusato. Auf den letzten kurzen Abschnitt verzichten wir allerdings, nachdem wir erkennen, dass er mehr oder weniger über einen Parkplatz und auf einer Straße entlang führt. Wir genießen sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg das Bild der Landschaft, die Gerüche, die Aussichten, aber auch die Enge der Pfade, als wir quer durch die Macchia wieder zurückwandern.
Nur wenig später: In der Zitadelle von Bonifacio versuchen wir, jede Gasse zu durchstreifen, vor allem die, die wir vor einigen Tagen nicht gesehen haben. Und wir müssen sagen, da gab es noch einiges zu entdecken. Ohne Trip-Advisor und die Fixierung darauf – sowas lenkt nur ab und lässt den eigenen Spürsinn verkümmern – hätten wir wahrscheinlich schon mit Martina und Sonja noch viel mehr der alten Gassen entdeckt. Nach einem Intermezzo in einer Bierbar, Anke trifft bei den lokalen Sorten eine sehr gute Wahl, mein spezielles Korsenbier hat dagegen den säuerlichen Grundgeschmack verflüssigter … (na ja, wenn man sich übergibt). Die Korsen sind kulinarisch offensichtlich speziell. Man weiß ja dank Asterix dem Gallier, dass sie auch Käse kreieren, mit deren Gasentwicklung man Sprengungen vornehmen und Schiffe versenken kann. Zum Ausgleich kehren wir in ein nettes Restaurant ein. Zwar finden wir keinen Balkonplatz, doch dank des draußen herrschenden Windes bereuen wir unseren Tisch im Innenraum nicht. Das Essen ist ausgezeichnet, und ich probiere zu Vergleichszwecken ein weiteres Mal als Entrée Aubergine bonifacienne. Und was soll man sagen? Kein Vergleich zur letzten Variante. Eine ganz andere Konsistenz, sahnig, cremig und eine erstaunliche Aromafülle, die ich nicht erwartet hätte. Die weiteren Gänge des Essens habe ich aufgrund dieser Erinnerung schlicht vergessen.
Den Rest des Abends verbringen wir mit staunenden Augen an den verschiedensten „Lichtspielstätten“ der Zitadelle. Auch die eigentliche Festung, für die man tagsüber noch hätte Eintritt zahlen müssen, dürfen wir anlässlich der Veranstaltung kostenlos betreten. Und als wir Stunden später endlich zum Boot wackeln, leuchtet hinter uns noch die in wechselnden Farben illuminierte Festungsmauer der Zitadelle.
Nach Bonifacio kehren wir noch einmal in die Inselwelt La Maddalenas zurück. Wir verbringen zwei wunderbare Tage in der nahezu rundum geschützten Cala Giorgio Marino, dann geht es an der Ostküste Korsikas nordwärts. Unser erster Stopp ist Porto Vecchio, da dieser Ort, warum auch immer, auf Martin einen besonderen Reiz ausübt. Letztlich war es gar nicht so doll dort, aber ok. Nun haben wir es halt mal gesehen, nicht aber die Festung, die trotz anderslautender offizieller Angaben nicht geöffnet war.
Von Porto Vecchio geht es weiter in den Golfo di Rondinara. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine nahezu kreisrunde Bucht. Man liegt hier sehr geschützt, auch wenn es in der Hochsaison, also der Ferienzeit, die wir ja nun voll erwischt haben, sehr voll ist. Rings um die Bucht kann man vielfältige Wanderungen durch unterschiedlichste Landschaften machen, von Feuchtgebieten bis hin zu Dünenlandschaften. In letzterer staunen wir, wie weit Posidonia-Reste die Dünen hinauf geweht werden und dazu beitragen, diese zu festigen.
