Endlich wieder unterwegs. Man muss ganz genau hinschauen, da sieht man auf der Kimm unter den Wolken links neben der Genua eine schwache, blaßblaue Kontur. Das erste Mal, dass wir von Martinique aus – wir befinden uns auf der Höhe von Saint-Anne – Saint Lucia sehen können.
Nach einer leichtwindigen und damit recht angenehmen Passage, meist hatten wir bescheidene vier Beaufort, erreichen wir zum zweiten Mal Saint Lucia. Heute steuern wir direkt die Marina an der Rodney Bay an. Sind allerdings zu spät, da die Büros bereits um 17:00 Uhr schließen. Hinter der engen Passage in die geschützte Lagune, in der sich die Marina befindet, haben wir das Glück, einen gereifteren Bootsboy (im Rasta-Look) anpreien zu können. Und der ist gut informiert. Welche Landspannung wir benötigen? 110 oder 220V? Dann am besten so und so steuern, dann am Ende einmal rum und einen beliebigen freien Liegeplatz nehmen. Perfekt! Der nächste Tag vergeht mit Einklarierung und drumherum, so dass wir erst für den Folgetag ein Auto mieten, obwohl nach Wettervorhersage heute der schönste Tag sein soll.
Trotz angenehmer 4 Beaufort, der Wind weht konkreter beziffert mit 15-16 Knoten, machen wir flotte Fahrt wie das Kielwasser zeigt. Und wie man andeutungsweise erkennen kann: erstmals hängt unser Dinghy am neuen Geräteträger.Annäherung an Saint Lucia aus der Perspektive des SteuermannsNach der Ankunft vertreten wir uns noch mals kurz die Beine. Und machen erste Entdeckungen. Wenig später kochen wir in der Bordküche unser Abendessen, stets die Hauptmahlzeit des Tages. Und wie man sieht, der Appetit war groß! 😊 Die geleerte Pfanne deutet auf französische Bratwürstchen hin. Da haben wir einen kleinen Vorrat aus dem Auchan-Supermarkt in Le Marin mitgenommen.Nach einer Fahrt mit einer vermutlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von vielleicht 30 km/h haben wir uns durch die Inselhauptstadt Castries gekämpft und nähern uns den Pitons. Die zwei markanten Bergkegel vulkanischen Ursprungs sind Wahrzeichen der Insel und symbolisch auch in der Nationalflagge dargestellt. Das Örtchen hier ist Soufriere. 1994 war Martin schon mal hier und findet sogar das Gebäude am Kirchplatz, das damals seine Unterkunft war. (Mann, ist das lange her – als wär´s eine Erinnerung an ein anderes Leben!)Das Inselinnere ist üppig grün. Was durch die Wolken und den Niederschlag, den sie bringen werden, gut zu erklären ist. Leider ist Niederschlag nicht das, was wir uns eigentlich wünschen.
Man wundert sich, was das hier ist, bzw. wo wir hier sind. Nun, das ist ein kleines Restaurant-Café irgendwo in den Bergen an der Straße zwischen Castries und Soufriere. Da wir dem Wetter nicht trauen und außerdem Hunger haben, kehren wir ein. Wir bleiben die einzigen Gäste. Aber wir werden gastfreundlich und nett bewirtet. Und man glaubt es kaum, wer will, kann sogar vegane Gerichte erhalten. Moderne Zeiten. Wir verbringen hier allerdings so viel Zeit, dass uns am Ziel tatsächlich der Regen erwischen wird.
