Los Roques – Gran Roque und Crasky

Los Roques – Gran Roque und Crasky

Die Augen fest gekniffen – auch wegen der morgendlichen Sonne – jedoch unbeugsam aufs Ziel gerichtet steuert Martin das Dinghy in Richtung der vielen Anleger. Der letzte soll es sein. Wie sich herausstellt, ist der zweitletzte die bessere Wahl. Die liegen allerdings unmittelbar nebeneinander, also alles kein Problem. Und warum? Na, da wir einklarieren müssen.

Der Vollmond stand noch recht tief über dem Horizont, als wir auf den Ankerplatz bei Gran Roque zusteuerten. Ein Kat lag da und: „Siehst Du rechts davon ist noch ein Monohull!“ Seh ich nicht. Müssen erstmal klären, was rechts davon bedeutet. Dann stelle ich fest, sehe ich schon die ganze Zeit. Wir runden die beiden Ankerlieger und werfen dann kurz dahinter, vom rechten Standort aus gesehen könnte man auch links vom Monohull sagen, den Anker. Ja ja, die seemännische Orientierung. Am nächsten Morgen stellen wir jedenfalls fest, der Anker ist perfekt in einem wunderbaren Sandbett gelandet.

Und da unsere Ankunft schon recht spät erfolgt ist, wird die Einklarierung auch erst am nächsten Morgen stattfinden, was uns einen Aufenthaltstag auf den Roques schenkt.

Nachdem die meisten Dinge bereits per Email und online-Bezahlmöglichkeiten erledigt sind, müssen wir an diesem nächsten Morgen nur wegen zweier Unterschriften an Land. Vereinbart haben wir etwa 10:00 Uhr für ein Treffen mit dem Assistenten des Agenten Alejandro Linares in einer Bar „Play Los Roques“, gleich neben dem Abfertigungsgebäude des Flughafens. Ein großes Wort für ein kleines Ding. Um 10:30 kommt der Assistent, zeigt ein paar bereits eingeholte Stempel, sammelt Martins Unterschrift und verschwindet im Flughafengebäude. Ein großes Wort für ein kleines Bauwerk. Er kommt mit unseren abgestempelten Pässen zurück. Gemeinsam geht’s zur Guardia Nacional. Dort muss Martin in einer dicken Kladde erneut eine Unterschrift hinterlassen. Von da an werden wir nicht mehr gebraucht.

Einer der vielen Anleger. Die Menschen sind freundlich, nehmen die Festmacherleine an und helfen uns auf den Steg. „Hier ist alles safe. Ihr müsst nichts anschließen. Willkommen auf den Los Roques!“ Azteken-Möwen (Leucophaeus atricilla) schwirren überall herum.
Zwei Cafe au lait sind bestellt. In der Bar Play Los Roques lässt es sich gut auf den Agenten oder seinen Assistenten warten.
Spannend die in unmittelbarer Nähe landenden Flugzeuge. Näher und knapper geht es kaum. Fast wie auf einem Sportflugplatz.

Auch Pelikane sind an den Anlegern aktiv, vor allem dort, wo Fischer ihren Fang anlanden oder kleine Fischchen, hier Sardinas genannt, vom Anleger aus mit Wurfnetzen fangen. Dies hier ist ein alter Pelikan, und ohne Unterstützung durch die Fischer wäre er längst verhungert. Seine obere Schnabelhälfte ist abgebrochen und zeigt nur ein Drittel der ursprünglichen Länge. Auch ist er naherzu blind, kann seine Beutefische nicht mehr ausmachen. Dies sind in gewissem Sinne völlig normale Folgen der arttypischen Jagdtechnik, bei der sich die Tiere unentwegt im Sturzflug ins Wasser stürzen und das teilweise in extrem flachem Wasser.

Bei der Guarda Nacional findet sich dieses Denkmal. In den Diensträumen natürlich ein Porträt des derzeitigen Machthabers Maduro. Verständlicherweise fotografieren wir dort nicht.