Wir überlegen wegen des ruhigen Wetters zwischendurch vor offener Küste zu ankern, aber schließlich ist die nächste Station doch ein Hafen, Porto Taverna. Nomen ist nur begrenzt Omen. Es gibt an dem Hafen genau genommen zwei Restaurants, ansonsten allerdings so ziemlich nichts. Die Beschreibung im Revierführer, dass es sich um einen vergessenen Ort handelt, ist durchaus nachvollziehbar. Dennoch, auch er hat seine Qualitäten. Mit Hilfe der netten Damen von der Capitania können wir einen Roller mieten und machen einen ausgiebigen Ausflug in das Inland. Vor allem die Esskastanien-Wälder ziehen uns an. Per Gesetz waren die Landwirte in früherer Zeit gefordert, jährlich ein paar Esskastanien zu pflanzen. Der Baum war eine Art Brotfrucht für Korsika. Diesem Gesetz verdanken wir, dass sich heute im Inselinneren beeindruckende Kastanienbäume finden lassen. Einige der besonders alten Stämme haben einen Umfang von mehreren Metern. Nachdem das Kastanienthema durch ist, suchen wir in mehreren Anläufen einen uns nach gewisser Zeit geradezu mythisch anmutenden Wasserfall mit Naturpool. Es ist wirklich nicht leicht, aber schließlich haben wir einen vielversprechenden Weg gefunden. Als uns erste Menschen mit Badeklamotten begegnen, sind wir uns sicher, auf der richtigen Fährte zu sein. Und tatsächlich, wenig später stehen wir vor einem kleinen, aber feinen Wasserfall. Eine frühere Ankunft hätte zwar Sonnenschein im Pool bedeutet, aber angesichts der aktuellen Temperaturen ist das nicht so entscheidend.
Von Porto Taverna wagen wir den Sprung rüber nach Elba. Mangels Wind wird motort. Neben dem gesteuerten Kurs taucht die Silhouette von Monte Christo auf, der literarisch von Alexandre Dumas und seinem Grafen überhöhte Felsen. Gut gut, auch in der Wirklichkeit ist es ein eindrucksvolles Felseninselchen. Allerdings hat auf ihm nie eine Menschenseele gewohnt und schon gar nicht hat es hier einen Grafen gegeben. Unsere erste Ankerbucht Fetovaia auf Elba gefällt uns trotz schlechter Kritiken so gut, dass wir in ihr gleich noch eine Nacht verbringen. Dann geht es mit einer Zwischenstation zum Hauptort Portoferraio. Man muss doch Napoleon seine Aufwartung machen (und außerdem einkaufen). Natürlich kommen wir am falschen Tag, Napoleons Domizil ist heute Nachmittag für Touristen geschlossen. Solch sonderbare Gewohnheiten sind uns inzwischen schon mehrfach in Italien begegnet. Dennoch war es nett, hier einen kleinen Besuch gemacht zu haben. Und nach dem Besuch kann man verstehen, dass für Napoleons Tatendrang und Aktivitäten dieses ungewollte Domizil doch ein kleines bisschen zu klein war und er wieder aufs Festland ausgebüxt ist. Mit allen dramatischen Folgen, die damit verbunden waren.
Wir runden Elba, zumal Anke auf dem AIS die Wayag von José und Sandra entdeckt hat. Nach einem Schnorchelstop an der Westküste – Anke betaucht zum ersten Mal in ihrem Leben ein Wrack – ankern wir gemeinsam im Golfo de Fetovaia und verbringen einen wunderschönen Abend miteinander. Auf dieser Reise ist die unerwartete Begegnung mit Sandra und José das erste Mal, dass wir ungeplant mit Seglern zusammentreffen, die wir irgendwo zuvor schon einmal getroffen haben. Was eine der ganz besonderen Charakteristika (mir fiel gerade kein besserer Begriff ein) einer solchen Reise ist.
Von Elba aus sind wir über Korsikas Nordzipfel längst wieder an das europäische Festland zurückgekehrt. So erreicht Euch dieser Betrag aus der Nähe von Marseille, wobei wir uns schon wieder auf einer winzigen vorgelagerten Inseln rumtreiben, der Île de Frioul.
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Es grüßen Euch ganz herzlich von der Île de Frioul
Anke und Martin