Schon nahe dran am Ziel. Bei diesem Fotostopp stolpern wir über eine Hinweistafel. Sie klärt uns darüber auf, dass wir vor einem Weltnaturerbe stehen. Wussten wir gar nicht.Den Mittelteil haben wir ausgelassen, da es nur geschüttet hat. Aus dem geplanten Spaziergang bzw. der Wanderung an den Pitons ist nichts geworden. Wegen des Regens und wegen der 10 Dollar Eintritt für eine Halbstundenwanderung. Auf dem Rückweg: an einer der Straßenbaustellen stutzen wir über die viele aus Mitteleuropa stammende Technik. In gelber Warnweste übrigens die hübscheste Verkehrsreglerin, die wir je angetroffen haben. Zeigt leider gerade nur den Rücken. Der Arbeitsfortschritt hat erkennbar gelitten, denn meist war sie von einer Arbeitertraube umschwirrt. Da das Wetter wieder freundlicher wird, stoppen wir im farbenfrohen Anse la Raye. Ein kleines Fischerdorf, in dem an jedem letzten Freitag im Monat, wenn der Pfarrer in den Ort kommt, gefeiert wird. Auch wenn die Menschen hier eher arm sind, sie sind aufgeschlossen und unkompliziert. Martin und der Dorfspaßvogel, ich nenne ihn mal so. Er lädt mich / uns zu seiner Hochzeit am nächsten Tag ein. Wir sollen möglichst früh kommen. Die drei im Hintergrund amüsieren sich zurückhaltend, passen aber auf ihn auf. Denn sein Rumpegel hat bereits ein beträchtliches Niveau erreicht. Sie freuen sich allerdings auch, dass wir so unkompliziert mit ihm umgehen. Und wir kaufen bei der Dame noch Brot, nachdem wir erkennen, dass wir vor einem kleinen Kaufladen stehen.Einheimische Kaliber. Frisiert wird auf der Straße bzw. auf dem Gehweg. Aber das alles funktioniert. Jenseits der Bretterwände übrigens Motoren- und Maschinenrelikte und spielende Kinder. Man kann letzteres befremdlich finden, aber wahrscheinlich ist es der beste Abenteuerspielplatz. In meiner Kindheit waren (nicht gesicherte) Baustellen und Abrißhäuser die tollsten Spielplätze.Einen Tag vor uns ist die Bel Ami von Brad eingelaufen. Wir kennen uns bereits aus Le Marin. Brad ist zusammen mit seiner Crew Tommy unterwegs. Ein Gespann wie Pat und Patachon, denn Brad ist ein ruhiger Riese und Tommy klein und quirlig. Wir laufen uns zwangsläufig auf den Stegen immer wieder über den Weg, und so ergibt es sich, dass wir eines Abends gemeinsam Essen gehen. Wie der Zufall es will, enden wir in einem Sushi-Restaurant. Scheint eine einheimische Kette zu sein, aber allem Misstrauen und Vorbehalten zum Trotz: Die Qualität ist überzeugend. Anke freut sich über ihre Mega-Lieferung. Da kommt der Appetit in Null Komma Nix.
Nächster Tag: Father of Nature. Zu spät, als wir mittags eintreffen. Der eloquente junge Mann, der Father of Nature verkörpert, hat heute seinen freien Tag. Auch wenn er sich Zeit nimmt, sich ausfürhlich mit uns zu unterhalten. Er empfiehlt uns immerhin einen Blick in den Nature Trail ganz am „Ende der Straße“ zu werfen. Doch beim Nature Trail kommen wir auch zu spät. Sie schließen früh. Also zurück und Kurzspaziergang an der Rodney Bay. Heftiger Regenschauer führt zu Bier in Bar. Überlegen, noch mal den Pigeon Point zu besuchen, da waren wir ja schon mal mit Cindy und Robert. Aber auch hier wird eigentlich Eintritt verlangt: 10 Dollar. Das hatten wir ja schon umsonst. Außerdem regnet’s. Also lassen wir es.
Am Eingang des Nature Trails begegnen uns wieder eindruckvolle Blüten. Schade, dass wir nicht mehr rein können.
Immer wieder rätseln wir, was wir da sehen. Martin rätselt, Anke weiß es: eine Pourcelaine.Zurück an der Rodney Bay überrascht uns ein heftiger Schauer. Und nicht nur uns. Die auf dem Foto fast noch menschenleere Strandbar füllt sich. …… Aus dem fetten Fahrzeug vor uns ist ein schwarzes Paar gesprungen und hat sich auch in die Bar geflüchtet. Unwillkürlich muss ich an manch deutsche Diskussion denken, und an den Grünen-Nachwuchs. Da gab´s doch kürzlich was mit „schwarzer Lebenswirklichkeit“. Nun, uns ist die Bandbreite dessen, was das bedeuten kann durchaus bewusst. Doch offenbar wird da übersehen, dass diese Lebenswirklichkeit eine extreme Bandbreite umfasst. Und der Audi ist ein Beispiel für ein Ende der Spanne.