Und hier sitzt in der Regel eine junge Dame, unmittelbar vor den Diensträumen. Man darf zwar fotografieren, doch sie ist schüchtern und will nicht aufs Foto. So bleiben nur die Kappen als Beleg, dass hier auch Mitarbeiter angetroffen werden können.
Nachdem unser Teil an der Einklarierung getan ist, streifen wir ein wenig durch den Ort. Keine befestigten Straßen, keine Autos, keine Mopeds. Bestenfalls Fahrräder.
Der Ort auf Gran Roque erinnert uns entfernt an das Örtchen auf Graciosa, dem nördlichsten Kanareninselchen. Die meisten Gebäude in Gran Roque sind gut erhalten und gepflegt, häufig äußerst geschmackvoll gestaltet. Auch gibt es erstaunlich viele Posadas (so nennen sich privat geführte Pensionen in vielen Ländern Südamerikas). Wir ahnen, dass die Roques eine erhebliche Bedeutung für den nationalen Tourismus haben.
Dieses farbenfrohe Gebilde, Entschuldigung, Gebäude, fällt völlig aus dem Rahmen. Wir fragen uns, was es ist. Eine Posada?

Entspannung vor einem kleinen Hotel. Wir befinden uns auf der Hauptstraße des Örtchens. Das ist irgendwie eine Mischung von „Schöner Wohnen“ und in der Idylle wohnen.

Spannend auch der Blick in die kleinen Supermärkte. Es gibt nicht allzuviel.

Frisches Gemüse wird nur angeboten, wenn das Versorgungsschiff von Caracas eingetroffen ist. Die Einheimischen betonen übrigens die zweite Silbe von Caracas, nicht wie wir die erste. Hier finden wir gerade noch Kartoffeln in den Gemüsekisten. Glücklicherweise benötigen wir nichts, haben wir unser Boot doch ausreichend mit Lebensmitteln und vor allem frischem Gemüse bevorratet.

Preise in US-Dollar. Wir vermuten pro Kilo.

Entspannung auf der netten Terrasse einer Posada am Strand. Auf Nachfrage schenkt man auch aus.
Entspannen
Das lokale Bier ist geringfügig leichter als unser heimisches. Doch eiskalt serviert genau richtig für dieses heiße Klima.
Zurück an Bord: Vom Assistenten des Agenten haben wir diesen Wimpel und vorsichtshalber auch noch eine Gastlandsflagge erhalten. Unter letzterer gesetzt zeigt der gelbe Wimpel schon von weitem, dass wir ordnungsgemäß einklariert haben und auf den Los Roques sein dürfen.
Aber: Wir können noch nicht los. Wieso? Es fehlen noch Fotos. Fotos? Haben wir doch gemailt? Nein, Fotos vom Boot werden benötigt. Aber wir haben doch Bootsfotos geschickt. Solche doch nicht! Es werden aktuelle Fotos vom Boot benötigt. Fotos, die am hiesigen Ankerplatz aufgenommen wurden. Interkulturelles Missverständnis. So kreiselt Martin noch schnell um das Boot und schießt Fotos. Wichtig ist das Heck und die Backbordseite. Der Bootsname muss lesbar sein, am Heck auch der Heimathafen und die Nationale sollte auch erkennbar sein. Die Fotos sind gemacht, per Mail und WhatsApp übertragen, alles ist ok.

In einem angenehmen, nicht ganz zwei Stunden erfordernden Schlag geht es nach Crasky. In anderen Quellen auch Krasqui geschrieben. Die Namen der Inselchen des Archipels sind eine lustige Sache. Da gibt es …kys und … quis, auch …skys und …squis, ab und zu auch cayos. Anfangs vermuten wir, dass hier ausnahmsweise mal ein russischer Entdecker oder Kartograph tätig gewesen ist. Zumal es am äußersten Südosten des Archipels ein gesunkenes, russisches Schiff geben soll, eine gewisse Sewastopol. Die banale Wahrheit ist. Hier waren mal wieder die holländischen Landsleute aktiv. Und die Silben ky, qui undsoweiter sowie cayo bedeuten alle nur eins: Insel. Sie sind im Laufe der Jahrhunderte nur etwas verballhornt worden.

Auf dem Kartentisch liegt eine Karte, eine Satellitenaufnahme des Archipels. Sie hilft uns bei der groben Orientierug und Törnplanung. Wir haben sie freundlicherweise von Alejandro erhalten.
Sieben Komma drei Seemeilen haben wir zurückzulegen. Was für eine wunderbare und entspannende Distanz. Es lohnt nicht die Arbeit, mehr als die Genua zu setzen. Und selbst da bremsen wir schon ein wenig, wie der erfahrene Betrachter erkennen wird. Wir schrabbeln an den Inselchen der Noronqui-Gruppe vorbei, runden La Pelona de Crasqui und steuern dann mit Kompasskurs 152°, ab jetzt unter Maschine, da gegen den Wind, auf eine Senke in der Barre vor uns zu. Nun wird es doch noch für einige Minuten spannend, aber wir haben schließlich stets genügend Wasser unter dem Kiel. Nach der Barre steuern wir direkt die Südspitze der Insel Crasqui (Krasky) an und lassen vor den paar Häusern dort den Anker fallen.
Wir sind früh dran und erkunden das Inselchen. Es hat shon was von einem kleinen Paradies. Und das scheint auch der Clan des Regierungschefes erkannt zu haben. Zumindest sollen die drei, vier Toppunterkünfte, die hier gerade gebaut werden, dem Sohn der Frau des Präsidenten zuzuordnen sein. Wir lassen die aber mal weg und genießen einfach das Hier und Jetzt.
Ein Traum vom menschenleeren Strand
Crasqui zeichnet sich anscheinend in besonderem Maß durch Felsstrukturen an den Inselufern aus. (Lesen wir.) Von Küste mag man bei den beschaulichen Dimensionen nicht sprechen.
Zwischen den Felsen stoßen wir auf Trichteralgen (Padina spec.) Diese durchaus hübschen Algen sind den Quellen nach weltweit verbreitet, wir sind ihnen allerdings noch nie begegnet.
Um uns herum herrscht lebhaftes Vogelleben.
Mit die beeindruckendsten Flieger, weitaus spannender als Albatrosse. Pelikane erinnern mich, Martin, ein wenig an das Bild, das ich mir von einem Archaeopterix mache. Ihre Wendigkeit und ihre Fähigkeiten bei der Jagd sind ebenso eindrucksvoll wie ihr Vermögen, unmittelbar über der Meeresoberfläche zu gleiten und den sogenannten Bodeneffekt auszunutzen.
Etwas unscharf, aber es war nicht anders hinzubekommen. Wir bitten um Nachsicht – es geht um den Inhalt. Die Azteken-Möwen auf den Los Roques haben sich antrainiert, auf den Köpfen der Pelikane zu landen, die soeben von einem Fischfang-Sturzflug auftauchen. Die werden dann bedrängt, in der Absicht etwas vom Fang abzubekommen. Ganz schön dreist. Für die Pelikane scheint es gar nicht so einfach, sich zu wehren. Meist versuchen sie stoisch zu bleiben. An bestimmten Orten, z.B. bei Gran Roque, gewinnt man den Eindruck, dass jeder Pelikan seinen persönllichen Quälgeist zur Seite hat.
„Schnell, schnell! Auf zu den paar Hütten im Ort, da gibt´s neue Gäste, und die bedeuten Futter für uns Geier, äh Reiher!“

„Da wird ja wohl ein Fisch für mich abfallen, gelle?“

Wir staunen zunächst, aber der graue Reiher, den wir bislang nicht näher bestimmt haben, ist mit Nachdruck darauf aus, etwas abzubekommen. Und hat Erfolg. Irgendein Fisch oder Fischstück fällt immer ab (vgl. u.). Wobei erstaunt, wie flexibel und dehnungsfähig dieser schmale, zerbrechlich wirkende Hals in der Praxis ist.

Das hier ist Maria. Sie hat von den Einwohnern einen Namen bekommen. Und natürlich bekommt auch Maria stets ihren Anteil. Ob verdient oder unverdient, konnten wir nicht ergründen.
So abgelegen Crasqui auch erscheinen mag, alles ist perfekt beschildert. Es gibt sogar Mülleimer mitten in der Botanik, die eindeutig erkennbar bewirtschaftet, heißt entleert werden. Wir staunen. Im Hintergrund eine verfallende Fischerhütte.
Wenig später streifen wir durch die wenigen Häuschen. Ein, zwei Reiher sind hier sehr heimisch und – wie gesagt – erhalten regelmäßig ihr kleines oder auch größeres Häppchen von den Einwohnern.
Ohne Worte – oder: Hier lässt es sich ausruhen.
Aufgegeben oder nur vorübergehend nicht genutzt?
Drei, vier bewohnte Hütten, drei vier Häuser im Bau, aber es gibt ein Restaurant. Wir fragen, ob wir am Abend essen könnten, und jetzt vielleicht ein Bierchen trinken. Kein Problem. Letztlich schlucken wir 2 x 2 Bierchen und müssen noch gar nicht zahlen, da wir für den Abend ein Essen buchen. „Tranquillo!“
Und dann läuft in unserer ach so einsamen Ecke ein Katamaran ein. Auch das noch. Ist´s vorbei mit der angenehmen Ruhe?