Über abenteuerlichste Straßen und Pisten quer über einen privaten Golfplatz erreichen wir eine Strandbar, an unserem Zielstrand, in die wir nicht einkehren dürfen, nicht einmal zum Schauen, da wir keine Mitglieder oder Gäste des Clubs sind.
Wir befinden uns inzwischen an der „Rückseite“ des Golfplatzes auf der falschen Seite der Schranke. Innen! Hier findet eigentlich nur Waren- und Baustellenverkehr statt. Anke lässt sich erklären, wie wir zum Strand kommen, und später wieder zurück nach Rodney Bay. Der Pförtner ist hilfsbereit und freundlich.Wir haben den Strand gefunden.Ein menschenleerer Strand unterhalb des Golf-Clubs. Und viel muffendes Sargasso-Kraut … Vielleicht deshalb? … Unglaubliche Mengen des muffenden Algenzeugs.
Danach erledigen wir noch ein paar Einkäufe in den Supermärkten von Rodney Bay. Wir müssen das Mietauto nutzen. Sind überrascht über die Fülle des Angebots. Nicht eben preiswert, aber das Angebot ist faszinierend. Man hat das Gefühl, es gibt alles, womöglich mehr als in einem gut sortiertenen, deutschen Supermarkt.
Ganz entspannt gehts weiter. Die Marigot Bay ist mal wieder unser Ziel. Wir segeln beschaulich. Einerseits, da die Distanz nur etwa neun Seemeilen beträgt, andererseits, da unsere Laminatsegel rapide aufgeben. Noch können wir sie nutzen, doch die Laminatlagen lösen sich voneinander und beim Groß fallen auch schon erste kleine Bereiche ab. Wie sich zeigt, ist unser Tourenlaminat den dauerhaft hohen Temperaturen nicht gewachsen. Daumen drücken – sie müssen noch bis Curaçao halten.Marigot ist inzwischen fast ein wenig so etwas wie nach Hause kommen. Die nette Bardame des Chateau Maygo erkennt uns wieder und begrüßt uns superfreundlich.Anke und ihr geliebter Piña Colada.Abendliche Idylle. Die beiden Ankerlieger sind deutsche Yachten, die Galatea, eine Reinke 13er, und die Platypus. Wir verbringen den nächsten Abend gemeinsam und fröhlich bei Doolittle, einer der zwei anderen Bars an der Bay.Die Notwendigkeit, den Fallenblock des Spifalls wegen des Parasailors gegen einen stärkeren zu tauschen, erlaubt Martin einen schönen Blick aus der Vogelperspektive. Weiter gehts zu den Pitons. In der Bucht zwischen diesen beiden Vulkanfelsen wollen wir die letzte Nacht vor der Überfahrt zu den Roques verbringen.Trotz ruhiger Segelbedingungen ist für Spannung gesorgt: Unsere Segel, unsere Segel! Hier löst sich die äußere Laminatlage an einem Teil des Großsegels. Anke klebt es daher mit Segeltuchklebestreifen. Die führen wir seit Menschengedenken für Fälle wie diese mit und wundern uns, dass sie nach all den Jahren noch kleben.Der Mond steht über dem Gros Piton. Es könnte so schön sein. Doch in der Nacht ist das Meer ungnädig, der Wind pfeift in Fallböen die Küste entlang. Anke findet kaum und Martin gar keinen Schlaf. Ideale Voraussetzungen für den Start zu den Los Roques.In unserem angeschlagenem Zustand hadern wir noch lange. Selbst als wir schon unterwegs sind und die Pitons hinter uns zurückfallen, vergrauen und immer kleiner werden. Sollen wir doch noch nach Süden abdrehen? In erwartbar angenehmen Etappen nach Trinidad segeln, die Buchung in Curação verfallen lassen? Zumal die Prognosen in drei bis vier Tagen eine Gewitterlage vorhersagen.
So vergeht der erste Tag und die erste Nacht. Und die Bedingungen an Bord sind auch nicht das Gelbe vom Ei. Trotz ausgebaumter Genua: Beide, Groß und Genua schlagen und flappen, auch als wir den Besan wegnehmen. Den ganzen Tag und die Nacht hindurch.
Nach einer weiteren schlafarmen bis schlaflosen Nacht. Der Parasailor ist gesetzt! Endlich Ruhe, kein Schlagen und Flappen, kein Gegeige und Gerolle. Wir ärgern uns noch im Nachhinein, dass wir das Segel nicht gestern schon gesetzt haben. Waren wegen unserer Erschöpfung nach der schlafarmen bis schlaflosen Nacht einfach nicht dazu bereit. Im Nachhinein betrachtet ein Fehler.Die Stimmung bessert sich. Martin genießt sogar die Farben der bunten Leinen für den Parasailor.Blick aus der Vorschiffskoje auf den Parasailor unmittelbar vor dem Hinwegschlummern. Mittagsschlaf. Zwischendurchschlaf. Nächtlicher Schlaf. Alles ist plötzlich möglich, da das Boot sich unter diesem bunten Segel so viel ruhiger verhält.Eine wunderschöne Abendstimmung entschädigt für vieles. Eine Blauwasserweisheit besagt, man segele nie mit buntem Tuch in die Nacht. (Bunte Tücher sind große Segel wie Spi, Blister, Parasailor etc.. Hintergrund ist, bei überraschenden Änderungen von Windstärke und Windrichtung kann es ein Problem sein, diese Segel in der Dunkelheit zu beherrschen oder zu bergen.) Nun ja. Wir haben uns soweit erholt, dass wir natürlich mit buntem Tuch in die Nacht gehen. Bloß nicht wieder diese Gerolle und Geschlage und Geflappe in der Nacht.
Anke bereitet einen Grüne Papaya-Salat. Die nötige grüne Papaya hatten wir noch vom Bootsgemüseverkäufer in Rodney Bay. Wäre schade um sie gewesen. Papaya schälen und dann – wichtig – waschen, um Bitterstoffe zu entfernen. Dann raspeln, eine große halbe Möhre (sonst eine) dazu raspeln. Cherrytomaten vierteln. Knoblauch fein hacken, geröstete Erdnüsse salzen und zerdrücken, Rohrzucker, Fischsauce und Limettensaft und ein Teil der Cherrytomaten dazugeben und zu einer Paste verarbeiten. Dann alles miteinander vermengen. Lecker.
Freundlich, gleichmäßig und bestimmt zieht uns der Parasailor durch die Nacht.Landfall in der Abenddämmerung. Gran Roque.
Erst einmal ausschlafen und dann schauen, was dieser Archipel uns bringt. In diesem Sinne, achtet auf Euren Schlaf!
Anke und Martin
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Tipps und Hinweise
Regelmäßig verfassen wir Tipps und Infos zu den unterschiedlichsten Themen, die das Fahrtenseglerleben betreffen. Daher ruhig mal auf den anderen Seiten und Unterseiten reinschauen. Ganz aktuell (14.07.2025) haben wir die „Spielregeln“ für das Ein- und Ausreisen in den Los Roques-Archipel zusammengefasst. →Los Roques – Bestimmungen zur Ein-und Ausreise.
Das Buch unserer Weltumseglung von 2004 bis 2009: Just do it – von der Weser in die Welt 323 Seiten, durchgehend mit farbigen Fotos bebildert, diverse Karten, hier und da Einschübe zu besonderen Aspekten, die uns beschäftigten und ein Anhang mit gelegentlich launigen Begriffserklärungen.
Vorerst nur als PDF verfügbar. Das Coverfoto des Buches zeigt Just do it in der Caleta Beaulieu im Beagle-Canal.
Wie Bobby Schenk schreibt: „Ein großes Buch, das pure Lese-Freude schafft. Es ist wahrscheinlich das beste aller Weltumsegelungs-Bücher (vielleicht sogar besser als meine eigenen…)“