Egal. Wir sind zum Abendessen wieder an Land in unserem einfachem „Fischerrestaurant“. Der voreingedeckte Platz behagt uns nicht so sehr, da etwas windig und abgelegen von Küche und dem „Kneipenleben“. Wir wandern einmal um das Gebäude herum. An den großen Tischen auf der anderen Seite gefällt es uns viel besser, zumal man Küche und Wirtsleuten zusehen kann, und noch zwei weitere Gäste da sind. Patrice (Franzose) und seine Frau Luz (sprich langes U und scharfes S, Venezolanerin). Wir kommen schnell ins Gespräch. Sie segeln den Katamaran und natürlich setzen wir uns an einen Tisch. Je Paar gibt es nun:

  • 1,5 Langusten
  • Meeresfrüchte-Cebiche, überwiegend aus Conchas, also Meeresschnecken zubereitet
  • Arepas (Maisküchlein)
  • Im Teig fritierte Meeresfrüchte
  • Kross gebratener Fisch, zwei Snapper
  • Gebratene Camaiguana (sprich cama-Pause-iguana), das sind so eine Art Sardellen

Das kostet 80 USD für zwei Personen. Und die abendlichen Getränke einschließlich der bereits am Nachmittag genossenen vier kleinen Biere werden uns erlassen. Möglicherweise hat Patrice die Rumpunsch übernommen, die wir anlässlich seines heutigen 61. Geburtstag genossen. Wir werden es nie erfahren. Jedenfalls sind die Menschen hier nett und freundlich, willkommend und großzügig. Und da der ganze Abend so angenehm und inspirierend und fesselnd war, gibt es nicht ein Foto. Schlicht vergessen. Aber das ist ja gut so – spricht es doch für sich.

Auch das ist Crasky. Mehr ist nicht zu sagen.

Und damit wollen wir anregen, sich gelegentlich zurück zu lehnen und mal die Beine baumeln zu lassen.

Martin und Anke


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Tipps und Hinweise

Mit unregelmäßiger Regelmäßigkeit verfassen wir Tipps und Infos zu den unterschiedlichsten Themen, die das Fahrtenseglerleben betreffen. Daher ruhig mal auf den anderen Seiten und Unterseiten reinschauen. Beispielsweise haben wir uns anlässlich der Umrüstung auf Lithium-Batterien ein paar Gedanken zu dem Thema gemacht, und diese auf der Seite Story und Tipps / Technik Tipps eingestellt. Die Überlegungen finden sich hier: Bemerkungen zu Lithium.

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Überraschende Begegnungen mit den interessantesten Menschen. Das war zunächst eine Idee, und es war schnell ein bestimmender Teil unserer Reise. Nicht anders war es mit der Begegnung mit lokalen Genüssen. Immer faszinierend, und einmal hat uns ein solcher Genuss fast die Mägen zerrissen. Auf den Kapverden war das. Neugierig geworden? Wir schildern die Erlebnisse und die spannenden Begegnungen in dem Buch, das unsere Weltumsegelung von 2004 bis 2009 beschreibt. Eine Weltumseglung mit einer Aluminium-Reinke Super 11. Informationen zum Buch und wie Ihr die PDF bestellen könnt, findet Ihr unter diesem Link, also einfach auf diesen Satz klicken.

Das Buch unserer Weltumseglung von 2004 bis 2009:
Just do it – von der Weser in die Welt
323 Seiten, durchgehend mit farbigen Fotos bebildert, diverse Karten, hier und da Einschübe zu besonderen Aspekten, die uns beschäftigten und ein Anhang mit gelegentlich launigen Begriffserklärungen.

Vorerst nur als PDF verfügbar. Das Coverfoto des Buches zeigt Just do it in der Caleta Beaulieu im Beagle-Canal.

Wie Bobby Schenk schreibt: „Ein großes Buch, das pure Lese-Freude schafft. Es ist wahrscheinlich das beste aller Weltumsegelungs-Bücher (vielleicht sogar besser als meine eigenen…)“

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